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"Eine der interessantesten Fragen im Motorsport": Wird auch das Indy 500 bald elektrisch?

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Das legendäre Indianapolis 500 ist eines der größten Motorsportrennen auf dem Planeten. Im Mai fand bereits die 106. Austragung des Rennens statt, das traditionell über 200 Runden auf dem Indianapolis Motor Speedway (IMS) ausgetragen wird. Mit einer Distanz von mehr als 800 Kilometern, die fast ausschließlich unter Volllast absolviert werden, ist hier Elektrifizierung bislang noch kein Thema. Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern.

"'Wird das Indy 500 elektrisch?' Das ist eine der interessantesten Fragen im Motorsport. Wohin wird es sich zukünftig entwickeln?", fragt der langjährige IndyCar-Fahrer J. R. Hildebrand bei 'Autoblog'. 2011 hätte er bei seinem Debüt das Rennen beinahe gewinnen können, rutschte aber wenige Meter vor dem Ziel bei einer Überrundung in die Mauer und wurde nur Zweiter.

Neben dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans und dem Großen Preis von Monaco gehört das Indianapolis 500 zur "Triple Crown", einem inoffiziellen Titel unter Motorsportanhängern. Obwohl viele Fahrer es versucht haben, gelang es bislang nur dem Briten Graham Hill, alle drei Rennen zu gewinnen. Zuletzt versuchte Fernando Alonso mit zwei Gaststarts beim Ovalrennen, das zur US-amerikanischen IndyCar-Serie zählt, vergeblich, sich zum zweiten Titelträger zu küren.

Wie so ziemlich alle bedeutenden Rennserien hat sich aber auch die IndyCar auf die Fahnen geschrieben, ihren CO2-Fußabdruck zu verringern. Die ersten Schritte wurden bereits in die Wege geleitet. So liefert Einheitslieferant Firestone die Reifen bereits mit den eCascadia genannten elektrischen Schwerlast-LKWs der Daimler-Tochter Freightliner an die Rennstrecken. Die Transporter, mit denen Autos und Ausrüstung von Rennen zu Rennen transportieren werden, werden mit Biodiesel betankt.

Bei den Antrieben der Rennwagen ist der Trend zur Elektrifizierung ebenfalls angekommen: So gilt ab dem Jahr 2024 ein neues Motorenreglement. Die beiden in der Rennserie engagierten Hersteller Chevrolet und Honda entwickeln dazu neue 2,4-Liter-Turbomotoren. Zusätzlich zu den 800 PS der Verbrennungsmotoren kommt dann ein Elektromotor zum Einsatz, der weitere 100 PS Leistung abgeben soll.

"So wie sich unsere Welt entwickelt, sieht es danach aus, dass es in diese Richtung geht", sagt Teambesitzer Mike Shank. "Wenn wir über Elektrifizierung sprechen, ist der Hybrid sicherlich eine leicht zu realisierende Lösung. Es geht aber nicht nur um Hybride, sondern auch um reine Elektroautos. Was wir als Team versuchen, ist, uns darauf vorzubereiten."

Alle Mitarbeiter von Shanks IndyCar- und Sportwagen-Team nehmen an einem Honda-Trainingsprogramm teil, um zu lernen, wie man sicher an Elektroautos arbeitet. Er hoffe zwar, dass es weiterhin einen Nischenbereich für Verbrennungsmotoren geben werde. "Aber ich möchte auch nicht rückständig sein. Ich möchte auf dem Laufenden bleiben und das tun, was für die Welt wichtig ist", so Shank weiter.

"Die Regierungen der Welt entwerfen die Straßenautos von morgen"

Ein Punkt, den Anhänger von Verbrennungsmotoren an Elektroautos immer wieder auszusetzen haben, ist der fehlende Lärm. "Das Thema Sound ist ein Generationending", sagt Mike Hull, Managing Director bei Chip Ganassi Racing. "Aber die Generation, die die Zukunft bestimmen wird, wird mit einem anderen Sound aufgewachsen sein, als wir."

Für ihn steht außer Frage, dass in einigen Jahren elektrische Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten von mehr als 370 km/h auf dem Indianapolis Motor Speedway fahren werden, auch wenn viele Motorsport-Puristen dem momentan noch ablehnend gegenüberstehen würden. "Man wird sich denken: 'Ein Auto, das so schnell fährt, sollte nicht so klingen.' Aber das wird es."

"Wenn man einmal darüber nachdenkt, entwerfen die Regierungen der Welt, egal in welchem Land man lebt, schon heute Straßenautos", erklärt Hull. Davor könne sich auch der Motorsport nicht verschließen. "Auf den ersten Blick scheint das rückständig zu sein, aber die Realität sieht so aus: Auf der Grundlage der weltweit geltenden Regeln und Vorschriften schreibt man den Autoherstellern vor, was Fahrzeuge in der Zukunft leisten müssen. Und auch wir werden in Zukunft Rennen damit fahren. Das steht außer Frage."

"Wir sind noch weit davon entfernt, die Technologie für eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 180 Meilen pro Stunde über 500 Meilen zu haben", gibt Hildebrand hingegen zu bedenken. "Wenn man sich den Spitzenmotorsport anschaut und ein Elektroauto mit einem Verbrennungsmotor konkurrieren lässt, dann ist das Indy 500 eines der schwierigsten Rennen, um das zu schaffen."

Ob das Rennen mit den aktuellen Regeln der richtige Ort für die Entwicklung dieser Technologie ist, bezweifelt er jedoch. Die Innovationskraft der Teams ist sehr stark limitiert. "Meiner Meinung nach ist das Indianapolis 500 der Ort, wo in der Vergangenheit diese Art von Dingen erforscht werden durften", erklärt er. "Wir haben heute aber sehr strenge und restriktive Regeln für die Architektur des Antriebsstrangs. Wenn wir nur darauf warten, dass elektrifizierte Antriebe die gleichen Geschwindigkeiten in Qualifying und Rennen erreichen, wird es vielleicht nie passieren. Und selbst wenn, werden zu diesem Zeitpunkt viele andere Dinge elektrisch sein, also wird es keine super interessante Sache mehr sein."

"Ich würde gleich heute damit beginnen, Wege zu finden, wie man mit einem hochdotierten Preiswettbewerb - so etwas wie X-Prize - die Elektrifizierung an der Rennstrecke bei den IndyCars willkommen heißen könnte", beschreibt er den konkreten Ansatz, den er selbst verfolgen würde.

"Die Leute würden ausflippen, wenn Elektroautos gegen Verbrenner fahren"

"Man kann sich vorstellen, dass es deutlich leichter ist, das Qualifying-Tempo zu erreichen, anstatt 500 Meilen in diesem Tempo zu fahren. Wenn man nun im Qualifying alle Technologien zulassen und die Autos fürs Rennen qualifizieren lassen würde, wäre das aber ein bisschen zu viel. Man hätte dann Autos dabei, die zwar schnell im Qualifying sind, aber nicht konkurrenzfähig über die Renndistanz."

"Indianapolis ist einer der Orte, wo es für alle Alternativen zum Verbrennungsmotor am schwierigsten ist. Aber genau deswegen wäre es der perfekte Ort, um es einfach mal zu versuchen. Das Risiko liegt bei Null", bekräftigt er. "Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass alle Leute hingehen werden, um genau das passieren zu sehen. Wenn man schon denkt, wie verrückt es war, als 1967 ein Turbinenfahrzeug in Indianapolis antrat, muss man sich einmal vorstellen, wie sehr die Leute ausflippen würden, wenn man Elektroautos zur gleichen Zeit wie Autos mit Verbrennungsmotor zulassen würde. Und es gäbe diesen verrückten Preis."

"Man stelle sich nur einmal vor, wie unvorhersehbar das im Vergleich zu dem wäre, womit wir heute zu tun haben", fährt er fort. "Die Tragweite dieses Ereignisses kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden!"

"Und angenommen, dass gegen Ende des Rennens alle auf der gleichen Strategie wären und es eine Full-Course-Yellow gibt", spricht er ein aus seiner Sicht denkbares Szenario an. "Es könnte sein, dass aufgrund der Art und Weise, wie der Antrieb funktioniert, die Elektroautos dann einen Vorteil hätten, weil sie effizienter sind, während die Verbrennungsmotoren weiter Kraftstoff verbrennen. Plötzlich haben die Elektroautos für den letzten Stint einen Vorteil und machen den Rennsieg unter sich aus."

"Es wird Leute geben, die das hassen werden. Aber darum geht es ja doch. Der Sinn des Motorsports ist es, zu zeigen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, Dinge zu tun, und dass einige Dinge unter bestimmten Bedingungen besser funktionieren, als andere. Das ist genau der Grund, warum wir gegeneinander antreten."

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