Extreme-E-Aus, Hersteller-Fluktuation, Sponsoring-Chancen: Agag erklärt mögliche Konsequenzen der Extreme-H-Einführung
Tobias Wirtz
Die Extreme E hat vor wenigen Wochen bekannt gegeben, dass sie ab 2025 unter dem Namen "Extreme H" Rennen mit Wasserstoff-betriebenen Fahrzeugen austragen wird. Nur ein Jahr später soll sie sogar offiziell das Prädikat einer "FIA-Weltmeisterschaft" erhalten. Die Zukunft der batteriebetriebenen Offroad-Fahrzeuge blieb dabei offen. Nun hat Alejandro Agag, Gründer und CEO der Rennserie, Licht ins Dunkel gebracht.
"Ich denke, die Extreme E wird einfach zur Extreme H übergehen und dann verschwinden", sagt Alejandro Agag bei MotorSportMagazine.com. "Wir haben noch keine endgültige Entscheidung getroffen, wir wollen noch mit allen Teams sprechen. Wir haben nach Möglichkeiten gesucht, Elektro und Wasserstoff gleichzeitig zu betreiben - aber ich bin der Meinung, dass wir uns nur auf Wasserstoff konzentrieren sollten. Also werden wir, abhängig von den abschließenden Diskussionen, ein Übergangsjahr einlegen."
In der Saison 2024 sollen den Teams beide Optionen zur Verfügung stehen: Entweder sie setzen auf das klassische Paket mit der fast 400 kg schweren Batterie von WAE, oder aber sie verwenden Brennstoffzellen, die Strom aus Wasserstoff und Sauerstoff erzeugen. Ab 2025 sollen dann nur noch Fahrzeuge mit Brennstoffzellen an den X Prix teilnehmen.
Während Agag und die Extreme E diesen Schritt als Vorstoß in der Technologieentwicklung verkaufen und der erste Prototyp mit dem neuen Antrieb bereits seine ersten Meter gefahren ist, könnte auch noch ein anderer Grund hinter diesem Schritt stehen: Geld. Die Rennserie soll nach anfänglicher Euphorie durch den Einstieg einiger großer Namen, darunter die Formel-1-Weltmeister Jenson Button, Lewis Hamilton und Nico Rosberg, finanziell nicht optimal aufgestellt sein. Hinzu kommt, dass Nico Rosberg bei einer früheren Medienrunde zur Extreme E verriet, dass rund 90 Prozent der Unternehmensgäste der Rennserie mit Wasserstoff zu tun hätten.
Wasserstoff entwickelt sich derzeit zu einem Milliarden-Markt, von dem auch Agag sicherlich liebend gern ein Stück abbekommen möchte. Im Motorsport gibt es derzeit - trotz großer Ankündigungen wie des "Mission H24"-Projekts bei den 24-Stunden von Le Mans - noch keine Fahrzeuge, die mit Wasserstoff angetrieben werden. Auch der von Spark Racing Technologies entwickelte Wasserstoff-Prototyp für die Extreme H hat laut Mark Grain, Technischer Direktor der Rennserie, bislang lediglich einige Runden auf einem Parkplatz gedreht.
Agag: "Werden für viele Jahre die einzige Wasserstoff-Meisterschaft sein"
Dennoch sieht Agag in Wasserstoff eine Chance, die er nicht verpassen will. "Ich denke, das Interessante daran ist, dass wir die Einzigen sind. Das Potenzial für das Sponsoring einer Wasserstoffmeisterschaft ist größer als das Potenzial, das wir aktuell haben. Wir werden für viele Jahre die einzige Wasserstoff-Meisterschaft sein - das bringt uns in eine einzigartige Position."
"Interessant ist auch, was sich außerhalb des Autos abspielt", beschreibt er. "Die große Hoffnung für Wasserstoff ist: Er wird für den Transport von grüner Energie verwendet. Man speichert die Sonnenenergie von Solarpanelen in Wüsten-Ländern wie Namibia, Chile und Saudi-Arabien und transportiert sie dann weiter. Eine Meisterschaft wie die Extreme H könnte eine Plattform sein, auf der all diese Technologien getestet werden können."
Saudi-Arabien wird dabei von Agag nicht zufällig erwähnt: Die wirtschaftlichen Verflechtungen des Spaniers mit dem Königreich auf der Arabischen Halbinsel sind seit Jahren unübersehbar. So trägt die Extreme E seit der zweiten Saison ihren Saisonauftakt in der saudischen Planstadt Neom aus. Diese wird von einer Aktiengesellschaft entwickelt, die sich zu 100 Prozent im Besitz des saudischen Staates befindet. Ihre Tochterfirma Enowa - zuständig für Erneuerbare Energien und Wasserstoff - sponsert die Extreme E ebenfalls prominent: Der Fahrmodus, in dem die Fahrer:innen mehr Leistung abrufen können, heißt offiziell Enowa Hyperdrive.
Kein Interesse an Wasserstoff: Steigen Cupra und GM aus?
Während einige Teams, darunter Acciona Sainz, Andretti und Rosberg X Racing, den Umstieg befürworten und vorantreiben wollen, gibt es auch einige, die eher an Elektro- statt an Wasserstoff-Fahrzeugen interessiert sind. ABT Cupra und Chip Ganassi Racing, die von der zum GM-Konzern gehörenden Offroad-Marke Hummer gesponsert werden, würden in diesem Fall der Serie womöglich den Rücken kehren. Wasserstoff ist für die Titelsponsoren der beiden Teams kein Thema.
"Cupra hat den Ehrgeiz, in allen elektrischen Rennwettbewerben präsent zu sein, um zu beweisen, dass Leistung und Elektrifizierung perfekt zusammenpassen", erklärte Antonino Labate, Director of Strategy and Business Operations bei Cupra, vor einigen Monaten im Exklusiv-Interview mit e-Formel.de. Chip-Ganassi-Teamchef Dave Berkenfield bestätigt seinerseits bei MotorSportMagazine.com: "Wir wollen Teil der Meisterschaft sein, aber gehen dahin, wo die Hersteller hingehen."
Ein Risiko, das Agag bereit ist einzugehen: "Ich denke, wenn wir auf Wasserstoff umsteigen, würden wir wahrscheinlich sowohl GM als auch Cupra verlieren - das ist eine Tatsache. Ich habe mit beiden gesprochen: Einer wird definitiv gehen, einen könnte ich vielleicht zum Bleiben überreden." Immerhin habe der Spanier gleich drei potenzielle Hersteller vor Augen, die zukünftig sogar ihre eigenen Antriebe für die Extreme H entwickeln könnten. Seine Idee ist, dass Hersteller - ähnlich wie in der Formel E - für einen Festpreis ihre Antriebe auch interessierten Kundenteams zur Verfügung stellen müssen.
Toyota, Hyundai, BMW: neue Hersteller im Fokus
"Ich würde gerne mit Toyota sprechen, ich würde gerne mit Hyundai sprechen", beschreibt Agag weiter. Aber auch ein deutscher Automobilhersteller steht auf der Prioritätenliste des Spaniers ganz weit oben: "BMW steigt jetzt auch in die Wasserstofftechnologie ein - man könnte jeweils drei Teams (pro Hersteller) haben", so Agag. "Wir haben noch Zeit, uns das zu überlegen."
Wann wir zum ersten Mal das Extreme-H-Fahrzeug im Einsatz sehen werden, ist derzeit noch völlig unklar. Das Saisonfinale der aktuellen Extreme-E-Saison - ausschließlich mit batteriebetriebenen Fahrzeugen - findet Anfang Dezember in Chile statt. Ein Rennkalender für das Jahr 2024 wurde bislang noch nicht präsentiert. Gut möglich, dass der Saisonauftakt deutlich später im Jahr stattfinden wird, um bis dahin das Wasserstoff-Fahrzeug renntauglich zu bekommen.
2 Kommentare
D. Lectric ·
Zumindest macht Agag jetzt klar, dass Sponsoren der Antrieb sind und nicht das grüne Deckmäntelchen.
Toyota und BMW will er also holen? Zwei der Hersteller, die am längsten die E-Mobilität verschlafen haben?
Na dann halt tschüss Extreme E (schade) und hallo WRX.
Helmut ·
Um die Extreme-E ist es in welcher Form auch immer nicht schade. Die rennen eine matte Sache, viel zu langgezogen und kompliziert. Da war nur die ETCR noch schlimmer.
Und die Idee Rennsport in sensiblen Naturbereichen zu betreiben war ja sowieso die Schnapsidee schlechthin
Einen Kommentar schreiben