Extreme E: Claudia Hürtgen im Senegal erkrankt, Jutta Kleinschmidt übernimmt ABT-Cockpit
Tobias Bluhm
Das deutsche Extreme-E-Team ABT Cupra XE hat kurz vor dem Ocean X Prix seine Fahrer:innen-Paarung verändern müssen. Weil Claudia Hürtgen aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Elektro-Rallye im Senegal teilnehmen kann, wird die offizielle Extreme-E-Reservepilotin Jutta Kleinschmidt am Samstag und Sonntag für ABT ins Lenkrad greifen.
Kleinschmidt steht der Elektrorennserie und allen Teams als Ersatzfahrerin zur Verfügung - so auch für ABT. Wie das Team aus Kempten am Freitagabend bekannt gab, wird die eigentliche Stammfahrerin Hürtgen wegen einer Magenverstimmung nicht am Ocean X Prix teilnehmen können. Die Entscheidung zum Fahrerinnenwechsel fiel erst nach dem Shakedown, bei dem Hürtgen noch für ABT antrat.
"Es macht uns sehr traurig bekannt zu geben, dass Claudia Hürtgen aufgrund eines schweren Magen-Darm-Infekts nicht für uns beim Ocean X Prix antreten kann", erklärt das Team über den Kurznachrichtendienst Twitter. "Während wir ihr alles Gute wünschen, nehmen wir respektvoll das Angebot der Extreme E an, Jutta Kleinschmidt an diesem Wochenende in unser Team aufzunehmen."
Den zweiten Posten im ABT-Team wird planmäßig der schwedische Fahrer Mattias Ekström übernehmen. Hürtgen bestritt für ABT Cupra den Saisonstart im saudi-arabischen Al-'Ula, erreichte das Ziel beim Shoot-out nach einer Kollision mit dem CGR-Fahrer Kyle LeDuc jedoch nicht. Zuvor hatte sich sie im Qualifying schwer überschlagen. Es ist davon auszugehen, dass Hürtgen bei der nächsten Extreme-E-Veranstaltung in Grönland (28./29. August) wieder für ABT antreten wird.
Jutta Kleinschmidts Rückkehr an den Ort ihres größten Erfolgs
Die 58-jährige Jutta Kleinschmidt kehrt am Lac Rose zu ihren Rallye-Dakar-Wurzeln zurück. Die studierte Physikerin startete zwischen 1988 und 2007 mehrmals bei der legendären Offroad-Veranstaltung, gewann mehrere Etappen und wurde im Jahr 2001 zusammen mit ihrem Co-Piloten Andreas Schulz sogar Gesamtsiegerin. Seit 2007 war Kleinschmidt nicht mehr im Senegal. Nun kehrt sie nach Dakar zurück und erinnert sich an ihre Anfänge im Motorsport.
"Ab meinem sechsten Lebensjahr hatte ich nur zwei Dinge im Kopf: Geschwindigkeit und Abenteuer", sagt die erste und bis dato einzige Gewinnerin der berüchtigten Rallye Dakar. Dieses Gefühl des Abenteuers gepaart mit dem Aufwachsen mit Offroad-Motorrädern führte dazu, dass Kleinschmidt 1987 - nicht als Teilnehmerin, sondern als Fan - einfach an der Startlinie der Rallye Paris Dakar auftauchte.
Drei Wochen lang begleitete sie das offizielle Rennen und fuhr mit ihrem Motorrad 10.000 Kilometer durch Frankreich, Algerien und dann durch die Sahara in den Senegal zum Lac Rose. Jede Nacht erschien sie im Lager - erschöpft, erleichtert und mit ihrem eigenen Zelt, das sie über ihr Motorrad spannte. "Als ich die Rallye in diesem Jahr verfolgte, war es mein Ziel zu sehen, wie es sich anfühlte. Ich war einfach glücklich, jedes Zeltlager Nacht für Nacht in einem Stück zu erreichen. Dies war eines der größten Abenteuer für mich, weil ich völlig alleine war und ohne technische Unterstützung."
"In gewisser Weise war es verrückt, was ich getan habe. Es ist lange her, also hatten wir weder GPS noch Mobiltelefone oder ähnliches", erinnert sie sich. "Wenn man sich verfahren hatte, war man wirklich verloren und es gab keinerlei Verbindung zur Zivilisation. Aber ich habe mich mit allen gut angefreundet - die Teams waren sehr nett. Sie versorgten mich im Zeltlager mit Ersatzbrennstoff und Essen und versprachen, jemanden zu schicken, der mich finden würde, wenn ich nachts mal nicht auftauchen sollte!"
Wechsel auf vier Räder
Nachdem es Kleinschmidt bis ins Ziel geschafft hatte, war ihr Appetit auf mehr geweckt. So trat sie schließlich 1988 offiziell in der Rallye an. Einige Jahre später wechselte sie mithilfe ihrer Sponsoren, die sie durch ihre Zeit im Motorradsport bekommen hatte, von zwei Rädern zu ihrer ersten Dakar in einem Auto. 1995 startete sie in einem rein weiblichen Team mit der Beifahrerin Dagmar Lohmann. "Ich hatte das Gefühl, mit dem Motorrad das getan zu haben, was ich wollte, und es kam zu einem Punkt, an dem ich es in einem Auto versuchen wollte. Ich habe es geschafft, meine Sponsoren davon zu überzeugen, mit mir auf Autos umzusteigen."
Weniger als vierzig Prozent der Teilnehmer schafften es überhaupt ins Ziel. Viele blieben in den Sanddünen der Sahara stecken - kein Vergnügen, wie Kleinschmidt weiß: "Es ist so schwer, ein Auto aus dem Sand zu graben! Es ist unglaublich heiß, und man trägt einen feuerfesten Overall. Wenn man Pech hatte, musstes man eine Stunde oder sogar noch länger graben, um das eigene Auto frei zu bekommen. Und hierbei geben viele Menschen auf."
"Außerdem werden während des Rennens die Räder gewechselt - davon kann eines 55 kg wiegen. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer muss dafür im Fitnessstudio hart trainieren! Als ich zum ersten Mal mit dem Motorrad gefahren bin, war es mein Ziel, das Ende des Rennens zu erreichen und nicht aufzugeben. Und es hat mich glücklich gemacht", so Kleinschmidt.
Zwei Jahre später wurde die Rallye-Welt wirklich auf die talentierte junge Frau aus Deutschland aufmerksam. 1997 gewann Kleinschmidt ihre erste Etappe bei der Dakar. Nach ihrem Wechsel zum Team von Ralliart Deutschland (Mitsubishi) im Jahr 1998 belegte sie bei der Rallye den dritten Gesamtrang. Weitere Etappensiege folgten sowie Plätze unter den ersten Fünf im Gesamtergebnis der Marathon-Weltmeisterschaft - was ihr als einzige Frau gelang. Im Jahr 2001 errang sie einen historischen Sieg bei der Rallye Dakar. Damit war sie die erste und einzige Frau, die dies bisher geschafft hat.
20 Jahre später...
"Es war wirklich erstaunlich, weil ich davon geträumt habe, seit ich eine junge Frau war. Es war wie auf der Spitze eines riesigen Berges zu sein! Es war eine lange Reise, aber es hat sich gelohnt. Von der alleinigen Teilnahme ohne Unterstützung über das allmähliche Gewinnen von Selbstvertrauen und ein bisschen Sponsoring bis hin zum Wechsel zum Autorennsport, zum Podium und dann zum eigentlichen Sieg zu gelangen!", schwärmt sie.
Nun, 20 Jahre später, steht Kleinschmidt an selber Stelle vor ihrem Extreme-E-Debüt. Vor dem Rennen gibt sie sich analytisch: "Der Kurs ist sehr technisch und ganz anders als das, was wir in Saudi-Arabien vorgefunden haben", erklärt die neue ABT-Fahrerin Kleinschmidt ihre ersten Eindrücke des Kurses am Lac Rose. "Er ist zwar etwas langsamer, bietet aber mehr Möglichkeiten zum Überholen, da es mehrere mögliche Linien gibt. Das wird das Finale deutlich interessanter machen - ich erwarte engeres Racing und mehr Überholmanöver."
Das Extreme-E-Rennen im Senegal startet findet am 29./30. Mai unweit des Lac Rose statt. Das 1. Qualifying des Ocean X Prix startet am Samstag um 11:30 Uhr, das Finale steigt am Sonntag um 17:15 Uhr. Wir begleiten alle Qualifyings und Halbfinals in Streams auf e-Formel.de (zum Teil zeitversetzt). Sämtliche Sessions begleiten wir zudem live in unserem Ticker.
zusätzliche Berichterstattung durch Timo Pape
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