Formel E

Abschiedsbrief an die Formel E: Alexander Sims resümiert 4 Jahre im elektrischen Motorsport

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Alexander Sims hatte bereits vor einigen Wochen bekannt gegeben, die Formel E am Saisonende 2022 zu verlassen. In Südkorea hat er somit sein vorerst letztes Rennen in der Elektrorennserie bestritten. Nun hat sich der Brite nach 55 Starts mit BMW und Mahindra in einem virtuellen Abschiedsbrief von der Formel E verabschiedet. Auf seinem eigenen Blog lässt er die letzten vier Jahre Revue passieren.

Die Bekanntgabe, dass Sims zur Saison 2018/19 bei BMW i Andretti Motorsport das zweite Cockpit neben Antonio Felix da Costa übernehmen würde, war eine Überraschung. Nicht wenige hatten damit gerechnet, dass BMW einen seiner DTM-Werksfahrer in der Formel E unterbringen könnte. Sims hingegen hatte schon vorher für das Team getestet, im Tauziehen um ein Stammcockpit ein Jahr zuvor jedoch gegen Tom Blomqvist noch den Kürzeren gezogen. Mit BMW war Sims bereits seit 2014 verbunden - seitdem fuhr er im GT-Sport für die Münchener.

"Ich denke, die meisten Menschen wissen, dass ich ein leidenschaftlicher Verfechter der Elektromobilität bin. Ich fahre seit über zehn Jahren täglich ein Elektroauto - und ich hatte von Anfang an ein Interesse an der Formel E", beschreibt Sims im Abschiedsbrief auf seiner Webseite. "Zu dem Zeitpunkt, als BMW Motorsport mir einen Rennplatz in der Saison 5 anbot, war die Serie bereits gut etabliert, technisch anspruchsvoll für die Fahrer und aus finanzieller und sportlicher Sicht sehr konkurrenzfähig."

Formel E kommt "hinter der Formel 1, aber gleichauf mit IndyCar, WEC & DTM"

"Vier Saisons später hat sich die Serie zu einer weltweit hoch angesehenen Meisterschaft entwickelt, die hinter der Formel 1, aber gleichauf mit IndyCar, WEC und wohl auch der DTM liegt", beschreibt er weiter. "Nimmt man nur das Personal der Teams als Anhaltspunkt, so befindet sich die Formel E im Moment in einer guten Phase mit einer großartigen Mischung aus Leuten, die aus den Nachwuchskategorien aufgestiegen sind, und Leuten, die Formel-1-Teams verlassen haben, um zu wechseln. Aber da die weltweite Anerkennung und die Belohnungen für den Erfolg gestiegen sind, sind auch die Herausforderungen aus sportlicher Sicht von Saison zu Saison größer geworden."

Dass insbesondere an die Piloten der Rennserie die wohl höchsten Anforderungen in der ganzen Motorsportwelt gestellt werden, hebt er dabei besonders hervor: "Wenn ich ehrlich bin, zeigen mir die einzigartigen Anforderungen, die das Fahren und der Wettbewerb in einem Formel-E-Auto mit sich bringen, dass jeder einzelne Fahrer in der Meisterschaft am Maximum seines Könnens steht."

"Der schwierigste Aspekt der Formel E ist für mich wahrscheinlich der Reifen, den wir verwenden", beschreibt er. "Da es sich um einen Allwetterreifen handelt, war es eine riesige Herausforderung, ihn im richtigen Moment zum Laufen zu bringen und vor allem das physische Feedback zu bekommen, um zu verstehen, was er tut."

Auch das Format der Rennserie bringe spezielle Herausforderungen mit sich, die er aus keiner anderen Rennserie kenne, erklärt Sims. "Ich habe gelernt, bestimmte Bereiche zu priorisieren, um sie zu verbessern. Während meiner ersten Rennen fühlte ich mich völlig überfordert, weil ich wusste, dass ich mich in so vielen Bereichen verbessern könnte, wenn ich nur genug Zeit hätte. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, mich nur noch auf die wichtigsten Dinge zu konzentrieren und zu akzeptieren, dass man nicht alles perfekt machen kann, wenn man nur 45 Minuten zwischen dem ersten und zweiten Training hat."

"Hätte mein 2. Formel-E-Rennen überhaupt gewinnen müssen"

Rückblickend auf seine Karriere fallen ihm insbesondere diverse verpasste Gelegenheiten in seiner Debütsaison ein: "Es gab so viele Momente, in denen wir nahe an einem viel besseren Ergebnis waren", beschreibt er. Den Unfall mit seinem Teamkollegen Felix da Costa in Marrakesch nennt er als erstes Beispiel einer ganzen Reihe von Rennen. "Realistisch betrachtet hätte ich mein zweites Formel-E-Rennen überhaupt gewinnen müssen. Ich hatte mehr Energie als Antonio (Felix da Costa) und eine gute Pace, als ein komplettes Kommunikationsdefizit meinerseits zu einer chaotischen Situation führte, in der wir kollidierten und ich auf den vierten Platz zurückfiel."

"Im nächsten Rennen wurde ich Dritter, erhielt aber nach dem Rennen eine Strafe wegen einer Berührung mit Edo Mortara", fährt er fort. "In Mexiko wurde ich von einem fliegenden Nelson Piquet jr. getroffen, und in Sanya wollte mein Auto in der Super-Pole keinen Gang einlegen... Die Liste der Dinge, die schief gelaufen sind, ließe sich endlos fortsetzen."

"Aber wenn ich darüber nachdenke, ist das wahrscheinlich ein typisches Merkmal der Formel E", so Sims weiter. "Es ist sehr schwierig, einmal in der Saison ein reibungsloses, konkurrenzfähiges Wochenende zu haben. Ganz zu schweigen davon, das konstant zu schaffen, um um die Meisterschaft zu kämpfen. Daher habe ich großen Respekt für Leute wie Stoffel (Vandoorne), Nyck (de Vries), Antonio (Felix da Costa) und JEV (Jean-Eric Vergne), die zu meiner Zeit Meister wurden."

"Sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, Formel E zu fahren"

Auch die Verpflichtungen außerhalb des Cockpits - seien es Autogrammstunden, das Simulatorrennen am Renntag oder Marketing-Aktivitäten - seien in der Formel E größer als in jeder anderen Rennserie, in der Sims bislang angetreten ist. "Zu lernen, wie man das alles unter einen Hut bringt, bevor man an den Renntagen wieder in den Rennmodus wechselt, war eine Herausforderung, die ich gerne gemeistert habe und die mich hoffentlich zu einem besseren Allround-Rennfahrer gemacht hat", schreibt der Brite.

Nach vier Jahren hat sich Sims eine neue Herausforderung gesucht. "Nachdem ich lange überlegt hatte, was das Beste für mich und meine Familie ist, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass meine Zukunft im Rennsport woanders liegt. Trotz meiner Entscheidung bin ich sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, in der Formel E zu fahren."

Seinen Abschiedsbrief schließt er mit den Worten: "Ich hoffe wirklich, dass die nächste Generation der Rennwagen gut funktioniert, und ich werde sie als Fan im Auge behalten, wenn ich kann."

Sims' Erfolgsbilanz in der Formel E umfasst einen Rennsieg beim Diriyya E-Prix 2019, zwei zweite Plätze, dazu drei Pole-Positions. Seine beste Platzierung in der Gesamtwertung erreichte er in seinen beiden BMW-Jahren, als er jeweils 13. wurde. Nach seinem Wechsel zu Mahindra belegte er nur die enttäuschenden Positionen 19 und 17 im Klassement.

Sims wird sich in Zukunft auf den Langstreckensport konzentrieren, in dem er auch parallel zu seinem Formel-E-Engagement immer wieder an den Start gegangen ist. In diesem Jahr stand er beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans in der GTE-Klasse auf der Pole-Position. Im Rennen schied die von Sims pilotierte Corvette nach einem Unfall unverschuldet aus.

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