Formel E

Formel-E-Mitbegründer Alberto Longo im Interview: "Berlin ist für uns eine Selbstverständlichkeit"

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Als Chief Championship Officer der Formel E ist Alberto Longo unter anderem für den Rennkalender und Vereinbarungen mit Städten zuständig, die ein Formel-E-Rennen austragen wollen. Wir hatten im Rahmen einer Medienrunde beim Berlin E-Prix die Gelegenheit, mit dem Formel-E-Mitbegründer zu sprechen.

Herr Longo, Berlin ist eine historische Stadt für die Formel E. Was bedeutet dieser Ort für Sie?

Berlin bedeutet uns alles. Die einzige Stadt, die wir seit dem ersten Jahr besuchen. Und Berlin ist die einzige Stadt, die der Formel E treu geblieben ist, selbst in den schlimmsten Zeiten. Berlin ist immer bereit zu helfen, sogar am Tiefpunkt, als die Welt zusammenbrach (im Zuge der Corona-Pandemie). Es war die einzige Stadt, die es uns erlaubt hat, sechs Veranstaltungen in zehn Tagen auszurichten, was bemerkenswert war. Die Berliner und die Deutschen sind auch sehr motorsportbegeistert. Man spürt das auf den Tribünen, da ist Leidenschaft. Berlin ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir werden immer in Berlin sein, so lange sie uns wollen.

Vor wenigen Tagen wurde Marrakesch als Ersatz für das abgesagte Rennen in Vancouver präsentiert. Warum wieder Marrakesch?

Nun, der Hauptgrund ist, dass es wahrscheinlich die einzige urbane Strecke ist, die in sieben Wochen fertiggestellt werden kann.

Was genau ist in Vancouver passiert?

Nun, in Vancouver bestand das Problem im Wesentlichen darin, dass die Stadt dem Promoter die Genehmigung zur Durchführung des Rennens nicht erteilen konnte, weil er einige der erforderlichen Unterlagen nicht vorlegen konnte. Die Rennstrecke in Vancouver gehört verschiedenen Eigentümern. Einer von ihnen hat den Vertrag nicht rechtzeitig unterschrieben, um die Genehmigung von der Stadt zu erhalten. Als wir aufgefordert wurden, eine Lösung für diese Situation zu finden, war es bereits zu spät. Von Seiten der Stadt kam dann die Aussage: Verschieben wir es auf nächstes Jahr, da wir haben ausreichend Zeit. Die Stadt und verschiedene Interessengruppen sind immer noch sehr daran interessiert, ein Formel-E-Event auszurichten. Aber das zu überstürzen, ergibt keinen Sinn.

Wie schwierig war es, das Marrakesch-Rennen nach der Vancouver-Absage zu organisieren?

Das ist schwierig. Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, die über eine städtische Rennstrecke verfügen, die so schnell aktiviert werden kann, dass ein Formel-E-Rennen möglich ist. Deshalb haben wir Marrakesch immer als eine Art Joker in der Hinterhand, der uns sehr leicht und sehr schnell hilft.

Wie wichtig ist es für die Formel E, dass es in dieser Saison sechzehn Rennen gibt?

Es ist sehr wichtig. Ich denke, wir müssen der Welt zeigen, dass wir nach diesen zwei Jahren Pandemie weiter wachsen. Und es ist wichtig, der Welt zu zeigen, dass wir in der Lage sind, 16 Rennen zu bestreiten. Und das eigentlich inmitten der Pandemie, denn all diese Verhandlungen wurden während der Pandemie geführt und waren mit vielen Unsicherheiten versehen, weil die Leute nicht wussten, was in den nächsten sechs Monaten passieren würde. Wir sind sehr stolz darauf.

Daher also der schnelle Ersatztermin für Vancouver?

Hauptgrund, warum wir Vancouver ersetzt haben, war die Lücke, die im Rennkalender dadurch entstanden wäre. Wir wollten nicht noch einen weiteren "Double-Header" machen, was der einfachste Weg für uns gewesen wäre. Wir wollten die Lücke füllen, die durch die Absage entstanden ist.

Ist es für die Formel E wichtig, in dieser Saison noch ihr 100. Rennen in Seoul durchzuführen?

Für die Formel E ist wichtig, überhaupt ein 100. Rennen zu haben. Das wird eine große Freude sein, ich könnte in Tränen ausbrechen. Wenn mir jemand vor acht Jahren gesagt hätte, dass wir das 100. Rennen der Formel E feiern würden, hätte ich ihn vielleicht für ein bisschen verrückt gehalten.

Warum fährt die Formel E nicht mehr in Paris?

Ich denke, dass die Strecke in Paris für die Geschwindigkeiten, die diese Autos erreichen, ein wenig zu heikel ist. Wir reden hier über Motorsport. In einigen der Städte, in denen wir Rennen gefahren sind, wird es schwierig, weil die Strecken zu schmal und zu klein sind. Auf zu schmalen Strecken kann man natürlich kein Rennen fahren. Mit dem Gen3-Auto, das 320 km/h schnell ist, wird es eine große Herausforderung.

Gibt es trotzdem Hoffnung für den Paris E-Prix?

Wir haben eine hervorragende Beziehung zur Bürgermeisterin von Paris. Sie wird auch weiterhin mit uns zusammenarbeiten, um eine größere Strecke im Stadtzentrum zu finden. Alles braucht seine Zeit. Die Leute denken, wenn wir eine Stadt ankündigen, dass wir drei Monate Vorbereitungszeit hatten. Es sind aber eher drei Jahre als drei Monate, bis wir an dem Punkt ankommen, an dem wir die Stadt ankündigen. Es ist also eine Herausforderung. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir sehr bald wieder in Paris fahren werden.

Die Formel 1 hat in den Jahren 2011 bis 2013 in Südkorea ein Desaster erlebt. Was macht Sie optimistisch, dass die Formel E in Seoul besser läuft?

Nun, zunächst einmal, dass wir einen fantastischen Partner in Südkorea haben, einen sehr guten Promoter. Mr. Moon ist auch an diesem Wochenende hier in Berlin. Und zweitens: Was die Formel E besonders macht und es für jeden Kritiker schwierig macht, grundsätzlich dagegen zu sein, ist, dass wir im Herzen der Stadt fahren. Wir fahren im Olympiastadion und ganz in der Nähe der wichtigsten Wahrzeichen der Stadt. Ich habe volles Vertrauen, dass das Rennen stattfinden wird. Wir haben bereits mit der Polizei gesprochen. Die Rennstrecke ist auch schon genehmigt worden, was ein großer Erfolg ist. Und die Bauarbeiten haben bereits begonnen. Wenn Sie heute nach Seoul fahren, werden Sie eine Menge Kräne und andere Dinge sehen, die für die Ausrichtung des Rennens benötigt werden.

"Können mit der Batterie des Gen2-Auto nicht mehr als 16 oder 17 Rennen fahren"

Sollte es Standard sein, bei jedem E-Prix zwei Rennen zu fahren, nicht nur eines wie in Monaco? Beispielsweise in Anbetracht der Kosten, die man für den Bau der Strecke aufwenden muss.

Finanziell gesehen würde das absolut Sinn ergeben, was Sie da sagen. Die Realität ist aber, dass wir eine globale Meisterschaft sein wollen. Wenn wir bei jeder Veranstaltung zwei Rennen fahren, bekämen wir Probleme mit der Anzahl der Rennen, die wir mit der Batterie fahren können. Wir können mit der Batterie des Gen2-Auto nicht mehr als 16 oder 17 Rennen fahren. Wenn wir nur "Double-Header" hätten, könnten wir nur in acht Städten fahren.

Und bei acht Rennwochenenden kommt wenig Momentum auf...

Für mich ist das zu wenig. Wenn man eine echte Weltmeisterschaft ist, sollte man im Grunde auf jedem einzelnen Kontinent präsent sein. Acht Veranstaltungen sind da nicht gut genug. Während der Pandemie mussten wir eine Lösung finden und haben hier (in Berlin) sechs Rennen an nur einem Ort gefahren. Auf drei verschiedenen Streckenkonfigurationen, was es vorher noch nie gegeben hat. Aber diese Zeit ist hoffentlich vorbei. Ich schaue in die Zukunft. Wir werden jedes Jahr mehr Städte ins Auge fassen.

Wie wird denn der Rennkalender langfristig aussehen?

Die Anzahl der Rennen wird langfristig bei etwa 18 Rennen liegen, das war bislang technisch bedingt nicht machbar. In diesem Jahr werden wir in zehn verschiedenen Städten Rennen veranstalten. Nächstes Jahr werden wir hoffentlich zwölf oder 13 Städte haben. Wir planen, davon zwei oder drei als 'Double-Header' zu machen. So wird es mehr oder weniger funktionieren.

Ist Marrakesch gesetzt?

Nein, das habe ich nicht gesagt. Der Kalender für 2023 wird bei der nächsten Sitzung des Motorsport-Weltrates Ende Juni bekannt gegeben. Und wir werden dann sehen, was mit Marrakesch passiert, oder was mit Vancouver passiert. Es gibt noch ein paar Fragezeichen. Aber nur sehr wenige, im Moment sieht es nach einem sehr starken Kalender aus. Aber Ende Juni kann ich mehr sagen, wenn er bekannt gegeben wird.

Ukraine-Krieg "hat keinen großen Einfluss auf die Formel E"

Gibt es also eine Stadt, die ganz oben auf Ihrer Wunschliste steht, wenn Sie eine beliebige Stadt wählen könnten?

Ich würde sagen, dass unser Kalender genau so ist, wie wir ihn haben wollen. Gibt es einige Städte, die in den Kalender aufgenommen werden sollten? Warum nicht? Aber ich würde keine aus der großen Pipeline-Liste auswählen, die wir heute haben.

Wie sehr macht der Krieg in der Ukraine der Formel E zu schaffen?

Er verursacht Budgetprobleme im Bereich der Logistik. Offensichtlich ist auf der ganzen Welt die Logistik durch den Krieg beeinträchtigt worden. Das ist ein Problem, mit dem sich die Welt heute auseinandersetzen muss. Aber darüber hinaus sind wir in dieser Region überhaupt nicht vertreten. Wir veranstalten keine Rennen in Russland. Wir haben keinen Sponsor aus Russland. Wir haben weder Fahrer aus Russland noch aus der Ukraine. Es hat also keinen großen Einfluss auf die Formel E.

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