Formel E

Analyse: 4 Schlüsse, die wir aus den Formel-E-Testfahrten 2023 in Valencia ziehen

Timo Pape

Timo Pape

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Die Formel-E-Vorsaisontestfahrten von Valencia liegen hinter uns. Durch das Batterie-Feuer am Dienstagmittag verlief die Testwoche nicht wie erwartet. Dennoch können wir einige Schlüsse aus den Sessions auf dem Circuit Ricardo Tormo ziehen. Einerseits in sportlicher Hinsicht, aber andererseits auch mit Blick auf die neue Schnelllade-Technologie und deren Einführung zum Saisonstart.

1. Gehören brennende Batterien ab sofort dazu?

Nein. Dass Elektroautos in seltenen Fällen unvermittelt in Flammen aufgehen können, ist hinlänglich bekannt und ein verbreitetes Horrorszenario bei Skeptiker:innen. Auch im Motorsport hat es bereits Brände im Rahmen von Elektrorennserien gegeben. In der MotoE brannte es gleich zweimal im Paddock, was zu größeren Umplanungen im Kalender führte. Dieses Jahr brach zudem in der Rallycross-WM WRX ein Feuer aus. Die Serie stieg für den Rest der Saison auf schwächere RX2e-Autos um.

Nun ist also auch die Formel E betroffen gewesen. Der Akku aus dem Fahrzeug von DS-Penske-Rookie Robert Shwartzman war nach einem technischen Zwischenfall ausgebaut und zur Garage von Batteriehersteller WAE gebracht worden. Dort fing er Feuer, was eine Evakuierung fast aller Personen an der Rennstrecke nach sich zog. Eine Person wurde zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht, aber nach kurzer Untersuchung ohne Verletzungen wieder entlassen. Nach einer längeren Testpause mussten sich die Formel-E-Teams flexibel auf einen neuen Zeitplan einschießen.

Batterien können brennen, das war schon vorher klar. In zehn Jahren war es jedoch das allererste Mal in der Formel E, dass ein Akku in einer öffentlichen Session Feuer fing. Wir können also eigentlich auch weiterhin davon ausgehen, dass die Autos so sicher wie möglich sind, und erwarten keine weiteren Brände in der nahen Zukunft. Die Batterien sind die gleichen wie in 2023. Konzentrieren wir uns auf das Positive: Es wurde niemand verletzt, und das Feuer hat voraussichtlich keine größeren Auswirkungen auf die Saison. Selbst ihre Testprogramme konnten die meisten Teams im geplanten Umfang abspulen. Ein Restrisiko eines Batterie-Brands wird natürlich trotzdem stets bleiben.

2. Nach einem Jahr noch nicht genügend Schnelllade-Geräte

Eine der größten Überraschungen der Testwoche war, dass Batterie-Hersteller WAE Technologies gerade einmal acht Fast-Charger nach Valencia mitbrachte. Von denen wurde auch noch einer beim Brand beschädigt. Somit mussten sich die elf Teams mit den Schnellladegeräten abwechseln. Dazu war nach Informationen von e-Formel.de eine Liste im Umlauf, die regelte, wann welches Team einen Charger testen konnte. Eine dringend notwendige Erfahrung, denn etwa das Mahindra-Kundenteam ABT Cupra hatte das neue Ladegerät bis dahin noch nicht einmal zu Gesicht bekommen.

Eigentlich sollten die Schnelllade-Boxenstopps in Valencia ausgiebig getestet werden, unter anderem während der geplanten Rennsimulationen. Damit hatten auch die Teams im Vorfeld von Valencia gerechnet. Stattdessen übten sie zwangsläufig ihre Boxenan- und Abfahrt, blieben die vorgeschriebene Mindestzeit von 33 Sekunden stehen, ohne tatsächlich aufzuladen. Die Schnelllade-Technologie hätte eigentlich bereits vor einem Jahr kommen sollen. Wie kann es also sein, dass im Oktober 2023 nicht einmal elf Ladegeräte für alle Teams zur Verfügung stehen?

Diese Frage haben wir auch WAE gestellt. Eine Antwort haben wir bislang jedoch leider nicht erhalten. Bekannt ist, dass es zuletzt schwierig war, die benötigten Bauteile für ein Ladegerät zu beschaffen, das vom Aufbau einer Formel-E-Batterie sehr ähnlich ist. Schon vor einem Jahr war dies der Grund, die Einführung des Attack-Charge zu verschieben. Gut möglich, dass Lieferschwierigkeiten noch immer ein Grund sind. Dennoch: Für einen Einheitshersteller einer FIA-Weltmeisterschaft sollte es möglich sein, binnen zwölf Monaten elf Batterien aufzubauen, wenn man sich überlegt, wie viele Akkus für verschiedenste Anwendungsfälle jeden Tag rund um den Globus vom Band rollen. Wir können an dieser Stelle allerdings nur spekulieren, solange sich WAE nicht äußert.

3. Attack-Charge zum Saisonstart unwahrscheinlich

Eine weitere Frage lautet: Haben wir zum Saisonstart in 75 Tagen genügend Fast-Charger zur Verfügung? Zumal auch noch eine DS-Batterie abgebrannt ist und dabei ein weiteres Ladegerät beschädigt hat. Auch unabhängig davon ist es aus unserer Sicht unrealistisch, den neuen Attack-Charge beim Saisonstart am 13. Januar in Mexiko zu erleben. Der Grund liegt auf der Hand: Die Teams konnten ihn bislang kein einziges Mal im normalen Betrieb testen.

Eine weitere Testmöglichkeit wird es bis zum Saisonstart wohl nicht geben, da sämtliches Equipment zeitnah verschifft werden soll. Aktuell befinden sich übrigens alle Einsatzbatterien bei WAE ein England zur Überprüfung. Dass sich eine FIA-Weltmeisterschaft bei ihrem Auftaktrennen, wo die ganze Welt zuschaut, auf das Risiko einlässt, eine völlig neue Technologie einzuführen, ist unwahrscheinlich. Eine Möglichkeit wäre, den Attack-Charge in einem Freien Training beim "Double-Header" in Diriyya Ende Januar auszuprobieren und ihn - wenn alles gut lief - in einem der beiden Rennen einzuführen.

4. Jaguar geht als Favorit in die Saison 2024

Sportlich betrachtet ist Valencia bekanntlich wenig repräsentativ für die kommende Formel-E-Saison. Zumal es in der vergangenen Woche kaum Qualifying-Runden mit Maximalleistung zu sehen gab. Trotzdem lässt sich festhalten, dass Hersteller-Champion Jaguar als Favorit in die neue Meisterschaft geht. Schon am Dienstag drehte Mitch Evans die schnellste Runde mit 350 kW. Und auch im Rennmodus lagen die beiden Werksfahrer am Ende auf den Plätzen 1 und 3. Dabei war Neuankömmling Nick Cassidy knapp eine Zehntelsekunde schneller als Teamkollege Evans.

Platz 4 ging außerdem an Robin Frijns im Kunden-Jaguar des Teamweltmeisters Envision. Mit der "Raubkatze" ist definitiv auch 2024 zu rechnen. Doch auch Porsche war mit seinem Werksteam sowie Kundenteam Andretti auf Augenhöhe. Zeitlich fehlten Norman Nato und Pascal Wehrlein nur etwas mehr als eine Zehntelsekunde auf die Spitze. Zudem sammelte der deutsche Hersteller mehr Testkilometer als die beiden Jaguar-Teams und fühlt sich "viel stärker als im Vorjahr".

Ein "Sorgenkind" von Valencia ist Mahindra. Das Team konnte nach dem Feuer nur noch ein Auto einsetzen und sammelte somit verhältnismäßig wenig Testdaten. Beide neuen Fahrer konnten sich somit nur schwer eingewöhnen. Zudem erlebte ERT (vormals Nio 333) eine frustrierende Woche. Sergio Sette Camara und Dan Ticktum wurden immer wieder von technischen Problemen gestoppt und drehten zusammen gerade einmal 374 Runden. Auch auf eine Runde betrachtet waren die ERT-Fahrer klar die Langsamsten. Woher die Probleme genau rührten, lässt sich von außen kaum beurteilen. Neben einem neuen Namen hat sich seit dem Saisonfinale in London eigentlich nichts im Team oder am Auto verändert.

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2 Kommentare

Dilectric ·

Ein kleiner Huster zum oben erwähnten Frachter.

"Mit E-Autos beladener Frachter" suggeriert, dass es keine Verbrenner an Bord gab; es waren aber deutlich mehr Verbrenner als E-Autos.

Und: der letzte Stand, der durch die Presse ging, war, dass die Decks, auf denen die E-Autos standen, gar nicht direkt vom Feuer betroffen waren.
Ein E-Auto kann nach diesem Stand als Brandursache also praktisch ausgeschlossen werden, auch wenn (meines Wissens) noch nichts zur Brandursache final festgestellt ist.

Ich gehe mal davon aus, dass der Bezug vom Frachter eher wegen der Hysterie der "Skeptiker" im Artikel ist, aber es ist formuliert, als wäre die Skepsis berechtigt (obwohl sie es definitiv nicht ist).

Timo ·

Hi Dilectric,
danke für den Hinweis, das hatte ich in dem Detail nicht präsent. Ich habe den Part gestrichen.
Beste Grüße
Timo

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