Formel E

Analyse: Jaguars Tauschhandel, Lotterers Zukunft & die Schlüssel zum Formel-E-Fahrermarkt der Saison 2024

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Sao-Paulo-Formula-E-Race-Start

Ein voraussichtlich frei werdendes Cockpit bei Andretti und die Teamkollegen-Unfälle bei Jaguar könnten auf dem Fahrermarkt der Formel-E-Saison 2024 zur treibenden Kraft werden. Noch sind viele Fragen unbeantwortet, etwa die vertragliche Zukunft der Formel-E-Veteranen Sam Bird, Andre Lotterer, Oliver Rowland und Max Günther. Eine Analyse der frühen Optionen für die zehnte Saison.

Noch ist die Formel-E-Saison 2023 nicht beendet, doch hinter den Kulissen des Fahrerlagers nimmt das "Stühlerücken" für das Rennsportjahr 2024 langsam, aber sicher Fahrt auf. Seit mehreren Wochen bieten sich Fahrer, deren Verträge vor der kommenden Saison auslaufen, bei potenziellen neuen Arbeitgebern an. Zugleich drängen von außen gleichermaßen motivierte wie talentierte Piloten in die Formel E und buhlen um die Gunst der Teamchefs.

Drugovich interessiert an Maserati - doch wer soll gehen?

Einer von ihnen könnte das Formel-2-Talent Felipe Drugovich sein. Der Brasilianer absolvierte seinen ersten Elektro-Einsatz im Rahmen des Rookie-Tests in Berlin und setzte dort für Maserati MSG die beste Rundenzeit des Tages. Teamchef James Rossiter dürfte diese Leistung imponiert haben. Und so berichtete auch The Race jüngst, dass "Drugo" zu den Stammplatz-Kandidaten beim monegassischen Team zählen soll.

Eine entscheidende Hürde: Edoardo Mortara - der in der bisherigen Saison schlechter performende Maserati-Fahrer - soll einen Vertrag bis Ende 2024 haben. Günthers Deal, der nach dem kurzfristigen Formel-1-Wechsel von Nyck de Vries ausgehandelt wurde, soll hingegen nur die Saison 2023 umfassen und eine Option für ein weitere Jahre integriert haben. Würde sich Rossiter von Rennsieger Günther trennen, um mit Drugovich einen kaum erfahrenen Neuling aufzunehmen? Momentan ist das unwahrscheinlich.

Löst Rossiter Mortaras Kontrakt vorzeitig auf? Finanziell und vertragsrechtlich wäre das riskant, im Motorsport aber auch nichts Ungewöhnliches. Mortara zählt aber eigentlich zu den talentiertesten Fahrern in der Formel E und hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen - nur eben in diesem noch nicht. So oder so könnte Drugovich 2024 eine größere Rolle im Team einnehmen, zum Beispiel auch als Test- oder Reservefahrer.

Lotterer-Zukunft unklar, mehrere Kandidaten für Nachfolge

Den Weg des Ersatzpiloten wählte in den vergangenen Jahren auch David Beckmann. Der Deutsche bringt sich in diesem Jahr bei Porsche ein, nachdem er zuvor eine Saison als Ersatzmann von Andretti verbrachte. Für den US-Rennstall sprang er 2023 auch beim Jakarta E-Prix ein und zeigte eine solide Leistung, wenngleich er mit Platz 16 und einem DNF-Resultat auch keine Begeisterungsstürme im Paddock auslöste. Nach Informationen von e-Formel.de plant Beckmann, auch 2024 in irgendeiner Form in der Formel E zu verbleiben. Doch die Chancen auf ein Andretti-Cockpit stehen für andere Fahrer aktuell besser.

Andre Lotterers Vertrag endet nach der Saison 2023. Angesichts seines verstärkten Fokus auf Porsches Langstreckenprogramm scheint es derzeit unrealistisch, dass der Deutsche im nächsten Jahr noch in der Formel E fahren wird. Auch seine bisherigen Rennergebnisse geben Teamboss Roger Griffiths wenige Argumente, Lotterer noch ein weiteres Jahr zu halten. Jake Dennis könnte also einen neuen Teamkollegen bekommen.

Beckmann wäre eine Option, aber ebenso zwei Fahrer aus Großbritannien. Zu ihnen zählt zuvorderst Oliver Rowland, der die Saison 2023 für Mahindra begann, das Team aber einvernehmlich vor dem E-Prix in Indonesien verließ. Zuvor geisterten Gerüchte durch das Paddock, dass Rowland höchst unzufrieden mit der Performance des Mahindra-Antriebs gewesen sei. Andretti wäre hingegen - Porsche-Power sei Dank - eine attraktive Alternative für Rowland. Jahrelange Formel-E-Erfahrung, Rennsiege und Pole-Positions wären gute Argumente für eine Verpflichtung des Briten.

Tauschen Jaguar & Envision die Fahrer?

Doch diese Argumente hat auch ein aktueller Formel-E-Fahrer auf seiner Seite: Sam Bird. Der 36-Jährige steht aktuell bei Jaguar unter Hochdruck, nachdem Unfälle, Pleiten, Pech und Pannen sowie Strafen ihm und seinem Team zahlreiche gute Ergebnisse verbauten. In der WM hat Bird 60 Punkte weniger als sein Teamkollege Mitch Evans auf dem Konto. Auch im Qualifying-Vergleich steht es 9:3 zugunsten des Neuseeländers. Die Zeichen stehen auf Abschied für Bird.

Gerüchteweise bahnt sich ein Wechsel von Nick Cassidy (derzeit: Envision) vom Kunden- zum Werksteam an. Bird könnte hingegen als Teil eines Tauschhandels bei Envision andocken. Die Rückkehr zu seinem ersten Team (damals unter dem Namen Virgin) wäre eine schöne Pointe. Oder aber Bird wird Lotterers Nachfolger bei Andretti. Noch hat der Routinier ein paar Eisen im Feuer.

Stabilität für Formel-E-Fahrerfeld 2024 erwartet

Bleiben noch die übrigen Teams: Nio-333-Testfahrer Daniil Kvyat hat Interesse, in der Formel E zu fahren, während Mahindra wohl zwischen Lucas di Grassi, Roberto Merhi und Jehan Daruvala abwägen wird. McLaren muss voraussichtlich eine Lösung aushandeln, wie sie mit BMW-Werksfahrer Rene Rast weitermachen können/dürfen. Unmöglich scheint ein Doppelprogramm aktuell aber nicht, zumal die Ergebnisse seiner Fahrer Ian James optimistisch stimmen dürften, dass Hughes und Rast auch für 2024 gute Optionen für die Papayaorangenen sind.

Noch gar keine Gerüchte gibt es aus den Lagern von DS Penske, Nissan, Porsche und ABT Cupra. Änderungen im Aufgebot wären theoretisch möglich, gleichermaßen aber auch ein Verbleib der aktuellen Fahrerduos. Das passt auch ins Bild des bisherigen Fahrerkarussells für die Saison 2024: So wirklich Tempo aufgenommen hat das Stühlerücken für das nächste Jahr noch nicht. Doch bis die ersten Entscheidungen gefällt werden, dürfte es erfahrungsgemäß nicht mehr lang dauern.

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