Analyse: So stark entscheidet das Losglück über die Super-Pole-Teilnahme
Tobias Wirtz
Seit dem ersten Rennen der Formel E in Peking 2014 gehen die Fahrer im Qualifying nacheinander in vier Gruppen auf die Strecke, um die Reihenfolge der Startaufstellung zu bestimmen. Nach einem Jahr entschied sich der Veranstalter, ab Saison 2015/16 die sogenannte Super-Pole einzuführen, bei der die schnellsten fünf Fahrer der Gruppenphase unter nahezu identischen Streckenbedingungen mit nur einer gezeiteten Runde die ersten fünf Startplätze ausfahren.
Um noch mehr Chancengleichheit herzustellen, werden die Gruppen seit dem Beginn der laufenden Saison immer anhand der jeweiligen Fahrerplatzierung in der Gesamtwertung zusammengestellt. Lediglich die Reihenfolge der Gruppen wird ausgelost.
Viele Fahrer sind jedoch der Meinung, dass bereits mit der Auslosung der Gruppenreihenfolge feststeht, ob man überhaupt eine Chance auf einen guten Startplatz hat. Je später ein Fahrer auf die Strecke gehen kann, desto besser stünden die Chancen, so die weit verbreitete Meinung. Aber stimmt das wirklich? e-Formel.de hat alle Formel-E-Qualifyings seit Einführung der Super-Pole analysiert, um mit diesem Klischee ein für alle Mal aufzuräumen.
Eines vorweg: Um wirklich aussagefähige Ergebnisse zu erhalten, mussten wir den ersten Lauf des Saisonfinales in London 2016 von unserer Auswertung ausnehmen. Damals begann es zu regnen, während die zweite Gruppe auf der Strecke war, sodass die Fahrer aus den Gruppen drei und vier chancenlos waren und auf ihren gezeiteten Runden mehr als zehn Sekunden auf die Bestzeit verloren. Das Qualifying von Hongkong im selben Jahr zählen wir mit, obwohl hier die Super-Pole wegen der zeitlichen Verzögerung durch den Unfall von Robin Frijns ausfiel - die Gruppenphase fand ja statt.
Dabei haben wir festgestellt, dass es bei den 25 Rennen noch nie alle fünf Fahrer aus derselben Gruppe in die Super-Pole geschafft haben. Vier Fahrer aus einer einzigen Gruppe gab es auch nur ein einziges Mal: In Buenos Aires 2017 qualifizierten sich Sebastien Buemi, Lucas di Grassi, Jean-Eric Vergne und Nelson Piquet jr. in Gruppe 2 für den Shoot-out um die Top 5. Und auch dies ist eher Zufall als eine klare Tendenz, immerhin handelte es sich um drei der vier besten Qualifyer der Formel E. Der mit Doppelmotor ausgestattete NextEV von Piquet galt damals zudem als stärkstes Fahrzeug im Qualifying.
Fahrer in Gruppe 1 sind benachteiligt
Ein Ergebnis ist jedoch eindeutig: Die Fahrer, die in die erste Qualifying-Gruppe gelost werden, haben deutlich geringere Chancen auf die Teilnahme am Shoot-out um die Pole-Position. Nur insgesamt 17 Mal gelang einem Fahrer aus der ersten Gruppe der Sprung in die Super-Pole. Dies entspricht 13,6 Prozent aller Super-Pole-Teilnehmer. Interessant wird der Blick auf die Fahrer, denen dies gelungen ist: Sam Bird und Sebastien Buemi schafften es jeweils viermal aus der ersten Gruppe in die Super-Pole und sind damit für fast die Hälfte der Teilnahmen eines Fahrers aus Gruppe 1 verantwortlich. Immerhin zweimal gelang der Sprung aus Gruppe 1 Nico Prost und Stephane Sarrazin.
Die genaue Ursache hierfür ist unklar. Teams und Fahrer vermuten, dass die Strecke in den 60 Minuten, die zwischen dem 2. Freien Training und dem Qualifying vergehen, schmutzig wird und anschließend erst wieder saubergefahren werden muss. Sollte dem so sein, so wäre zu erwarten, dass die Strecke mit jeder Qualifying-Gruppe sauberer und damit schneller wird. Dies wird durch unsere Analyse jedoch nicht bestätigt.
Keine Vorteile für Gruppe 4
Überraschenderweise stammen nur 30 der insgesamt 125 Super-Pole-Teilnehmer aus der letzten Qualifying-Gruppe. Dies ist mit 24 Prozent der schlechteste Wert nach Gruppe 1 und liegt sogar noch knapp unter dem rechnerischen Mittelwert. Sam Bird und Nick Heidfeld sind die beiden Fahrer, die mit sechs beziehungsweise vier Super-Pole-Teilnahmen die stärkste Performance in Gruppe 4 zeigten.
Deutlich stärker sind die beiden mittleren Gruppen. Aus der dritten Gruppe stammen mit 36 Piloten insgesamt 28,8 Prozent der Super-Pole-Teilnehmer, aus der zweiten Gruppe mit 42 Fahrern sogar ganze 33,6 Prozent. Nur in Monaco 2017 und dem ersten Berlin-Rennen 2017 schaffte es keiner der fünf Fahrer aus Gruppe 2 in die Super-Pole. Ansonsten stellte diese Gruppe immer mindestens einen der Teilnehmer.
Besonders erwähnenswert ist hier Jerome D'Ambrosio. Der Dragon-Pilot schaffte es bislang insgesamt dreimal in die Super-Pole - jedes Mal war er zuvor in die zweite Gruppe gelost worden.
Die Wahrscheinlichkeiten auf eine Super-Pole-Teilnahme verteilen sich wie folgt auf die Gruppen:
Gruppe 1: 13,6 Prozent
Gruppe 2: 33,6 Prozent
Gruppe 3: 28,8 Prozent
Gruppe 4: 24,0 Prozent
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