Formel E

Andretti-Ersatzfahrer David Beckmann im Interview: "Riesiges Interesse, in der Formel E zu fahren"

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

David-Beckmann-Jake-Dennis-Rome-Trackwalk

Seit Beginn der Saison 2022 unterstützt der Deutsche David Beckmann das Team Avalanche Andretti in der Formel E als Ersatzfahrer. Im ausführlichen Interview mit 'e-Formel.de' spricht der 22-Jährige über Budget-Probleme im deutschen Nachwuchs-Motorsport, seine Zukunftspläne, Andrettis neuen Gen3-Simulator und seine große Ambitionen in der Elektroserie.

Deutscher Junior-Kartmeister 2014, Siege in der Formel 4 und Formel 3, zwei Podestplatzierungen in der FIA Formel 2 - in den vergangenen Jahren stieg David Beckmann zu einer der größten deutschen Nachwuchshoffnungen im Motorsport auf. Während der Formel-2-Saison 2021 zog sich der Nordrhein-Westfale dann jedoch überraschend aus der Juniorenkategorie zurück - das Geld für den Rennsport wurde knapp.

"Ich hatte einfach nicht mehr das Budget, um in der Formel 2 weiterzufahren", sagt uns Beckmann. "Und das, obwohl mich die Teams haben wollten. Eigentlich wollte ich in diesem Jahr ein Parallelprogramm im GT-Sport aufnehmen, aber selbst in der DTM sind die Budgets nicht mehr das, was sie mal waren. Das macht es für Nachwuchstalente in Deutschland schwer, die richtigen Schritte zu nehmen. Man muss schon bei einem Werk unterkommen - oder eben bei einem Team wie Andretti, um dann irgendwann in Amerika mit der IndyCar Möglichkeiten zu bekommen."

Beckmann dockte im vergangenen Spätsommer beim US-Rennstall an, nachdem er erfolgreiche Verhandlungen mit dem damaligen BMW-Formel-E-Werksteam abgeschlossen hatte. Eine Einigung zwischen Beckmann und Andretti bahnte sich nach Informationen von 'e-Formel.de' schon im Rahmen des Berlin E-Prix 2021 an. Als offizieller Reservefahrer wurde er aber erst vor dem Mexiko-Lauf 2022 vorgestellt.

"Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", kommentiert der gebürtige Iserlohner. Beckmann geht es dennoch um mehr als eine Einbindung in Andrettis Formel-E-Programm: "Ich kann hier einen Fuß in die Tür der Formel E stellen. Es gibt ja nicht nur Andretti, sondern auch viele andere deutsche Hersteller, mit denen man sich für die Zukunft vernetzen kann. Das ist eine Riesenchance, und es ist toll, mich in diesem Jahr etwas einarbeiten zu können."

Andretti baut neuen Formel-E-Simulator

Derzeit unterstützt der 22-Jährige das Team unter anderem bei der Rennvorbereitung im Simulator des Motorenpartners BMW in München. Parallel installiert Andretti in der eigenen Formel-E-Basis in Banbury (Großbritannien) aber auch einen eigenen Simulator, der für die Gen3-Einsätze genutzt werden soll. Noch vor dem Ende der Saison 2022 dürfte die nötige Infrastruktur stehen, sodass Beckmann frühzeitig mit Andrettis Gen3-Vorbereitungen beginnen kann.

"Den werden wir auf Vordermann bringen. Nächstes Jahr haben wir dann Porsche (als Antriebspartner), wo ich mich auf ein anderes - das kann man schon so sagen - Betriebssystem mit neuen Funktionen am Lenkrad und so weiter einstellen muss. Da ändert sich vieles."

"Beim Gen2 mache ich also ein bisschen Simulatorarbeit, aber der Hauptfokus liegt darauf, dass ich mich ins Gen3-Projekt einbinde. Das ist für mich auch ganz gut, denn so bin ich einer der Ersten, der viel mit dem Gen3-Auto im Simulator gefahren ist. Wenn ich dann auch bei einem Rookie-Test überzeuge, wäre das bestimmt gut für mich", findet Beckmann.

Ursprünglich plante die Formel E im Rahmen des Berlin E-Prix 2022 einen Test für Nachwuchsfahrer:innen. Aufgrund der Absage beziehungsweise Verlegung mehrerer anderer Rennen, darunter in Südafrika, China und Kanada, erweiterte die Elektroserie den Hauptstadtlauf im Dezember jedoch zu einem "Double-Header". Der zweite Eventtag wurde somit als Renn- und nicht als Testtag genutzt.

Ob der Rookie-Test in der laufenden Saison noch nachgeholt wird, ist aktuell unbekannt, aber eher unwahrscheinlich. Beckmann könnte möglicherweise im Anschluss an den Marrakesch E-Prix am 2. Juli eine Gelegenheit bekommen - offizielle Informationen zu einem Testtag für Nachwuchsfahrer:innen gibt es aber nicht. Schon zwischen 2018 und 2020 fand die Session für Formel-E-unerfahrene Pilot:innen in Marokko statt. Über Rookie-Tests fanden unter anderem Maximilian Günther, Nyck de Vries und Nick Cassidy ihren Weg in die Elektroserie.

Beckmann: Rookie-Test "wäre sehr wichtig"

"Das wäre in meinen Augen sehr wichtig", bewertet Beckmann den möglichen Nachholtermin. "Jede Serie hat einen Rookie-Test, und ich denke, dass es besonders in der Formel E wichtig wäre, weil der Fahrstil der Autos ganz anders ist. Die Energierückgewinnung kann man schlecht simulieren, denn der Simulator ist ganz anders als das echte Leben. Aber auch für die Teams ist es wichtig, Fahrer kennenzulernen, die für das nächste Jahr womöglich in Betracht kommen. Das würde Jüngeren die Chance geben, sich zu beweisen und zu zeigen, dass man gut ausgebildet wurde."

Doch egal ob mit oder ohne Testgelegenheit: Mittelfristig strebt Beckmann auch einen Formel-E-Einstieg mit einem Vollzeit-Cockpit an. Zuletzt unterstützte er die Stammfahrer Jake Dennis und Oliver Askew als Ersatzpilot an der Strecke - immer bereit, im "Fall der Fälle" kurzfristig das Lenkrad zu übernehmen.

Doch nicht nur aus sportlicher Sicht sei die Serie "sehr reizvoll" für ihn: "Der Straßenverkehr wird elektrisch, das kann man gar nicht verhindern. So viele 'grüne Kraftstoffe' kann man gar nicht herstellen, um Milliarden Autos zu versorgen. Deswegen ist (die Formel E) die Zukunft, und es wäre mega, wenn ich den Schritt als fester Fahrer schaffe. Ich habe riesiges Interesse daran."

Andretti als Formel-E-Sprungbrett? "Werksteam wäre umso schöner"

Andretti könnte dabei auch ein Sprungbrett für andere Rennställe sein. "Bei einem Werksteam zu landen, wäre umso schöner", gibt Beckmann zu. "Es ist großartig, dass wir nächstes Jahr Porsche haben, deren Ziel es ist, die Meisterschaft zu gewinnen. Die werden in den nächsten Jahren viel Gas geben, um das zu erreichen. Für mich ist das super, denn so kann auch ich eine Verbindung aufbauen und neue Leute kennenlernen. Mit einem bisschen Glück könnte man so an Chancen kommen."

Welches Programm 2023 auf Beckmann wartet, ist aktuell noch ungewiss. Aus seinen Ambitionen macht er trotzdem kein Geheimnis. "Wenn ich mich im Simulator gut anstelle, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ich mich in eine gute Position versetze. Deswegen versuche ich immer, sehr hilfsbereit dabei zu sein und dem Team weiterzuhelfen."

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