Audi-Pilot Daniel Abt im Exklusiv-Interview: "Performance-Unterschiede in Formel E noch mal kleiner geworden"
Timo Pape
Am Dienstag stieg der deutsche Audi-Fahrer Daniel Abt in den Flieger nach Saudi-Arabien, wo am Freitag (22. November) die sechste Formel-E-Saison beginnt. Kurz vor seiner Abreise hatte e-Formel.de noch die Gelegenheit für ein Interview mit dem 26-jährigen Kemptener.
Abt spricht exklusiv über das Potenzial des neuen Audi e-tron FE06, Leistungsdichte in der Formel E und eine für ihn unschöne Situation vor einigen Monaten...
Daniel, Saison 5 ging im Juli am "Big Apple" zu Ende, nun steht bereits Saison 6 vor der Tür. Was hast du in der Saisonpause so angestellt?
Nach New York habe ich mir im August mal drei Wochen freigenommen und erst mal Urlaub gemacht. Ich war mit Freunden auf Mallorca und Ibiza unterwegs und habe einfach mal abgeschaltet. Aber wenig später waren wir ja schon wieder mitten in der Saisonvorbereitung. Training, Testfahrten, Simulatorarbeit - mir ist in den letzten Wochen und Monaten nicht langweilig geworden.
Wie fühlt sich dein neues Auto im Vergleich zum alten an?
Ein direkter Vergleich fällt schwer, weil man das alte Auto ja auf Stadtkursen gewohnt war und jetzt mit dem neuen nur auf normalen Rundstrecken getestet hat. In der Vorbereitung hat soweit alles gut funktioniert, und wir konnten einen Schritt nach vorn machen bei Themen, die uns in Saison 5 schwergefallen sind.
Du sprichst von den privaten Hersteller-Testfahrten. Wie war es beim Kollektivtest in Valencia?
In Valencia hat sich das Auto dann tatsächlich noch mal ganz anders angefühlt - die Strecke ist schon ein Extrem. Weder repräsentativ für Stadtkurse noch für Strecken, auf denen wir sonst testen. Ich hatte das Gefühl, ich fahre ein ganz anderes Auto. Das hat sich schon komisch für uns angefühlt, aber da darf man sich nicht verrückt machen. Wir wissen aus Erfahrung, dass man nicht plötzlich alles infrage stellen darf.
Warum ist Valencia so anders?
Die Kurven sind alle viel zu schnell. Zudem haben wir ein paar hundert Meter Auslaufzonen, die keiner respektiert. Da fährt man manchmal Linien, die völlig schwachsinnig sind. All das sorgt dafür, dass man viel schneller (als auf Stadtkursen) ist und die Reifen anders beansprucht.
Was hat sich sonst seit der vergangenen Saison verändert?
Für mich war der größte Unterschied zum Vorjahr die teaminterne Zusammenarbeit und die Stimmung. Letztes Jahr wurde ich in Valencia mit einem komplett neuen Team (Renn- und Dateningenieur) zusammengewürfelt, und wir mussten die Zeit erst mal nutzen, um uns aufeinander einzuspielen. Diese Zeit hat man in Valencia eigentlich nicht. Nach Saison 5 ist das Team zusammen geblieben, und man merkt, dass die Basis eine ganz andere ist.
Deine schnellste Runde in Valencia reichte nur für Rang 16 im Wochen-Ranking, dein Teamkollege Lucas war noch langsamer. Standen für euch andere Aspekte im Vordergrund?
Natürlich geht man schon auch auf Pace, aber in einem Rahmen, der Sinn macht. Uns ist es egal, ob wir Erster oder Letzter sind. Das spielt keine Rolle. Wir versuchen herauszufinden, was uns schneller und langsamer macht.
Wie schnell schätzt du euch denn dann im Vergleich zur Konkurrenz ein?
Mit Vergleichen ist es ganz schwer. Allein schon weil man nie weiß, mit wie viel Reifendruck jeder unterwegs ist. Hält sich jeder an die Vorgaben, oder fährt einer mit weniger Reifendruck raus, um schneller zu sein? Es wird jedenfalls nicht kontrolliert. Es gibt einige Faktoren, die man nicht einschätzen kann. Ich würde behaupten, dass fast alle auf einem sehr ähnlichen Niveau sind. Die Unterschiede in der Performance sind noch mal kleiner geworden. Außer vielleicht Nio werden wohl alle in der Lage sein, ganz vorne mitzufahren. Die kleinsten Details werden zählen.
Im Sommer war lange Zeit nicht klar, ob du noch eine sechste Saison für Audi fahren wirst. Du hast sogar an ein Karriereende gedacht. Letztlich hat sich Audi für dich entschieden. Wie hat sich diese Phase angefühlt?
Sie war auf jeden Fall lehrreich. Das ist natürlich nicht die schönste Situation für einen Rennfahrer, weil du neben deiner Performance auf der Strecke eben auch noch so ein anderes Thema im Kopf hast. Aber das gehört zum Sport dazu. Am Ende war ich natürlich froh, dass die Entscheidung so gefallen ist, und hoffe, dass ich so eine Situation in der kommenden Saison vielleicht vermeiden kann.
Mit Blick auf deinen Audi-Kollegen Nico Müller, der in diesem Jahr bei Dragon sein Formel-E-Potenzial zeigen kann: Verspürst du vor der neuen Saison mehr Druck denn je?
Ehrlich gesagt fühlt es sich jetzt wieder nach weniger Druck an, sodass ich mich auch wieder mehr aufs Rennfahren konzentrieren kann. Mitte letzter Saison war der Druck auf jeden Fall größer als jetzt. Performen muss man immer, und dass jeder jetzt in die Formel E will, ist auch klar. Jeder versucht, am Stuhl des anderen zu sägen - auch das ist normal. Ich konzentriere mich jetzt auf meine Arbeit und versuche, sie gut zu machen. Ob ein Nico Müller sich da Hoffnungen macht, ist mir in diesem Moment erst mal egal.
Warum wird es in diesem Jahr besser laufen als in Saison 5, die du als Gesamtsiebter beendet hast?
Letztes Jahr waren wir ehrlicherweise zum Saisonstart nicht aussortiert. Ich war mit meinen Ingenieuren einfach nicht auf dem Level, wo man sein muss. Das war nicht ideal. Ich glaube aber, dass wir dieses Jahr eine viel bessere Basis haben.
Wo steht ihr beim Saisonstart in Riad?
Auf jeden Fall auf dem Grid (lacht). Ich gehe davon aus, dass wir konkurrenzfähig sind und dass man uns im vorderen Drittel finden wird. Ich denke, wir werden (vom Potenzial her) mindestens da sein, wo wir letztes Jahr aufgehört haben. Ob das etwas weiter vorn oder hinten sein wird, hängt auch von der Tagesform ab. Es ist unmöglich, das zu diesem Zeitpunkt genauer vorherzusagen.
Foto: Shivraj Gohil / Spacesuit Media
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