Formel E

Audi-Sportchef Dieter Gass: "In Chile werden die Karten neu gemischt"

Timo Pape

Timo Pape

Die Formel E gastiert diesen Samstag in Südamerika und trägt um 20 Uhr deutscher Zeit ihren dritten Saisonlauf aus. Audi nutzte die zweiwöchige Pause für intensive Vorbereitungen auf den Chile-Trip. Schließlich wollen die Ingolstädter nach den Plätzen 8 und 9 (Diriyya) und den Plätzen 7 und 10 (Marrakesch) diesmal ganz oben auf dem Siegertreppchen stehen. Vor der langen Reise nach Santiago de Chile machten Audi-Pilot Daniel Abt und Motorsportchef Dieter Gass einen Abstecher zum "GP Ice Race" nach Zell am See, der beiden sichtlich Spaß bereitete. Abt fuhr mit dem Audi e-tron FE04 einen Showrun und begeisterte das Publikum in Österreich. e-Formel.de nutzte die Gelegenheit und bat beide um ein Interview.

Gass zeigte sich dank der intensiven Vorbereitung sehr zuversichtlich mit Blick auf die bevorstehenden Aufgaben. "Wir haben uns ganz extrem auf den Santiago E-Prix vorbereitet. Es gab ein Review von den ersten beiden Rennen, um herauszufinden, wo noch Verbesserungspotenzial besteht", sagte der 55-jährige Audi-Sportchef. "Wir haben versucht, uns in allen Bereichen weiter zu verbessern. Das Rennen in Chile wird ein ganz anderes Rennen als die bisherigen beiden. Aufgrund der hohen Temperaturen erwarten uns ganz andere Anforderungen. Daher werden die Karten neu gemischt", so Gass.

Audi-Pilot Daniel Abt, der beim Eis-Revival in Zell am See gut gelaunt für zahlreiche Fans Autogramme schrieb und Selfies mit ihnen machte, sagte uns vor dem Chile-Gastspiel: "Ja, wir haben auf jeden Fall ein paar Sachen festgestellt, die bisher nicht so ideal liefen. Mehr möchte ich nicht dazu sagen. Man hat ja gesehen, dass unsere Rennpace insgesamt nicht gut war. Wir wissen, dass wir nicht ganz vorne mitspielen und versuchen, das schrittweise zu verändern. Chile wird nochmals ein bisschen anders, weil die heißen Temperaturen ins Spiel kommen. Und es kommt eine neue Strecke hinzu, die sehr extrem ist."

Es wird das erste große Hitzerennen in dieser Saison - vielleicht sogar das wärmste in der Geschichte. Mehr als 36 Grad sagen die Meteorologen voraus - die erste große Bewährungsprobe für die neuen Akkus. "Die Batterien werden durchhalten", ist sich Gass dennoch sicher. "Man muss ein entsprechendes Temperaturmanagement machen. Es wird allerdings weniger Rekuperation geben, als es bisher der Fall war."

Audi habe bei der Vorbereitung einige Schwachstellen gefunden, doch genauere Details wollte Gass uns nicht verraten. "Wir haben schon das Eine oder Andere entdeckt, was wir uns auch auf alle Fälle angesehen haben. Ob es funktioniert, bleibt abzuwarten."

Antrieb ist nicht die Schwachstelle

Der Antriebsstrang von Audi läuft im Grunde sehr gut, wie das Audi-Kundenteam Envision Virgin Racing mit den Plätzen 2 (Robin Frijns) und 3 (Sam Bird) zuletzt in Marrakesch unterstrich. Die Pace des e-tron FE05 zählt zu den Schnellsten im gesamten Feld der Formel E. Diese Erkenntnis stimmt Gass positiv: "Es ist erst mal wichtig zu sehen, dass das Konzept stimmt und der Antriebsstrang konkurrenzfähig ist. Das erleichtert die Vorbereitung und die Arbeit. Wir können daher ein paar Bereiche ausschließen, die man für Verbesserungen beobachten muss", sagte der Audi-Motorsportchef.

"Wir haben bei den offiziellen Testläufen schon gesehen, dass wir mit dem Motor eine gute Basis besitzen. Virgin fuhr in Riad die Bestzeit, Nico Müller drehte zuletzt in Marrakesch vormittags und nachmittags zweimal die schnellsten Runden. Das stimmt uns schon einigermaßen optimistisch", so Gass.

Die Rennergebnisse der ersten beiden E-Prix lassen jedoch noch viel Luft nach oben. "Generell ist in dieser Saison bei uns noch nicht alles zu 100 Prozent zusammengelaufen, und das lag nicht nur an den Fahrern", sagt Gass. In der Gesamtwertung nehmen Lucas di Grassi Platz 10 und Daniel Abt Platz 12 ein. Dennoch kein Grund für den Audi-Sportchef unruhig zu werden. "Wir kennen sie ja nicht erst seit dieser Saison. Wir wissen, was die beiden können, deswegen fahren sie auch bei Audi."

Gass zählt neben Virgin besonders DS Techeetah und BMW zum engsten Favoritenkreis in Sachen Meisterschaft. "Techeetah ist mit Sicherheit sehr stark. BMW natürlich auch, und Mahindra darf man nicht unterschätzen", beobachtet Gass die Konkurrenz. Dass der zweite deutsche Hersteller BMW momentan die Nase vor den Ingolstädtern hat, stört Gass überhaupt nicht. "Unser Ziel ist es, vorne zu sein. Das ist unabhängig, welcher Wettbewerber was macht. Und daran werden wir arbeiten."

Abt freut sich sogar für Auftaktsieger Antonio Felix da Costa (BMW), mit dem der Kemptener ein gutes Verhältnis pflegt. "Ich muss ganz ehrlich sagen, ich gönne das BMW. Die haben einen guten Job gemacht. Felix da Costa hat lange Zeit keinen Erfolg gehabt, und daher ist es ihm vergönnt, die Früchte zu ernten. Natürlich war das letzte Rennen in Marrakesch für BMW sehr hart. Am Ende des Tages will jeder Fahrer gewinnen. Mal gewinnen die einen, mal die anderen. Das ist wichtig im Sport, denn wenn immer die gleichen Piloten gewinnen, ist das nicht gut. Wir setzen alles daran, dass wir wieder konkurrenzfähiger werden."

Die folgenschwere Teamkollision von Felix da Costa und Alexander Sims in Marrakesch, die einen möglichen Doppelsieg von BMW verhinderte, könnte Abt und Teamkollege di Grassi genauso passieren. "In New York waren wir nicht weit weg davon. Das geht ganz schnell. Wir bewegen uns alle am Limit, es ist Racing. Manchmal sind Millisekunden entscheidend über Sieg und Niederlage. So etwas passiert halt einfach." Der Deutsche gewinnt der Kollision noch etwas Gutes ab: "Ich muss ganz ehrlich sagen, für den Sport war es sehr gut, dass es passiert ist. Nicht, dass sich die Fahrer in die Karre fahren, sondern dass sie racen und das offener Sport stattfindet. Genau das wollen die Fans sehen. Ich hoffe, dass die Fahrer jetzt nicht allzu sehr an die Ketten genommen werden", so Abt.

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