Formel E

Autorennen im Stromsparmodus: Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Valencia E-Prix

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Der Valencia E-Prix 2021 wird Fans der Elektrorennserie noch lange im Gedächtnis bleiben. Dabei bestand das dritte Rennwochenende der aktuellen Saison nicht nur aus dem Energie-Chaos, das nach dem Ende des Samstagsrennens die Schlagzeilen füllte, sondern auch aus einem strategisch überaus komplexen Lauf am Sonntag.

Mit Nyck de Vries (Mercedes) und Jake Dennis (BMW) gewannen am Wochenende zwei Fahrer, die für deutsche Hersteller an den Start gehen. De Vries' Sieg unter kuriosen Umständen am Samstag katapultierte den Niederländer zurück an die Spitze der Fahrerwertung. Der vor dem Wochenende punktlose Jake Dennis rückte sonntags auf Gesamtplatz 8 vor. Doch selbst diese beiden Fahrer hatten auch einen weniger starken Tag.

Wie die Redaktion von e-Formel.de die Einzelleistungen aller Piloten bewertet, liest du nach jedem Rennwochenende in unserer "Fahrer-Rating"-Serie. Für Valencia haben wir dabei abermals Unterstützung von einer externen Medienkollegin erhalten. Dieses Mal war es Aurora Dell'Agli von 'F1ingenerale'. Grazie!

Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Valencia E-Prix 2021

Alex Lynn | 8.6 Punkte

Rennergebnis: DSQ / Platz 3
Fahrerwertung:
Platz 15

In Alex Lynns "On-off-Beziehung" zur Formel E startete der Brite bislang in über 30 E-Prix für drei verschiedene Teams. Vor diesem Hintergrund ist es beinahe verwunderlich, dass er vor dem Valencia E-Prix noch kein einziges Podium in der Elektroserie erzielen konnte. Mit einer Bestzeit in der Qualifying-Gruppenphase zeigte er schon am Samstag, dass in Spanien mit ihm zu rechnen sein würde. Im Rennen wurde er allerdings disqualifiziert, da er vor dem Zieleinlauf zu viel Energie verbraucht hatte.

Sonntags schaffte er es schließlich zum ersten Mal in seiner Elektro-Laufbahn aufs Treppchen. Ein Wermutstropfen bleibt rückblickend trotzdem: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Lynn ohne den Kontakt mit Norman Nato (Venturi) sogar eine Chance auf den Sieg gehabt hätte.

FAZIT: Das erste Formel-E-Podium von Alex Lynn war lange überfällig. Kann er diese Form auch in den anderen Saisonrennen abrufen, ist 2021 auch noch der erste Sieg möglich.

Jake Dennis | 7.8 Punkte

Rennergebnis: Platz 8 / Platz 1
Fahrerwertung:
Platz 8

Ein Blick auf Jake Dennis' Valencia-Wochenende unterstreicht eindrucksvoll, wie schnell sich die Verhältnisse in der Formel E ändern können. Vor dem E-Prix in Spanien konnte der Brite aus verschiedenen Gründen keinen einzigen Meisterschaftspunkt sammeln - nun ist er der sechstjüngste Rennsieger der Formel E.

Zwar zählte auch er samstags zu den Fahrern, die sich mangels Energie nur in langsamer Fahrt ins Ziel retten konnten - seine letzte Rundenzeit betrug 4:45.726 Minuten. Im Sonntagslauf, dem "Rennen, das niemand anführen wollte", diktierte er jedoch nach Belieben das Tempo, baute in den richtigen Momenten seinen Vorsprung aus und verteidigte seinen ersten Startplatz bis ins Ziel.

FAZIT: Im Motorsport ist es eine Seltenheit, von einem durchweg "perfekten Rennen" sprechen zu können. Auf Jake Dennis' Leistung am Valencia-Sonntag trifft dieses Prädikat allerdings zu.

Nyck de Vries | 7.6 Punkte

Rennergebnis: Platz 1 / Platz 16
Fahrerwertung: Platz 1

Nyck de Vries wird das Samstagsrennen von Valencia gewiss noch einige Zeit in guter Erinnerung halten. Durch eine Strafversetzung für das Verursachen eines Unfalls in Rom startete er zwar nur von Platz 7, arbeitete sich bei regnerischen Bedingungen jedoch Schritt für Schritt an Antonio Felix da Costa (DS Techeetah) heran.

Eine konservative Energiestrategie und ausgezeichnete Kommunikation mit seinem Ingenieur Albert Lau sorgten nach dem Chaos der finalen Safety-Car-Phase dafür, dass der Mercedes-Pilot die schwarz-weiß-karierte Zielfahne als Erster sah. Was für eine tolle Einzelleistung!

Sonntags machte de Vries die Streckenentwicklung im Qualifying schwer zu schaffen. Seinen 19. Startplatz konnte er im 45-minütigen Rennen nicht maßgeblich verbessern. Er beendete den E-Prix nach seiner vielleicht schlechtesten Einzelleistung des Jahres sang- und klanglos auf Rang 16.

FAZIT: Mit de Vries' fahrerischer Leistung am Samstag gewinnt man Meisterschaften, mit der Leistung am Sonntag verliert man sie. Dennoch dürfte der Niederländer zufrieden auf seinen Valencia E-Prix zurückblicken.

Stoffel Vandoorne | 7.0 Punkte

Rennergebnis: Platz 3 / DNF
Fahrerwertung: Platz 2

Der Belgier erlebte in Valencia eine regelrechte Achterbahnfahrt der Emotionen: Erst fährt er auf die Pole-Position, dann wird er wegen eines Tippfehlers im Technischen Fahrzeugpass auf Platz 24 versetzt. Und als wäre das nicht genug, kann er im possenhaften Ende des Samstagsrennens elf Fahrzeuge in einer Runde überholen und sich schließlich auf Platz 3 feiern lassen. Chapeau!

Sonntags fuhr Vandoorne außerhalb der Punkteränge, als er in der engen Kurve 10 mit Sebastien Buemi (Nissan) kollidierte. Rückblickend wird wohl auch der Mercedes-Fahrer feststellen, dass er sein Fahrzeug bei diesem Überholversuch in eine Lücke manövrierte, die sich in jedem Fall geschlossen hätte. Für Buemi und Vandoorne zusammen gab es schlicht nicht genug Platz. Der Mercedes-Fahrer fiel mit einem beschädigten Fahrzeug zehn Runden vor Schluss aus - das einzige "DNF"-Ergebnis am Sonntag.

FAZIT: Vandoorne ist im Mercedes brandgefährlich, muss aber im Meisterschaftskampf Fehler wie am Valencia-Sonntag minimieren.

Oliver Rowland | 6.8 Punkte

Rennergebnis: DSQ / Platz 4
Fahrerwertung: Platz 12

Der Nissan-Fahrer Oliver Rowland blieb über weite Strecken des Valencia E-Prix unter dem Radar. Dennoch zeigte er in Spanien solide fahrerische Einzelleistungen und konnte sich dank guter Qualifying-Resultate zu jedem Zeitpunkt der Rennen in den Top 10 halten. Abzüge gibt es im Fahrer-Rating lediglich für den Rechenfehler am Ende des Samstagsrennens, für den jedoch vor allem sein Team zur Verantwortung gezogen werden muss.

FAZIT: Ein gutes, wenn auch unauffälliges Wochenende vom 28-Jährigen.

Rene Rast | 6.8 Punkte

Rennergebnis: Platz 5 / Platz 6
Fahrerwertung: Platz 6

Rene Rast war beim Valencia E-Prix einer von lediglich vier Fahrern, die in beiden Rennen in die Top 10 fahren konnten - und das, obwohl er nach einem Ritt durchs Kiesbett am Samstag zwischenzeitlich auf Platz 22 lag!

Nach Problemen mit der Fahrzeugbalance im Qualifying startete er den Sonntagslauf von Rang 14, arbeitete sich in den ersten zwei Dritteln des E-Prix jedoch auf einen sensationellen dritten Rang vor. Diese Sturm- und Drangphase kostete allerdings viel Energie, die Rast am Ende wieder einsparen musste. In der Schlussphase verfing sich zudem ein Werbebanner, das Stoffel Vandoorne zuvor von einer Mauer gelöst hatte, an Rasts Fahrzeug. Die Geschwindigkeit des "dekorierten" Audi-Boliden brach anschließend ein, und Rast fiel auf Platz 6 zurück.

FAZIT: Rene Rast fuhr in Valencia zwei ausgezeichnete Rennen. Gerne mehr davon!

Norman Nato | 6.4 Punkte

Rennergebnis: DNF / Platz 5
Fahrerwertung: Platz 23

Obwohl er am Valencia-Sonntag sein bestes Rennergebnis des Jahres feierte, kommt Norman Natos Formel-E-Saison 2021 einfach nicht in Fahrt. Zwar konnte er im gesamten Lauf das Tempo der Führenden halten und den Zielstrich auf Platz 2 überqueren. Der Franzose verlor durch das Verursachen eines Unfalls mit Alex Lynn und einer damit verbundenen Zeitstrafe jedoch nachträglich drei Positionen. Tags zuvor rollte er, genau wie schon in Rom, vorzeitig ohne Energie aus - übrigens als einziger Fahrer schon zwei Runden vor dem Ende des Rennens.

FAZIT: Venturi will seit zwei Saisons "die operativen Abläufe verbessern". Dass Nato in drei Rennen zweimal die Energie ausgeht und er durch eine Strafe ein Podium verliert, spricht derzeit eher für das Gegenteil.

Nick Cassidy | 6.2 Punkte

Rennergebnis: Platz 4 / Platz 13
Fahrerwertung: Platz 17

Am Samstag war Nick Cassidy auf Kurs für einen Einzug in die Super-Pole, allerdings kostete ihn ein Fahrfehler auf seiner Qualifying-Runde viel Zeit. Von Startplatz 10 hielt er im Verlauf des Rennens mit, schonte seinen Akku und profitierte schließlich von den zahlreichen Ausfällen seiner Rivalen. Auch sonntags leistete er sich einen groben Fehler im Qualifying, zudem bestrafte ihn die Rennleitung für das Verlassen der Strecke. Cassidys Reise endete von Startplatz 23 auf einem passablen 13. Rang.

FAZIT: Cassidy zeigte in Valencia abermals, dass er zu den schnellsten Fahrer der Formel E gehören kann und dass viel Pace im Virgin steckt. Mit Fahrfehlern im Qualifying brachte sich der Neuseeländer jedoch erneut selbst um bessere Resultate.

Oliver Turvey | 6.2 Punkte

Rennergebnis: DNF / Platz 8
Fahrerwertung:
Platz 18

Immer wieder überrascht Nio in dieser Formel-E-Saison die Expert:innen mit guten Leistungen im Qualifying oder im Rennen. Nach dem peinlichen Doppelausfall am Samstag sicherte sich das britisch-chinesische Team für den Sonntagslauf die Startplätze 3 und 4 - natürlich auch dank der guten Streckenbedingungen in Gruppe 4. Im Renntrimm waren Turvey und Blomqvist chancenlos, doch Oliver Turvey sicherte sich mit Platz 8 ein durchaus gutes Ergebnis. Er war im Rennen klar schneller als sein Teamkollege.

FAZIT: Auf das Energie-Debakel vom Samstag folgte ein gutes Qualifying am Sonntag, das Turvey in ein ordentliches Rennergebnis ummünzen konnte.

Antonio Felix da Costa | 6.0 Punkte

Rennergebnis: DSQ / Platz 22
Fahrerwertung: Platz 14

Antonio Felix da Costa dürfte mit einem "dicken Hals" aus Valencia abreisen. Der Portugiese führte große Teile des Samstagsrennens an, dann verrechnete sich sein Techeetah-Team bei der Energiestrategie, und Felix da Costa rollte in der letzten Runde ohne Strom aus.

Besonders ärgerlich: Hätte er beim letzten Safety-Car-Restart nur 15 Sekunden später das Tempo aufgenommen, wäre er problemlos ins Ziel gekommen. Die zusätzliche Zeit hätte auch nicht, anders als er nach dem E-Prix in Interviews nahelegte, zum Abzug einer weiteren Kilowattstunde Energie geführt. Letztlich gehen diese Rechenfehler aber nicht auf Felix da Costas Kappe, sondern auf die seines Teams. Er selbst zeigte eine großartige Fahrleistung.

Am Rennsonntag fuhr der 29-Jährige ein unauffälliges Rennen und kämpfte um die Top 10, bis er eine Durchfahrtsstrafe aufgrund eines Fehlers bei der Attack-Mode-Aktivierung antreten musste. Er beendete das Wochenende punktlos und mit Platz 22.

FAZIT: Ein herber Rückschlag in der "Mission Titelverteidigung" für Antonio Felix da Costa.

Die weiteren Positionen im Fahrer-Rating:

 

Position Fahrer Note Ergebnis Samstag Ergebnis Sonntag
11. Lucas di Grassi 5,6 Platz 7 Platz 10
12. Nico Müller 5,6 Platz 2 Platz 20
13. Jean-Eric Vergne 5,6 Platz 9 Platz 7
14. Robin Frijns 5,4 Platz 6 Platz 19
15. Andre Lotterer 5,4 DNF Platz 2
16. Alexander Sims 5,0 DSQ Platz 23
17. Sebastien Buemi 4,8 DNF Platz 11
18. Maximilian Günther 4,8 DNF Platz 12
19. Edoardo Mortara 4,8 DNF Platz 9
20. Pascal Wehrlein 4,8 DNF Platz 18
21. Sam Bird 3,6 DSQ Platz 14
22. Sergio Sette Camara 3,6 DNF Platz 21
23. Mitch Evans 3,6 DNF Platz 15
24. Tom Blomqvist 3,4 DNF Platz 17
So hat die Redaktion abgestimmt:
Fahrer Tobias Bluhm Svenja König Timo Pape Tobias Wirtz Aurora Dell'Agli Durchschnitt
01. Alex Lynn 8 10 9 9 7 8,60
02. Jake Dennis 8 9 6 9 7 7,80
03. Nyck de Vries 9 9 7 7 6 7,60
04. Stoffel Vandoorne 9 5 8 6 7 7,00
05. Oliver Rowland 6 6 6 8 8 6,80
06. Rene Rast 6 7 7 6 8 6,80
07. Norman Nato 6 4 6 8 8 6,40
08. Nick Cassidy 5 7 5 7 7 6,20
09. Oliver Turvey 6 5 6 7 7 6,20
10. Antonio Felix da Costa 7 7 6 7 3 6,00
11. Lucas di Grassi 6 4 3 7 8 5,60
12. Nico Müller 7 7 3 5 6 5,60
13. Jean-Eric Vergne 5 6 5 6 6 5,60
14. Robin Frijns 6 6 4 6 5 5,40
15. Andre Lotterer 6 5 5 5 6 5,40
16. Alexander Sims 5 5 5 6 4 5,00
17. Sebastien Buemi 6 5 4 5 4 4,80
18. Maximilian Günther 6 4 4 7 3 4,80
19. Edoardo Mortara 5 4 4 6 5 4,80
20. Pascal Wehrlein 6 3 5 5 5 4,80
21. Sam Bird 4 2 2 6 4 3,60
22. Sergio Sette Camara 5 2 3 4 4 3,60
23. Mitch Evans 3 3 3 5 4 3,60
24. Tom Blomqvist 4 3 4 4 2 3,40

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