Formel E

Bericht: Formel E führt nach schweren Unfällen Notfall-Bremssystem bei Gen3-Autos ein

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

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Nach schweren Unfällen von Theo Pourchaire, Oliver Rowland und zuletzt von Sam Bird bei Gen3-Testfahrten hat es nun auch Lucas di Grassi erwischt. Der Brasilianer verunfallte bei Testfahrten im spanischen Almeira. Die Formel E reagiert nun auf die Vorfälle und will laut einem Bericht von 'The Race' ein zusätzliches Notfall-Bremssystem einführen.

Einzelheiten zu di Grassis Crash bei den Mahindra-Testfahrten sind nicht öffentlich bekannt. Das Fahrzeug wurde in Spanien jedoch so stark beschädigt, dass weitere geplante Tests ausfallen mussten. Der Wagen wurde stattdessen zurück nach Banbury gebracht, wo Mahindras Formel-E-Team seinen operativen Sitz hat.

In einem Statement erklärte Mahindra, dass "unser Gen3-Auto nach einem Zwischenfall zur Reparatur, die nicht an einer Teststrecke durchgeführt werden kann, nach Großbritannien zurückkehren wird. Der Schaden ist reparabel, und wir freuen uns darauf, so bald wie möglich wieder auf die Strecke zu gehen."

In den vergangenen Monaten hat es mindestens vier schwerere Gen3-Unfälle gegeben. Es soll jedoch verschiedene Gründe dafür gegeben haben. So verursachte ein Shutdown des Antriebsstrangs mindestens einen der Crashes. In einem anderen Fall war ein Problem mit der Software des 350 kW starken Elektromotors die Ursache. In beiden Fällen waren die Fahrer nicht in der Lage, ihre Autos angemessen abzubremsen.

Große Innovation, großes Risiko

Ein Faktor, der dabei eine Rolle spielte, ist die Hinterachse der Gen3-Boliden: Hier verzögern die neuen Formel-E-Rennwagen ausschließlich über die bis zu 350 kW starke Rekuperation des E-Motors. Hydraulische Bremsen sind dort nicht mehr vorhanden.

Damit erhofft sich die Formel E, eine Vorreiterrolle im Automobilbau einzunehmen: Auch wenn Elektroautos keine CO2-Emissionen produzieren, sind sie beim Thema Feinstaub klassischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren kaum überlegen. Feinstaub wird überwiegend von den Bremsen und den Reifen der Autos verursacht. Ein Verzicht auf Scheibenbremsen an der Hinterachse ist daher ein großer Schritt, was die Umweltfreundlichkeit der Fahrzeuge angeht.

Bei einem Ausfall des Antriebsstrangs wird diese Innovation jedoch zum Risiko, wie die jüngsten Unfälle gezeigt haben. Sie wurden von einer speziellen Fehleranalyse-Arbeitsgruppe der Formel E untersucht. Sie besteht aus Vertreter:innen des Automobil-Weltverbandes FIA und von mehreren Teams, die daran arbeiten, potenzielle Probleme zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln. Die Arbeitsgruppe kam dabei zu dem Schluss, ein Notfall-Bremssystem einzuführen.

Mestelan-Pinon: "Einführung derzeit in Arbeit"

Auf Nachfrage bestätigte die FIA, dass ein derartiges System in Planung sei und in den kommenden Wochen eingeführt werde. Bei den Testfahrten in Valencia werden die Boliden jedoch noch ohne das zusätzliche Bremssystem fahren.

"Als Ergebnis der Arbeitsgruppe, das mit den Herstellern erarbeitet wurde, kommt es nur bei bestimmten Fehlermodi zum Einsatz", beschreibt Alessandra Ciliberti, Leiterin des Gen3-Projektes bei der FIA. "Es betrifft nur bestimmte Szenarien, in denen das zusätzliche Bremssystem notwendig ist. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass es keine hydraulischen Bremsen an der Hinterachse geben wird."

"Die Einführung ist derzeit in Arbeit und wird in den kommenden Wochen mit den Herstellern besprochen", bestätigt Technik-Direktor Xavier Mestelan-Pinon. Dabei soll es sich um eine mechanische Bremse handeln, die jedoch nur als Ersatz des gesamten Bremssystems fungiert.

"Unsere Position ist, dass das Bremssystem innerhalb akzeptabler Toleranzen für eine Motorsportumgebung liegt", so Mestelan-Pinon weiter. "Die Hersteller haben dieser neuen Technologie zugestimmt. Wir haben uns bei jedem Schritt des Entwicklungsprozesses von Sicherheitsüberlegungen für die Fahrer leiten lassen."

"Es ist wichtig, Fahrer, Serie & Hersteller zu schützen"

"Es wird das erste Mal sein, dass wir einen Rennwagen ohne standardmäßige hydraulische Bremsen am Heck haben", erklärt er. "Wir sind der Meinung, dass wir damit eine Vorbildfunktion erfüllen müssen. Daher haben wir in den letzten zwei Monaten gemeinsam mit dem Veranstalter und den Herstellern beschlossen, hinten doch eine mechanische Bremse einzubauen."

"Neue Technologien stellen immer eine Herausforderung dar", so der Franzose weiter. "Insbesondere bei einem technologisch so fortschrittlichen Auto wie dem Gen3. Es liegt in der Natur der Sache, dass Teams und Fahrer die Toleranzen und Grenzen ausloten. Gerade weil es das erste Mal ist, dass wir einen Einsitzer ohne mechanische Bremsen am Heck haben werden."

"Es ist wichtig, sowohl die Fahrer als auch die Serie und die Hersteller zu schützen", beschreibt der frühere Direktor von DS Performance. "Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Promoter und den Herstellern diese Entscheidung getroffen. Alle waren sich einig, dass es wohl besser sei, ein zweites Bremssystem hinzuzufügen."

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4 Kommentare

Helmut ·

Keine Bremsen zu haben wird es im normalen Straßenverkehr nie spielen. (Hoffe ich). Soll gut sein, dass es im Normalbetrieb keine Bremsen braucht, aber für Not- und. Extremsituationen sind die meiner Meinung nach unverzichtbar.

Eine schräge Entwicklung: vom Einkreis- über das Zweikreissystem hin zu keinen Bremsen.

Trockensumpfpumpe ·

Stimme meinem Vorredner auch zu. Es kommt mir durch und durch wie eine unüberlegte Techbro-IchliebeElonMusk-Idee vor, komplett ohne Bremsen fahren zu wollen. Alles, aber auch wirklich alles sicherheitsrelevante muss auf eine physikalische Notoption zurückgreifen können, wenn alles nichts hilft.

Ramon ·

Finde ich absolut spannender Ansatz.
Notbremse-/Feststellbremse könnte intern im Getriebe platziert werden.
Das ermöglicht bei der Aufhängung viele neue Konstruktive möglichkeiten.

Ramon ·

Finde ich absolut spannender Ansatz.
Notbremse-/Feststellbremse könnte intern im Getriebe platziert werden, geschütz vor Umwelteinflüsse.
Das ermöglicht bei der Aufhängung viele neue Konstruktive möglichkeiten.
Anfänglich kann das auch nur bei der Hinterachse verbaut werden.

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