Formel E

Cassidy übernimmt WM-Spitze, DS & Porsche patzen: Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Monaco E-Prix 202

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Race-Start-Hotel-Hairpin-Formula-E-Monaco

Zum vierten Mal in Folge gewann ein Neuseeländer ein Rennen in der Formel E - zum vierten Mal mit Jaguar-Power. Nick Cassidy (Envision) gelang sein Sieg in Monaco dank eines taktisch klugen Überholmanövers zum richtigen Zeitpunkt im E-Prix. Doch auch hinter ihm konnten Fans einige herausragende fahrerische Leistungen beobachten.

Diese Leistungen bewertet e-Formel.de nach jedem Rennwochenende der Saison im Fahrer-Rating. Hierfür vergeben unsere Redakteur:innen Punkte auf einer Skala zwischen 1 und 10 für alle Piloten. Anschließend werden sie nach ihrem durchschnittlichen "Rating-Score" sortiert, und die besten zehn Leistungen von unserem Formel-E-Reporter Tobias Bluhm kommentiert. In die Wertung fließen ausschließlich die individuellen fahrerischen Leistungen ein, nicht das Potenzial des Autos oder äußere Umstände.

Das e-Formel.de Fahrer-Rating zum Monaco E-Prix 2023

1. Nick Cassidy | Envision Racing | 9.0 Punkte

Im selben Moment, in dem er an Mitch Evans (Jaguar) vorbeistürmte, bereute Nick Cassidy seine Entscheidung schon wieder. Hatte sein Überholmanöver zu viel Energie gekostet? Würde sein Gegner und langjähriger Freund schon wenig später zurückschlagen können? Alles sprach dafür, dass die Antwort auf diese Fragen lautete: ja.

Und dennoch gelang es Cassidy, sich in typischer Formel-E-Manier vorn zu halten. An genau den richtigen Stellen nahm er den Fuß vom Strompedal, um einen Teil der zuvor investierten Energie zurückzugewinnen. Als in der Schlussphase des Rennens das Safety-Car auf die Strecke fuhr, machte sich endgültig Erleichterung in der Envision-Garage breit. Platz 1 für Cassidy war besiegelt, genau wie die Führung in der Fahrer- und Team-WM. Das Ergebnis ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, welch großer Umbau seines Fahrzeugs nach Vibrationsproblemen im 2. Freien Training nötig war.

FAZIT: Von Startposition 7 auf die oberste Stufe des Podiums, dazu einige sehenswerte Überholmanöver. Cassidy wird überglücklich sein!

2. Mitch Evans | Jaguar TCS Racing | 8.8 Punkte

Zwar reichte es (mal wieder) knapp nicht zum Sieg in Monaco. Trotzdem erwischte Mitch Evans einen hervorragenden Start in die zweite Hälfte der Saison 2023. Mit den Positionen 1 und 2 setzte er schon in den Freien Trainings den Ton für sein Wochenende, im Qualifying reichte es zu Startrang 6.

Sein sehr gutes Tempo auf Push-Runden mit 300 oder 350 kW unterstrich der Neuseeländer mit gewohnter Effizienz im Rennen. Ähnlich wie Cassidy machte Evans im Rennen alles richtig - letztlich war allerdings das Rennglück auf der Seite des Envision-Fahrers.

FAZIT: Evans hätte genauso wie Cassidy gewinnen können, vielleicht sogar sollen. Die 18 erzielten Punkte könnten am Jahresende dennoch seine WM-Hoffnungen entscheidend beleben.

3. Jake Dennis | Avalanche Andretti | 8.3 Punkte

Der Vermutung, dass Porsches Antriebsstrang aus heiterem Himmel "schlechter" geworden sei, lieferte Jake Dennis in Monaco ein eindrucksvolles Gegenargument. Rennsieger Cassidy bezeichnete den Briten nach dem E-Prix als "heute wahrscheinlich schnellsten Fahrer" und erklärte, dass Dennis ebenso wie er oder Evans den E-Prix hätte gewinnen können.

Rennentscheidend war für Dennis vermutlich sein mäßiges Abschneiden im Qualifying, in dem er sich nur für Startrang 11 qualifizieren konnte und erstmals in der Saison von seinem Teamkollegen Andre Lotterer geschlagen wurde. Mit einer besseren Ausgangsposition hätte Dennis früher Strom sparen können, um später die Führung zu übernehmen.

FAZIT: In dieser Saison gilt bei Dennis das Motto "ganz oder gar nicht". Entweder verpasst er die Punkte, oder er fährt aufs Podium. In Monaco gelang ihm Letzteres.

4 Sacha Fenestraz | Nissan | 8.3 Punkte

Überglücklich stellte sich Sacha Fenestraz nach dem Rennen den Medien - und das vollkommen zurecht. Der Franco-Argentinier zog schon im Training die Aufmerksamkeit auf sich, als er hervorragende 300-kW-Rundenzeiten setzen konnte. Den guten Eindruck bestätigte er im Qualifying, als er zunächst auf die Pole-Position fuhr, diese aufgrund zu viel abgerufener Motorleistung aber wieder aberkannt bekam.

Von Startplatz 2 ausgehend konnte Fenestraz im Rennen gut mithalten. Nicht unverdient, aber doch etwas überraschend hielt er als einer von wenigen Fahrern über weite Strecken den Anschluss an die Führungsgruppe. Den Zielstrich überquerte er auf Position 4. Es war sein bestes Resultat des Jahres.

FAZIT: In Monaco fuhr der 23-Jährige das wahrscheinlich beste Wochenende seiner Saison!

5. Jake Hughes | Neom McLaren | 7.3 Punkte

Nach einigem regulatorischem Hin und Her wurde Jake Hughes die Pole-Position zugesprochen. Zwar hatte der Brite seine Zeit aufgrund des Abkürzens der Hafenschikane aberkannt bekommen, doch da Fenestraz vom Qualifying disqualifiziert wurde und Hughes seine Runde zuerst fuhr, bekam McLaren die Pole-Position zugesprochen. Hughes wurde somit zum ersten McLaren-Fahrer seit Fernando Alonso 2007, der ein Rennen in Monaco von Startplatz 1 beginnen konnte.

Anders als der Spanier, der tags darauf damals den Formel-1-Grand-Prix gewann, fehlte Hughes das Renntempo, um ganz vorn mithalten zu können. Mit Position 5 wiederholte er immerhin sein bestes Ergebnis der laufenden Saison (schon in Mexiko und Diriyya verbuchte er P5-Ergebnisse). In der Gesamtwertung zog er ganz nebenbei an seinem Teamkollegen Rene Rast vorbei.

FAZIT: Hughes merkt man gar nicht an, dass er seine Rookie-Saison in der Formel E bestreitet. Ein Top-Wochenende von ihm!

6. Jean-Eric Vergne | DS Penske | 7.0 Punkte

In Monaco kann man nicht überholen? Mitnichten! Jean-Eric Vergne machte im Verlauf des E-Prix im Fürstentum sagenhafte 15 Positionen gut und beendete das Rennen auf Platz 7. Trotz des befürchteten Durcheinanders im Mittelfeld schaffte er es, mit seiner klugen Fahrweise stets den Kopf über Wasser zu halten und Ränge gutzumachen.

Er selbst muss sich nach dem Monaco E-Prix nichts vorwerfen, sein Rennstall DS Penske allerdings schon: Das US-amerikanische Team verschätzte sich bei den Reifendrücken im Qualifying gehörig. Sie kalkulierten als einziges Team offenbar nicht ausreichend ein, welchen Einfluss die aufziehenden Wolken auf die Reifentemperaturen und -drücke haben würden. Sowohl Vergnes Zeiten als auch jene seines Teamkollegen Stoffel Vandoorne wurden somit aufgrund zu niedriger Drücke gestrichen.

FAZIT: DS Penske legte Vergne so einige Steine in den Weg, doch der Franzose meisterte diese Herausforderung mit Bravour. Er war einer der besten Fahrer des Rennens.

7. Norman Nato | Nissan | 6.0 Punkte

Bei seinem "Ersatz-Heimrennen" in Monaco lief Norman Nato zu seiner vielleicht besten Form des Jahres auf. Der Franzose hielt nach starkem Qualifying zum ersten Mal an der Spitze des Feldes mit, wurde dann aber aufgrund einer strategischen Fehlentscheidung durchs Feld gereicht - er verlor sieben Plätze bei seiner ersten Attack-Mode-Aktivierung! Er fiel ins hart umkämpfte Mittelfeld zurück, wo er mit einem Rivalen aneinandergeriet und letztlich auf Platz 17 abstürzte.

FAZIT: Ohne den Autoschaden wäre für Nato ein weitaus besseres Ergebnis drin gewesen.

8. Dan Ticktum | Nio 333 | 6.3 Punkte

In der Qualifikation nutzte Dan Ticktum das immer besser werdende Nio-333-Tempo über eine Runde, um abermals in die Duelle einzuziehen. Im E-Prix biss sich der Brite in einigen Top-10-Duellen fest, ehe er im Rückstau der Rascasse-Kurve einem seiner Nissan-Kontrahenten auffuhr und sein Auto beschädigte. Wenig später zog er - in der Meinung der FIA-Stewards zu Unrecht - den Zorn von Maximilian Günther (Maserati MSG) auf sich, nachdem dieser Ticktum in der Bergauf-Passage auffuhr.

Hinter dem Safety-Car probierte der Brite, seinen beschädigten Frontflügel am Auto von Jake Hughes (McLaren) abzufahren. Ob diese nicht ungefährliche Fahrweise noch ein Nachspiel haben wird (oder überhaupt sollte), ist noch unklar. Sicher ist nur: Mit Position 6 wiederholte Ticktum in Monaco sein bestes Saisonresultat. Er sammelte dabei acht sehr wichtige WM-Punkte.

FAZIT: Ein weiteres gutes - wenn auch nicht ganz reibungsloses und sauberes - Rennen von Ticktum.

9. Maximilian Günther | Maserati MSG | 6.0 Punkte

Den E-Prix in seiner Wahlheimat hat sich Maximilian Günther wohl anders vorgestellt. Nach einem tollen Qualifying, bei dem er sich für Startrang 4 qualifizierte, hielt der Deutsche in den Mittelfeld-Duellen der Top 10 mit. Er lieferte sich mehrere sehenswerte Kämpfe mit Dan Ticktum, ehe er kurz vor Schluss ins Heck des Briten rauschte.

Noch am Teamfunk forderte Günther eine Rennsperre für die vermeintlich gefährliche Fahrweise des Briten. Mit Abstand zum E-Prix wird er aber wohl anerkennen müssen, dass etwas Geduld sein Aus wohl verhindert hätte. Die FIA bewertete den Crash als Rennunfall.

FAZIT: Günther fuhr ein kluges, hartes Rennen, das er nach einem Unfall nicht beenden konnte. Am Crash trägt er zumindest Mitschuld.

10. Stoffel Vandoorne | DS Penske | 5.8 Punkte

Das Reifendruck-Debakel von DS Penske im Qualifying verhinderte auch bei Stoffel Vandoorne ein besseres Ergebnis. Der Belgier nahm den E-Prix von Position 21 auf und hielt sich im Rennverlauf aus größeren Vorfällen im Mittelfeld heraus. Mit einer gesunden Mischung aus Geduld, Aggressivität und Opportunismus erkämpfte er sich Rang 9.

FAZIT: Der Wetter-Patzer von DS Penske kostete Vandoorne sehr wichtige WM-Punkte. Individuell muss er sich aber keinen Vorwurf machen: Das war ein richtig gutes Rennen!

So hat die Redaktion abgestimmt:
Fahrer Tobias Bluhm Timo Pape Svenja König Tobias Wirtz Durchschnitt
01. Nick Cassidy 9 9 9 9 9,00
02. Mitch Evans 9 9 8 9 8,75
03. Jake Dennis 8 8 8 9 8,25
04. Sacha Fenestraz 8 8 8 9 8,25
05. Jake Hughes 7 8 6 8 7,25
06. Jean-Eric Vergne 8 7 6 7 7,00
07. Norman Nato 7 7 6 6 6,50
08. Dan Ticktum 5 7 6 7 6,25
09. Maximilian Günther 6 6 5 7 6,00
10. Stoffel Vandoorne 6 6 5 6 5,75
11. Oliver Rowland 5 6 4 7 5,50
12. Nico Müller 6 6 3 7 5,50
13. Antonio Felix da Costa 6 6 4 6 5,50
14. Pascal Wehrlein 6 5 5 6 5,50
15. Edoardo Mortara 6 5 5 6 5,50
16. Sebastien Buemi 4 6 5 6 5,25
17. Lucas di Grassi 7 4 4 6 5,25
18. Sergio Sette Camara 5 5 5 6 5,25
19. Andre Lotterer 4 5 5 5 4,75
20. Rene Rast 5 3 4 6 4,50
21. Robin Frijns 5 4 4 5 4,50
22. Sam Bird 5 3 4 5 4,25

 
* Tie-Breaker bei Punktegleichstand: höhere Einzelwertung im Fahrer-Rating. Tie-Breaker bei identischen Punkten: besseres Rennergebnis.

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