Formel E

Charisma, Event-Atmosphäre & Hersteller: 5 Dinge auf der To-do-Liste des neuen Formel-E-Chefs Jeff Dodds

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

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Ab dem 5. Juni hat die Formel E einen neuen Chef. Zum Start einer "Übergangsphase" wird dann der englische Geschäftsmann Jeff Dodds die Geschicke von Jamie Reigle übernehmen, der die Serie seit September 2019 leitete. Vor dem Liberty-Global-Funktionär Dodds liegen einige große Aufgaben: Er muss die Formel E in eine ungewisse Zukunft führen.

Jeff Dodds ist 49 Jahre alt, Brite, und studierter Marketing- und Finanzexperte. Nach einigen Jahren an Universitäten in Westminster, Aberdeen und Oxford sammelte er Erfahrungen als Geschäftsmann für Firmen im Automobil- und Telekommunikationssektor. Zuletzt übernahm er Verantwortung im Vorstand von Virgin Media O2 in Großbritannien, zudem ist er leitend an einigen philanthropischen Projekten beteiligt. Und ab Anfang Juni ist er außerdem: Geschäftsführer der Formel E.

Soweit die Fakten. Auf dem Papier scheint Jeff Dodds ein überaus qualifizierter Kandidat für seine neue Stelle und die Leitung der Elektroserie zu sein. Doch wenn seine Ära in der Formel E, die gewiss von einigen großen Entscheidungen geprägt sein wird, eine erfolgreiche sein soll, muss der neue Chef einige Herausforderungen meistern. Denn sein Vorgänger, Jamie Reigle, hinterlässt Dodds nicht wenige Aufgaben.

1. Charismatische Führungsstärke beweisen

Eng verknüpft mit der Frage, ob Reigle nun ein guter Formel-E-Chef war oder nicht, ist die Beobachtung seiner Präsenz innerhalb der Formel E. Denn so besonnen er knifflige Aufgaben wie den Umgang mit der Coronavirus-Pandemie oder die Herstellerausstiege von Audi, BMW und Mercedes auch löste: Menschen innerhalb und außerhalb der Organisation bekamen kaum etwas von ihm mit.

Das liegt auch daran, dass der Kanadier während seiner Formel-E-Zeit größtenteils aus Hongkong arbeitete. Dorthin war er vor einigen Jahren mit seiner Familie ausgewandert, um das Asien-Geschäft des Fußballclubs Manchester United aufzubauen. Er muss sich zwar keineswegs fehlende Bereitschaft zum Reisen vorwerfen lassen: Phasenweise muss er mehr Zeit in Flugzeugen als mit seinen Kindern verbracht haben.

Doch die Formel E hat ihren Sitz nun einmal in London, wo viele Mitarbeiter:innen beklagt haben dürften, ihren Chef selten zu Gesicht zu bekommen. Auch in der externen Kommunikation gelang es Reigle nicht, die Fußstapfen des überaus charismatischen Alejandro Agag auszufüllen. Jeff Dodds sollte die Firma nicht nur führen, sondern auch größere Präsenz im Umgang mit Anteilseignern zeigen.

2. Kalenderstabilität schaffen

Bei aller Anerkennung für die Leistung von Agag und Reigle: Der Formel E gelang es in den letzten achteinhalb Jahren nicht, ihren Rennkalender auf feste, tragende Säulen zu stellen - einmal abgesehen von den E-Prix in Berlin, Monaco und Mexiko-Stadt. Immer wieder verkündete die Serie Deals mit neuen Austragungsorten, die wenige Monate später doch noch platzten.

Die Rennen in Montreal, Seoul, Sanya, Zürich und Bern fanden jeweils nur einmal statt. Nach Vancouver und Brüssel schaffte es die Formel E trotz großem Brimborium nie. Und auch, ob Paris, Santiago und Hongkong jemals zurück in den Kalender kommen werden, ist fraglich. Dodds' Aufgabe lässt sich einfach formulieren und ist doch so schwer: Statt schillernden Social-Media-Posts zu immer neuen, hippen Locations braucht die Formel E einen festen Stamm an Rennstrecken, die sie in jedem Jahr besucht. Als Chefverhandler ist das Dodds' Verantwortung, wenngleich sich bisher zumeist Alberto Longo um diese Aufgabe kümmerte.

3. Rennveranstaltungen nicht mehr von der Palette kommen lassen

Findet die Formel E ihre Kern-Locations, können dem Kalender selbstverständlich gern auch neue Austragungsorte hinzugefügt werden. Die zukünftigen Rennen brauchen jedoch im Rahmenprogramm deutlich mehr Charakter. Zuschauer:innen aus Deutschland wissen: Das Fandorf beim Berlin E-Prix sah 2023 kaum anders aus als 2022, 2021 oder 2018. 2019 gab es in Tempelhof immerhin noch Nico Rosbergs "Greentech-Festival".

Aber auch von Fans aus anderen Ländern vernahmen wir bei 'e-Formel.de' in den letzten Jahren einen gewissen Frust, dass die Events wie "von der Palette" wirkten und nach Schema F von einem zum nächsten Austragungsort kopiert werden. Wie wäre es endlich mit einer Elektroserie, die das Rahmenprogramm der Formel E füllt? Warum muss die Autogrammstunde zwingend in der Boxengasse (und dann noch zu sündhaft teuren Eintrittspreisen für Fans) stattfinden? Liegt es wirklich nur am Platzmangel, dass außer bei den Podiumsfeiern seit den beiden Swiss E-Prix in Zürich und Bern kaum mehr Festival-Atmosphäre am Renntag aufkommt?

4. Die Formel E mit dem Gen4-Regelwerk zukunftsfähig halten

Kaum mehr als die Hälfte der ersten Gen3-Saison ist geschafft, da reden die Teams, Hersteller und Partner der FIA und Formel E schon über das Gen4-Regelwerk. Das neue Fahrzeug soll abermals leistungsstärker werden, es stehen Neuerungen wie (Semi-) Slick-Reifen, Allradantriebe oder die freie Entwicklung von Frontmotoren im Raum. Zugleich dürften schon in wenigen Jahren neue Finanzregeln auf den Weg gebracht werden, bei denen unter anderem die Fahrergehälter begrenzt werden sollen.

Die Anpassungen bergen für die Elektroserie eine Menge Potenzial. Doch Dodds ist als Schnittstelle zwischen allen Beteiligten dafür verantwortlich, dass die Formel E zukunftsfähig bleibt. Die Finanzregeln dürfen nicht dazu führen, dass Fahrertalente die Serie aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Die Herstellerregeln müssen die Konstrukteure zufrieden und engagiert halten. Und der Drahtseilakt, das Gen4-Produkt auch sportlich attraktiv zu machen, hat gerade erst begonnen.

5. Hersteller zufriedenstellen, inklusive Porsche

Insbesondere der Verbleib von Herstellern könnte die Landschaft der Formel E in den kommenden Jahren prägen. Dodds muss es schaffen, die in der Elektroserie engagierten Hersteller bei der Stange zu halten. Das kann ihm einerseits mit gutem, ausgeglichenen Racing gelingen, andererseits aber auch mit der richtigen Balance aus Entwicklungsfreiheiten und Einheitsbauteilen sowie wachsender Aufmerksamkeit für das "Produkt" Formel E.

In den letzten Jahren schien genau das die Achillesferse der Serie zu sein. Audi, BMW und Mercedes verließen die Meisterschaft, um ihre Elektroauto-Technik anderswo zu entwickeln, zum Beispiel als Teil von Hybridsystemen in der Formel 1 oder WEC/IMSA, und dort zugleich ein größeres Publikum zu erreichen. Die TV-Einschaltquoten in Deutschland liegen auf einem ordentlichen Niveau, stagnieren aber seit Jahren. Und auch international vermeldet die Serie zwar ein wachsendes Fernsehpublikum, allerdings bei Weitem nicht im erhofften Tempo.

Aus gutem Grund wird der Druck auf Dodds zu Beginn seiner Amtszeit deswegen groß sein: Porsche, Stellantis, Nissan, Mahindra, Nio 333 und Jaguar Land Rover erwarten, dass auf ihre Wünsche eingegangen wird. Andernfalls gefährdet der neue CEO, dass auch sie irgendwann den Stecker ziehen.

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2 Kommentare

Sarah ·

Ich muss jetzt endlich mal meinen Senf zum Thema Autogrammstunde in Berlin abgeben. Ich fand nämlich die Regelung in diesem Jahr in der Boxengassen deutlich besser als die alte Version in der Empfangshalle. Die Kauftickets waren extrem begrenz und vorallem überhaupt nicht nötig. Wir haben uns 20min vor Einlass angestellt und problemlos Bändchen bekommen (ohne Aufpreis), dafür konnten wir danach entspannt alle Sessions anschauen und trotzdem von allen Fahrern ein Autogramm und Bilder mit unseren Favouriten bekommen. Für mich die bessere Lösung, da man vorallem auch bei den einzelnen Fahrern nicht eeeewig anstehen musste und so alle mal von nahe sehen konnte.

Sarah ·

Noch ne Anmerkung zu meinem Kommentar:
Die Kommunikation wie das mit der Autogrammstunde läuft war im Vorfeld des ePrix eine absolute Katastophe und das muss die Formel E deutlich verbessern, also vorallem beim Thema Kommunikation hoffe ich auf Jeff Dodds.

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