Formel E

Corona-Pause, Abt-Eklat, Hersteller-Ausstiege: Die größten Formel-E-Geschichten 2020

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Wie bei allen internationalen Rennserien liegt auch hinter der Formel E ein Jahr wie kein anderes. Nach einem ereignisreichen Start in das neue Jahrzehnt mit spektakulären Rennen in Chile, Mexiko und Marokko wurde die Elektroserie aufgrund der Coronavirus-Pandemie zu einer mehrere Monate dauernden Saisonpause gezwungen, ehe sie das Jahr mit sechs Rennen in Berlin beendete. In unserem Jahresrückblick lassen wir die größten Geschichten des Formel-E-Jahres 2020 wiederaufleben.

Wer die wichtigsten Ereignisse des Jahres zusammentragen will, hat 2020 die sprichwörtliche "Qual der Wahl". Der Motorsport war in den vergangenen zwölf Monaten so vielen äußeren Einflüssen ausgesetzt wie selten zuvor, bewies immer wieder aber auch seine beeindruckende Anpassungsfähigkeit. Inmitten der Coronavirus-Pandemie organisierte die Formel E eine virtuelle Meisterschaft in der Rennsimulation rFactor 2 und plante mit dem "Sixpack von Berlin" das wohl umfangreichste Motorsport-Saisonfinale des Jahrhunderts.

In unserem Jahresrückblick schauen wir auf die größten, kuriosesten und wegweisendsten Formel-E-Geschichten des Jahres 2020. Welche Meldungen haben dich in diesem Jahr bewegt? Was hat dich schockiert? Stimmst du mir unserer Einstufung überein? Gern diskutieren wir in den Kommentaren unter diesem Artikel mit dir!

Die Top 10 der größten Formel-E-Geschichten 2020

 

Der August 2020 war für deutsche Formel-E-Fans zweifelsfrei der ereignisreichste Monat des Jahres. Neben der Austragung von stolzen sechs Rennen in der deutschen Hauptstadt kündigte die Elektroserie unmittelbar vor dem Berlin E-Prix eine große Änderung für das TV an: Ab der Saison 2021 löst die ProSiebenSat.1-Gruppe den Sportsender Eurosport bei der Formel-E-Übertragung in Deutschland ab.

Bei "ran racing" begleitet ab dem Saisonauftakt Kommentator Edgar "Eddie" Mielke die Formel-E-Rennen. Andrea Kaiser und Matthias Killing werden als Moderationsteam durch die Sendungen führen. Als Formel-E-Experten erhält das Trio zudem Unterstützung von Ex-Audi-Fahrer Daniel Abt sowie vom ehemaligen RTL-Motorsportexperten Christian Danner. Sat.1 zeigt alle Rennen der neuen Saison live im TV und im Online-Stream.

Beim Mexico City E-Prix bescherte Mitch Evans seinem Team Jaguar den ersten und einzigen Formel-E-Sieg des Jahres. Das Rennwochenende im Autodromo Hermanos Rodriguez wurde allerdings gleichermaßen von einem heftigen Unfall geprägt. Kurz vor dem Ende des 1. Freien Trainings rauschte der Audi-Pilot Daniel Abt am Ende der Gegengeraden mit mehr als 200 km/h in die Streckenbegrenzung.

Als Grund für das Bremsversagen gaben die Ingolstädter später ein Softwareproblem an. Der in jedem Formel-E-Fahrzeug eingebaute Verzögerungssensor schlug bei Abts Einschlag Alarm: Zwischenzeitlich sollen bis zu 29 g auf seinen Körper gewirkt haben. Als Vorsichtsmaßnahme wurde der damals 27-Jährige per Helikopter in ein Krankenhaus transportiert, erhielt trotz einiger Blessuren aber wenig später "grünes Licht" für eine Teilnahme am Rennen.

Da Abt nicht am Qualifying teilnehmen konnte, startete er vom letzten Platz. Nach einem Dreher gab er das Rennen schließlich einige Runden vor Schluss vorzeitig auf. Das Resultat dürfte ihm allerdings egal sein, denn Abt ist sich inzwischen sicher: "Vor 20, 30 Jahren wären meine Beine ab gewesen."

 

Für das Formel-E-Saisonfinale entwarf die Formel E in Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden ein umfangreiches Sicherheits- und PCR-Testkonzept. Dank aller Vorsichtsmaßnahmen wurden bei rund 1.400 Tests lediglich zwei Personen positiv auf das Coronavirus getestet. Bei ihnen handelte es sich allerdings ausgerechnet um zwei der prominentesten Mitglieder des Fahrerlagers: Mahindra-Teamchef Dilbagh Gill und Formel-E-Gründer Alejandro Agag. Beide isolierten sich anschließend in ihrem Hotelzimmer und blieben laut eigener Aussage größtenteils symptomfrei. Nichtsdestotrotz mussten sie den Berlin E-Prix über den Fernseher verfolgen.

 

Die in der Formel E einheitlichen Karosserien sollten ursprünglich ab 2021 ein "Facelift" bekommen. Erst im Februar präsentierte die Serie in einem aufwändig produzierten Video das neue "Gen2 EVO"-Fahrzeug, das in der kommenden Saison zum Einsatz kommen sollte. Neu dabei: Eine "Haifischflosse" über der Motorenabdeckung, neue Radverkleidungen und ein insgesamt dynamischeres Auftreten.

Durch Sparmaßnahmen in der Corona-Pandemie sagte die Elektroserie das geplante Update jedoch nach wenigen Monaten ab und verkündete stattdessen Maßnahmen, um die Kosten für die Teams zu reduzieren. Unter anderem dürfen Hersteller in den kommenden zwei Jahren lediglich einen neuen Motor an den Start bringen. Die Odyssee des neuen Bodywork-Kits schafft es auf Platz 6 unserer größten Formel-E-Geschichten 2020.

 

Antonio Felix da Costa ist für viele Beobachter der Serie wohl der Überraschungsfahrer der Saison. Als neuer Teamkollege von Jean-Eric Vergne meldete der Portugiese unmittelbar nach dem Jahreswechsel in Chile seine Titelansprüche an, musste allerdings bis zum Marrakesch E-Prix auf seinen ersten Sieg mit DS Techeetah warten. Nach der Corona-bedingten Unterbrechung machte Felix da Costa genau da weiter, wo er aufgehört hatte: Mit zwei Siegen, drei Podien und einem vierten Platz sicherte sich der Formel-E-Routinier frühzeitig den Titel 2020.

Vor rund einer Woche erhielt er im Rahmen der virtuellen FIA-Preisverleihungsgala schließlich seinen Meisterpokal. "Neben der Formel 1 ist ein Titel in der Formel E das Größte, was man erreichen kann", erklärte er bei einer Pressekonferenz und gab sich kämpferisch für die Saison 2021: "Was Lewis (Hamilton) in der Formel 1 schafft, motiviert mich für die Formel E. Ich will Rekorde brechen und hier meine Spuren hinterlassen."

 

Transfer-Überraschung im Juli: Pascal Wehrlein verlässt Mahindra Racing! Nach etwas mehr als einer Saison gab der DTM-Champion 2016 seinen zwischenzeitlichen "Formel-E-Abgang" per Instagram-Story bekannt. Kurz zuvor drangen erste Medienberichte an die Öffentlichkeit, laut derer sich Wehrlein mit Porsche einig sei. Die Zuffenhausener bestätigten einige Wochen später den Fahrerwechsel: Ab 2021 wird Wehrlein für Porsche ins Lenkrad greifen. Beim Berlin E-Prix musste er wegen seines Wechsels für Mahindra aussetzen. Die Inder besetzten das Cockpit stattdessen mit Alex Lynn, der auch im neuen Jahr für das Team antreten wird.

 

Obwohl die Formel E ihr "Gen2 EVO"-Facelift nach wenigen Monaten absagte, verlor die Elektroserie ihre eigene Zukunft nicht aus dem Blick. Im Jahr 2020 konkretisierte die FIA die Eckdaten für das geplante Gen3-Fahrzeug, das ab der Saison 2022/23 zum Einsatz kommen soll. Zwar ist noch nicht bekannt, wie das neue Chassis aussehen wird. Klar ist aber schon jetzt: Mit Williams Advanced Engineering und Hankook bekommt die Serie neue Batterie- und Reifenpartner.

Unter der Haube stockt die Formel E die maximale Motorenleistung von 250 auf 350 kW auf, ein Anstieg von umgerechnet 136 PS. Geplant sind zudem einheitliche Frontmotoren, Boxenstopps mit Schnelllade-Technologie, eine Gewichtsreduktion von 900 auf 780 Kilogramm und eine erhöhte Rekuperationsleistung von bis zu 600 kW.

 

Das Jahr 2020 wurde auch in der Formel E vom Coronavirus bestimmt. Die Pandemie zwang die Elektroserie bereits Anfang Februar zur Absage ihres geplanten E-Prix in China. In den Wochen danach folgten immer mehr gecancelte Events. Am 13. März unterbrach die Formel E ihre Saison schließlich vollständig und ging in eine fast fünfmonatige "Zwangspause". Maßgeblich für die Unterbrechung war die Entscheidung der WHO, die Ausbreitung des Virus als "Pandemie" zu klassifizieren.

Die Unterbrechung füllte die Serie mit insgesamt neun Veranstaltungen im Rahmen der "Race at Home Challenge", einer virtuellen Meisterschaft innerhalb der Rennsimulation rFactor 2. Im letzten Rennen sicherte sich Mercedes-Pilot Stoffel Vandoorne den virtuellen Titel vor Pascal Wehrlein. Unter strengen Sicherheitsauflagen beschloss die Formel E ihre Saison 2019/20 zwischen dem 5. und 13. August mit sechs Rennen auf dem ehemaligen Flughafengelände in Berlin-Tempelhof.

 

Nach der Beinahe-Insolvenz 2015 und der Coronavirus-Saisonpause erlebte die Formel E im Dezember 2020 ihre dritte große Krise. Binnen 48 Stunden gaben sowohl Audi als auch BMW bekannt, nach der Saison 2021 nicht mehr in der Elektroserie zu starten. Als Begründung gab BMW an, dass die technologischen Transfermöglichkeiten der Formel E inzwischen "im Wesentlichen ausgeschöpft" seien, Audi betonte eine interne Umstrukturierung, bei der Budget für neue Motorsportprojekte in Dakar und Le Mans umgelagert werden müsse.

Die anstehende Saison 2021 wird somit das letzte Jahr mit werksseitiger Beteiligung von Audi und BMW. Ob anschließend die Einsatzteams Andretti und möglicherweise sogar ABT die Rennställe übernehmen, ist derzeit noch offen. Unter normalen Umständen wären die Ausstiegsmeldungen von Audi und BMW wohl die Geschichte des Jahres geworden, wäre da nicht…

 

… die eine Nachricht gewesen, die in den sozialen Netzwerken so heiß wie keine andere Geschichte in der Formel-E-Historie diskutiert wurde. Die Affäre in der Simracing-Meisterschaft "Race at Home Challenge" und der damit verbundene Audi-Rauswurf von Daniel Abt ist für viele Beobachter die größte Geschichte des Jahres. Und auch in unserem Rückblick schaffte es die Nachricht auf Platz 1.

Der Auslöser des Eklats war ein geplanter Streich für Daniel Abts YouTube-Kanal, für den der Deutsche sein virtuelles Fahrzeug einem semi-professionellen Simracer überließ. Der Spuk flog nach einer Überprüfung der IP-Adressen jedoch auf, denn der E-Sportler wählte sich aus Österreich in das Profil von Abt ein, um an seiner Stelle das Rennen zu bestreiten (und sogar das Podium zu erreichen!).

Abt wurde von der Formel E zu einer Strafzahlung für einen guten Zweck verpflichtet. Allerdings zog auch sein Arbeitgeber Konsequenzen: Da er Audi in Verruf gebracht habe, entschieden sich die Ingolstädter für die laut Eigenaussage "alternativlose Suspendierung" von Abt, der für den Berlin E-Prix durch Rene Rast ersetzt wurde.

Abt entschuldigte sich in einem ausführlichen Video später für seinen folgenschweren Scherz, konnte die Empörungswelle gegen Audi allerdings nicht aufhalten. Zahlreiche Fahrer und Fans stellten sich in den sozialen Medien auf die Seite von Abt, während einige Journalisten auch Verständnis für Audis Entscheidung aufbrachten. Die Konsequenzen des Abt-Rauswurfs überraschten und erzürnten auch viele unserer Leser. Für Rang 1 der größten Formel-E-Storys 2020 führte somit kein Weg am Audi-Rauswurf von Daniel Abt vorbei.

Foto: Shivraj Gohil / Spacesuit Media

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