Formel E

"Definitiv nicht richtig" - Buemi verliert Formel-E-Podium nach Strafe, Cassidy schrammt knapp am Sieg vorbei

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Envision Racing hat beim Formel-E-Rennen in Hyderabad gezeigt, dass mit dem Jaguar-Kundenteam in dieser Saison zu rechnen ist. Nick Cassidy wurde Zweiter und verpasste den Sieg denkbar knapp. Sebastien Buemi überquerte die Ziellinie unmittelbar hinter seinem Teamkollegen, fiel wegen einer Strafe für einen technischen Regelverstoß jedoch aus den Punkterängen. Bei Envision ist man sich sicher, dass es sich um eine Fehlentscheidung handelt.

Im Qualifying bewies Sebastien Buemi in Indien erneut, dass er einer der besten Formel-E-Piloten auf eine schnelle Runde ist: Er zog zum vierten Mal in dieser Saison ins Viertelfinale ein, wo er Nissan-Pilot Sacha Fenestraz schlagen konnte. Im Duell gegen den späteren Pole-Sitter Mitch Evans unterlag Buemi jedoch, sodass er den Lauf vom dritten Startplatz aus aufnahm.

Im Rennen fiel er zunächst hinter Jean-Eric Vergne zurück, überholte diesen jedoch nach neun Runden wieder. Da Evans gleichzeitig durch die Attack-Zone fuhr, übernahm Buemi die Führung. Eine Runde später folgte dann das (zunächst) entscheidende Manöver: Buemi aktivierte seinen Attack-Mode ebenfalls, blieb dabei jedoch vor Evans, der von Fenestraz aufgehalten wurde.

Bei seiner zweiten Attack-Mode-Aktivierung fiel Buemi hinter Cassidy auf den dritten Platz zurück. Diesen Platz behielt er bis ins Ziel. Nach dem Rennen dann jedoch der Schock: Buemi erhielt eine Strafe wegen "Power Overuse". Die Rennkommissare sprachen nachträglich eine Durchfahrtsstrafe aus, die in eine Zeitstrafe von 17 Sekunden umgewandelt wurde. Anstelle des dritten Platzes wurde Buemi nur auf Position 15 gewertet.

Buemi: "Sehr ungerecht, wenn ich eine Sportstrafe bekomme"

Der Schweizer hatte nach Informationen von 'e-Formel.de' jedoch nicht zu viel Energie genutzt. Stattdessen handelte es sich um ein Software-Problem: Laut einer technischen Richtlinie von Batteriehersteller Williams Advanced muss die Software die Energieabgabe beim Erreichen einer maximalen Zelltemperatur drosseln. Dies tat sie bei Buemi offenbar nicht.

"Ich glaube, dass mir in den letzten drei oder vier Runden ein wenig Leistung aus den Kurven heraus fehlte", beschreibt Buemi bei 'The Race'. "Es war nicht viel, aber es fühlte sich an, als hätte ich nicht die volle Leistung. Offenbar hat die Batterie nachgelassen, was anscheinend - und ich sage nur anscheinend - ein Problem der Batterie ist, gegen das wir nichts tun konnten."

"Ich bekomme eine Durchfahrtsstrafe wegen 'over power', obwohl ich eigentlich die letzten drei oder vier Runden mit weniger Leistung gefahren bin", äußert der Schweizer sein Unverständnis für die Strafe. "Ich will das einfach nur verstehen, aber ich finde es sehr ungerecht, wenn ich eine Sportstrafe bekomme, weil ich weniger Leistung hatte. Ich denke, man sollte vielleicht unterscheiden, ob man einen Vorteil hat oder nicht. Wenn man sich keinen Vorteil verschafft hat, kann die Strafe meiner Meinung nach keine sportliche sein."

Teamchef Filippi: "Haben nie die erlaubten 300 kW überschritten"

Ein von Envision gegen die Entscheidung der Rennkommissare eingelegter Protest wurde wegen eines Formfehlers abgelehnt: So kann gegen eine Entscheidung der Rennkommissare kein Protest eingelegt werden. Lediglich eine Anfechtung einer Entscheidung ist möglich. "Die FIA spricht von einer Schwarz-Weiß-Entscheidung beim Thema 'over power', aber das ist es nicht", ärgert sich Envision-Teamchef Sylvain Filippi. "Wir haben nie die erlaubten 300 kW überschritten."

"In der Batterie hatten wir eine heiße Zelle, die sich abnormal verhielt", beschreibt er das Problem. "Das bedeutete, dass die Leistung, die die Batterie liefern konnte, weit darunter lag. Das System tat sein Bestes, um die Leistung zu halten, die deutlich unter 300 kW lag. Aber es war ein völlig abnormales Verhalten, das wir noch nie gesehen haben."

"Es gibt keine Musterlösung dafür", gibt Filippi zu. "Das ist eines dieser neuen Gen3-Dinge, die noch niemand gesehen hat. Weder die FIA noch ein Zulieferer oder wir. Und wir sind nicht sehr glücklich, weil die Strafe so verhängt wurde, als hätten wir einen Vorteil erlangt, obwohl wir sogar im Nachteil waren."

"Keine Chance, irgendwelche Daten zu zeigen"

Was Filippi beschreibt, ist jedoch kein neues Phänomen in der Formel E: Ähnlich war es Pascal Wehrlein in Puebla 2021 ergangen, als er den FANBOOST sehr spät im Rennen nutzte. Die Batterie war damals nicht mehr in der Lage, die für den FANBOOST vorgeschriebene Mindestleistung von 240 kW auszugeben. Wehrlein erhielt ebenfalls eine Strafe und verlor sein Podium.

"Es fehlt also der Kontext", klagt Filipp weiter. "Die Rennkommissare haben auf 'over power' entschieden, was sie bei den Gen2-Autos schon oft gesehen haben. Die Batterie verhielt sich aber unvorhersehbar, also sind wir mit der FIA dabei, das zu klären. Ich denke, es kann jeder verstehen, dass es definitiv nicht richtig ist, dass es eine harte sportliche Strafe gibt. Wir wurden so bestraft, als ob wir einen großen Vorteil erlangt hätten. Ganz im Gegenteil, wir waren massiv untermotorisiert, aber wir haben die Strafe trotzdem bekommen."

"Wir müssen den Prozess der FIA verstehen", erklärt er den Grund für den Protest. "Wir wollen wissen, warum die Rennkommissare eine Entscheidung getroffen haben, wenn sie keinen Kontext haben. Wir hatten keine Chance, unsere Daten zu präsentieren. Sie sagten nur 'over power', das war's. Aber es ist halt kein 'over power', wir hatten jedoch keine Chance, irgendwelche Daten zu zeigen."

Laut Filippi sei der Fehler nicht zu vermeiden gewesen. "Der Protest ist sowohl für dieses Rennen als auch für die Zukunft wichtig. Mein Problem ist, dass es wieder passieren wird, wenn ein Rennen so verläuft. Unser Argument ist also, dass eine Regel nicht durchgesetzt kann, wenn die Einhaltung nicht möglich ist."

Cassidy pflügt durchs Feld

Im Qualifying konnte Cassidy als einziger der vier Fahrer mit Jaguar-Antrieben die Duelle nicht erreichen: Genau 0,001 Sekunden - die kleinste messbare Zeitspanne - fehlten ihm auf Maserati-Pilot Edoardo Mortara. Wie bereits beim Freitagsrennen in Diriyya, wurde Cassidy nur Fünfter in seiner Gruppe.

Vom neunten Startplatz aus arbeitete sich der Neuseeländer bereits kurz nach dem Start auf den siebten Platz nach vorn. In der Folge profitierte er unter anderem von der Kollision der beiden Jaguar-Piloten. Hierbei ging Cassidy auch an Sacha Fenestraz und Maximilian Günther vorbei, die den Jaguar-Fahrzeugen ausweichen und sogar anhalten mussten. Unverhofft lag der Envision-Pilot plötzlich auf einem Podestplatz und ging sogar an seinem Teamkollegen Buemi vorbei, als dieser den Attack-Mode aktivierte.

Ein Unfall von McLaren-Pilot Jake Hughes löste eine Safety-Car-Phase aus, die das Feld noch einmal eng zusammenschob. Bei der Rennfreigabe fünf Runden vor dem Ziel hatte Cassidy einen Energievorteil von rund vier Prozent gegenüber dem Führenden, Jean-Eric Vergne.

Cassidy feiert 1. Gen3-Podium: "Unser Paket ist ziemlich stark"

Es gelang ihm jedoch nicht, aus der größeren Energiemenge in seiner Batterie noch Kapital zu schlagen: Vergne verteidigte sich auf der langen Geraden mit allen Mitteln, und auf den engeren Streckenabschnitten konnte Cassidy seinen Vorteil nicht für einen Angriff nutzen. Während Vergne die Ziellinie mit der letzten verfügbaren Energie in seiner Batterie so gerade eben erreichte, hatte Cassidy noch rund drei Prozent im Akku.

"Ich hatte ein wirklich gutes Auto heute", freut sich Cassidy nach dem Rennen. "Vielen Dank an meine Jungs. Ich denke, in den Rennen sind wir dieses Jahr ziemlich gut. Aber ich fühle sehr mit Mitch und Jaguar. Sie sind großartige Partner und gut in die Saison gestartet. Ich glaube, unser Paket ist ziemlich stark, und es tut mir sehr leid zu sehen, wie das Rennen für sie verlaufen ist."

"Wir sind im Rennen gut, und im Qualifying auch", so der "Kiwi" weiter, obwohl er immer noch auf seinen ersten Einzug in die Duellphase wartet. "In Mexiko, Diriyya und auch hier lagen nur 0,2 Sekunden zwischen Platz 1 und mir auf Platz 5. Es ist also kein großer Rückstand, wenn man statt von der Pole von Platz 10 startet. Unser Tag wird noch kommen." Bereits in zwei Wochen könnte es soweit sein: Am 25. Februar findet das nächste Saisonrennen statt. Dann wird die Formel-E-Weltmeisterschaft ihre Runden zum ersten Mal in Kapstadt drehen.

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