Formel E

Der Evans-Clan - eine Motorsport-Dynastie aus Neuseeland

Svenja König

Svenja König

Schumacher, Fittipaldi, Senna, Villeneuve, Prost, Rosberg… Die Liste solcher Familien, die den Motorsport zu dem gemacht haben, was er heute ist, könnte man lang fortsetzen. In den letzten vier Jahren sind einige dieser Namen mit der Formel E in Berührung gekommen und haben auch sie auf ihre ganz eigene Art geprägt. In diesem Artikel möchten wir eine spezielle Familie genauer vorstellen, der weltweit vergleichsweise wenig Berühmtheit zugesprochen wird. In Neuseeland steht ihr Name dennoch für Motorsport-Geschichte, wie man sie nicht besser hätte schreiben können. Es geht um die Familie Evans.

Auch der Evans-Clan kam bereits mehrfach mit der Formel E in Berührung. Mitch Evans stieg 2016 gemeinsam mit Jaguar in die Elektroserie ein. Der britische Hersteller feierte damit sein Comeback im Motorsport. Für den jungen Neuseeländer bedeutete dies jedoch, seinen Traum vom Formel-1-Cockpit aufgeben zu müssen und in einer neuen Form des Motorsports Fuß zu fassen.

"Vor ein paar Jahren war es mein größter Traum, in der Formel 1 zu fahren, doch die Welt verändert sich", sagte der "Kiwi" nach seiner ersten Saison mit Jaguar bei 'newshub.co.nz'. "Außerdem wollte ich mich immer gegen Fahrer mit einem Profil im Motorsport beweisen und ich denke, wenn man nur das Talent beachtet, ist die Formel E die wettbewerbsstärkste Serie der Welt."

Evans' Fokus lag seit jeher auf dem Formelsport. So ging er bereits vor seinem Wechsel in die Elektroserie in vielen Formel-Nachwuchsserien an den Start, beispielsweise in der GP3 und der GP2. Ganz im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Simon, der sich schon früh für den Tourenwagensport entschied - und Erfolge feiern konnte: In den vergangenen zwei Jahren wurde er Meister der NZ Touring Cars Class One und zuvor Meister der BNT NZ Super Tourers (2015).

Nun macht auch Simon Evans - genau wie sein jüngerer Bruder - den Schritt in den elektrischen Motorsport. Ab Dezember wird er im Rahmenprogramm der Formel E, der Jaguar I-Pace eTrophy, an den Start gehen.

Geschwindigkeit in den Genen

Beiden wurde der Motorsport durch Vater Owen Evans in die Wiege gelegt, der in den 1990-ern und frühen 2000-ern selbst als Rennfahrer für Porsche tätig war. Er fuhr unter anderem Langstreckenrennen wie das Wellington 500, in der New Zealand Super GT Championship oder dem deutschen Porsche Carrera Cup.

1996 qualifizierte sich Owen Evans für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans, welches er jedoch kurzfristig absagen musste. Stattdessen reiste er zurück nach Neuseeland, um den neuseeländischen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen - gleichzeitig ein Geschwindigkeitsrekord für Porsche. Zunächst lief alles tadellos, und er erhöhte den neuseeländischen Geschwindigkeitsrekord auf 348 km/h. Beim Versuch, den zweiten Rekord aufzustellen, kam Evans nur knapp mit dem Leben davon.

"Ich konnte ein Geräusch am Hinterrad hören und dachte, es wäre der Turbolader, der explodiert. Also habe ich meine Hände vom Lenkrad genommen, um mehr Benzin einspritzen zu können. Aber die Geräusche wurden nur lauter. Also dachte ich, ich breche den Versuch ab, falls der Motor kaputt ist. Ich bin vom Gaspedal gegangen, um anzuhalten und bang…", beschreibt Evans die Situation gegenüber dem 'New Zealand Herald'.

Es waren weder der Turbolader noch der Motor, die das Geräusch verursacht hatten. Tatsächlich explodierte einer der Hinterreifen, was dazu führte, dass das Auto nach rechts abdriftete und sich mehrfach überschlug.

"Ich dachte wirklich, ich wäre im Himmel. Der Mann da oben sagte zu mir, ich hätte zu viele Schulden und solle zurückgehen, um noch ein paar Rechnungen zu bezahlen. So einen Unfall hätte niemand überleben sollen", beschreibt Evans.

Er überlebte den Unfall mit zahlreichen Verletzungen, unter anderem einer Sternfraktur am Schädel und einem Lungenzusammenbruch. Noch am Unfallort warnte ihn der zuständige Arzt, dass er wohl den linken Arm verlieren würde. Evans - in Lebensgefahr schwebend - antwortete, er bräuchte unbedingt beide Arme. Einen, um das Lenkrad zu halten und den anderen, um zu schalten. Insgesamt verbrachte er zwei Monate im Krankenhaus, zwei Wochen davon blind. Es vergingen Jahre, bis er wie durch ein Wunder vollständig genesen war.

"Es juckt mir im Fuß, den Rekord zurückzuholen"

Evans kam bereits zwei Jahre nach seinem Unfall zurück in den Motorsport und beendete seine Fahrerkarriere 2005. Seitdem ist er Teamchef und Inhaber des SMEG Racing Teams, welches als Kundenteam von Audi in der New Zealand Endurance Championship und der NZ Touring Cars Class One an den Start geht. Stammfahrer und Meister ist Sohn Simon Evans. Zusätzlich leitet Owen gemeinsam mit Frau Tracee ein sehr erfolgreiches Auto-Lackiererei-Unternehmen in Auckland.

Sein nationaler Geschwindigkeitsrekord von 351 km/h wurde erst 2012 vom Aucklander Eddie Freeman gebrochen. Freeman erreichte 355 km/h. Nur Stunden später verkündete Evans, dass es ihm trotz des dramatischen Unfalls "im Fuß jucken würde, den Rekord zurückzuholen".

"Es gibt nur eine Hürde - meine Frau", sagt Evans weiter. "Ich bin mir sicher, die Jungs ständen hinter mir, aber sie musste eine Menge durchstehen, als der Unfall passierte. Aber ich bin definitiv motiviert, es zu versuchen."

"Wir sind alle schlechte Beifahrer"

Die Evans-Familie vereint momentan drei Rennfahrer und eine Auto-Lackiererei. Es liegt daher nur auf der Hand, dass Autos ein wichtiger Bestandteil des gemeinsamen Lebens sind. Simon Evans verriet uns im Exklusiv-Interview Anfang November bereits, dass sich Mitch an gemeinsamen Rennwochenenden wohl "selbst als mein Fahrlehrer einstellen wird, ob mir das gefällt oder nicht".

Was allen drei Rennfahrern der Familie nicht gefällt: auf dem Beifahrersitz sitzen. Das verrät Mitch Evans gegenüber 'newshub.co.nz' mit einem Schmunzeln: "Deshalb fahren wir alle mit unserem eigenen Auto in den Familienurlaub. Wir sind alle schreckliche Beifahrer, aber mein Vater ist am schlimmsten. Er vertraut keinem von uns am Steuer, er muss selbst fahren."

Ein Name, der für vieles steht

Evans - ein Nachname, der in der englischsprachigen Welt so häufig verbreitet ist wie ein Müller oder Meier in Deutschland. Er steht allerdings nicht nur für Motorsport-Geschichte, sondern auch für neuseeländische Kultur und Tradition, wie sie heute schon fast vergessen ist. Tracee Evans' Urgroßmutter war Prinzessin der Maoris, den Ureinwohnern Neuseelands. Ihre Großmutter wuchs mit 16 Geschwistern auf, der Stammbaum der Familie erreicht damit eine beachtliche Größe. So entstanden beispielsweise eine Verwandtschaft zu Rugby-Spieler Stacey Jones.

Die Evans-Familie steht also für Extravaganz, das Streben nach Innovation und neuen Herausforderungen. Für Wagemut, Geschwindigkeit und eine ordentliche Portion Verrücktheit. Wir sind gespannt, was die nächste Generation mit sich bringt.

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