Formel E

Der große e-Formel.de Saisonrückblick 2017/18 - Teil 4/4

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Die vierte Formel-E-Saison ist im Juli in New York zu Ende gegangen. Wir haben zwölf spannende und teils dramatische Rennen gesehen. Zwölf verschiedene Fahrer von neun verschiedenen Teams haben es bei mindestens einem Rennen auf das Siegerpodest geschafft. Mit Jean-Eric Vergne kürte sich der vierte Fahrer in vier Jahren zum Champion. Bei den Teams ging die Trophäe erstmals nicht an Renault e.dams, sondern an Audi Sport ABT Schaeffler. e-Formel.de liefert dir die besten Stories der Saison in einem vierteiligen Saisonrückblick. Nachdem wir in den letzten Tagen bereits auf die ersten neun Rennen zurückgeschaut haben, fassen wir euch heute die spannende Endphase der Saison noch einmal zusammen.

Rennen 10: Zürich

ABT-Technologiepartner Schaeffler stellt einen umgebauten Audi A3 mit vier Formel-E-Motoren und einer Gesamtleistung von 880 kW vor, Felipe Massa fährt seine ersten Kilometer im Venturi-Boliden, und es gibt neue Vorwürfe gegen Montreals Ex-Bürgermeister. Der Welt-Motorsportrat der FIA beschließt Rennkalender und Sportliches Reglement für die fünfte Formel-E-Saison, während sich die Schweiz auf das erste Rundstreckenrennen seit 1954 vorbereitet. Leider wird die Live-Übertragung dem Großteil der deutschen Fans vorenthalten: Eurosport überträgt das Qualifying gar nicht und das Rennen nur auf dem Pay-TV-Kanal Eurosport 2.

Überraschung im Qualifying: Mitch Evans holt die erste Pole-Position für Jaguar Racing vor Andre Lotterer, Sam Bird und den beiden Dragon-Piloten. Dabei sollte Jerome d'Ambrosio wohl bereits vor dem Berlin-Rennen durch Nachwuchsfahrer Maximilian Günther ersetzt werden. Meisterschaftsfavorit Vergne, der mit einem guten Ergebnis bei gleichzeitig schlechtem Abschneiden von Bird bereits heute den Titel feiern könnte, landet nur auf Platz 17.

Das Auf und Ab für Daniel Abt in dieser Saison geht weiter: Bereits nach wenigen Kurven verliert er seinen Heckflügel, da Nelson Piquet jr. beim Anbremsen in der Schikane, sagen wir einmal, sehr optimistisch hinter dem Deutschen war. Di Grassi arbeitet sich Platz um Platz nach vorne und übernimmt in Runde 16 die Führung von Evans, während auch Vergne eine große Aufholjagd startet. Der Franzose liegt bereits auf dem siebten Platz, als es zu einer Full-Course-Yellow kommt, weil Rosenqvist nach einem Kontakt mit der TecPro-Barriere seinen Frontflügel auf der Strecke verloren hat. Alle Fahrer wechseln das Auto, was bei Vergne jedoch nicht problemlos vonstatten geht: Der Franzose fällt auf Platz 9 zurück, da sich sein Techeetah beim ersten Versuch nicht starten lässt. Es sollte aber noch schlimmer für Vergne kommen…

Die Rennkommissare sprechen fünf Durchfahrtstrafen wegen Verstößen gegen das Tempolimit bei der Full-Course-Yellow aus. Betroffen sind Evans, Lopez, Lotterer, Buemi - und Vergne! Der ehrgeizige Franzose fällt auf Platz 12 zurück und spart nach dem Rennen nicht mit Kritik und sogar Manipulationsvorwürfen gegen die Rennkommissare, da durch die Strafen der einzig verbliebene Rivale um den Titel, Sam Bird, auf den zweiten Platz vorgespült wird. Di Grassi gewinnt das Rennen souverän, der dritte Platz geht sensationell an d'Ambrosio.

Rennen 11: New York City (Samstag)

Nico Prost wird nicht für Nissan in der Formel E fahren - nach vier Jahren verlässt der Franzose nach einer äußerst glücklosen Saison das Team. Jaguar hingegen bestätigt beide Piloten für die kommende Saison. Weitere Neuigkeiten gibt es bei Venturi: Susie Wolff steigt als Teilhaberin ein und übernimmt mit sofortiger Wirkung den Posten der Teamchefin. Die FIA schließt mit dem E-Prix im chinesischen Sanya die vorletzte Lücke im offiziellen Rennkalender und veröffentlicht das neue Sportliche Reglement. Tom Dillmann ersetzt ein weiteres Mal den bei der DTM weilenden Edo Mortara.

Bird äußert seinen Frust vor dem Rennen bereits lautstark: Das geänderte Streckenlayout und die deutlich vergrößerte Renndistanz machen dem Doppelsieger des Vorjahres das Leben extrem schwer, denn sein DS Virgin zählt zu den weniger effizienten Fahrzeugen im Feld. Maßgeblichen Anteil hieran hat der schwere Antriebsstrang, der dafür sorgt, dass Birds Wagen 13 Kilogramm über dem Gewichtslimit liegt - während die Konkurrenz sogar mit Ballastgewichten arbeiten und so die Gewichtsverteilung optimieren kann. Der angekündigte ZDF-Livestream des Rennens wird wegen der Wimbledon-Berichterstattung nach dem Sieg von Angelique Kerber kurzfristig angesagt - Kommentator Aris Donzelli kann sich nicht zweiteilen…

Schrecksekunde für Oliver Turvey im Freien Training: Der Brite bricht sich die Hand, als er die Kontrolle über seinen NIO verliert und gegen die Streckenbegrenzung prallt. Es gehen also nur 19 Fahrer an den Start. Überraschenderweise stehen die beiden Techeetahs ganz hinten: Ein fehlerhaftes Softwareupdate von Renault hatte dafür gesorgt, dass der Antrieb im Qualifying mehr als die maximal erlaubten 200 kW Leistung abgriff. Die Pole-Position geht an Sebastien Buemi vor Evans und dem nun auf Cockpit-Suche befindlichen Prost. Bird, der unbedingt ein gutes Resultat braucht, um den Kampf um den Titel noch offen zu halten, startet nur von Platz 14.

Bereits beim Start lösen sich die Hoffnungen von Evans auf den ersten Jaguar-Sieg in der Formel-E-Geschichte in Wohlgefallen auf, da beim Losfahren eine Antriebswelle bricht und den "Kiwi" zur Aufgabe zwingt. D'Ambrosio kann nur knapp Ausweichen und so eine Kollision verhindern, zu der es dann wenige Meter später kommt: Ausgerechnet sein Teamkollege Lopez steht ihm in der ersten Kurve im Weg - erneut gibt es keine Punkte für Dragon trotz sehr überzeugender Leistungen beider Fahrer im Qualifying. An der Spitze ein Bild, das es so sehr lange nicht mehr gegeben hat: Doppelführung für Renault e.dams. Allerdings nur eine halbe Runde, dann geht Abt mit einem aggressiven Manöver an Prost vorbei. Fünf Runden später überholt er auch Buemi an derselben Stelle. Prost muss derweil auch Piquet und den Überraschungsmann des Tages, Tom Dillmann, passieren lassen. Auch di Grassi, Bird und beide Techeetah-Piloten machen einige Positionen gut.

Am Ende des ersten Renndrittels dann die Vorentscheidung im Kampf um den Fahrertitel: Bird ist chancenlos gegen die beiden herannahenden Techeetah-Piloten, die kurz nacheinander am Briten vorbeigehen. Di Grassi hat derweil Dillmann hinter sich gelassen und geht locker an Buemi vorbei - Doppelführung für Audi. Die Fahrzeugwechsel verlaufen bei den meisten Fahrern ohne nennenswerte Vorkommnisse, nicht jedoch bei Mahindra. Felix Rosenqvist muss in der Boxengasse anhalten, weil das Team just in diesem Augenblick Nick Heidfeld aus der Box schickt. Die Rennkommissare belassen es bei einer Geldstrafe für das Team.

Nach den Boxenstopps ist di Grassi deutlich näher an Abt herangekommen und geht in Runde 24 vorbei. Abt ist stinksauer, hat er doch die Anweisung Code 100 als "Positionen halten" interpretiert. Di Grassi hingegen sieht darin die Aufforderung, keine Energie zu verschwenden, indem man eine Lücke zu den Verfolgern herausfährt. Weiter hinten gibt es ebenfalls einen Platzwechsel bei den Techeetah-Piloten - dieser jedoch ohne einen echten Positionskampf. Der fünfte Platz reicht Vergne zum Gewinn des Meistertitels, da Bird nur Neunter wird. Wenige Runden vor dem Ende gibt es die letzte Safety-Car-Phase der Saison: Alex Lynns Bolide steht vollkommen zerstört auf der Strecke, der junge Brite hat "den Koffer mal so richtig eingeplankt", wie es Eurosport-Co-Kommentator Patrick Simon ausdrückt. Die Aufräumarbeiten ziehen sich lange hin, weshalb das Rennen erstmals nicht über die volle Distanz geht, sondern nach 60 Minuten die letzte Runde gefahren wird.

In den verbliebenen Runden muss kein Fahrer mehr Energie sparen - alles auf Angriff. Di Grassi gewinnt vor Abt und Buemi, dahinter Dillmann und Vergne, der somit neuer Formel-E-Champion wird. Audi ist trotz eines desaströsen Saisonstarts Techeetah in der Teamwertung ganz eng auf den Fersen - hier ist noch Spannung für das letzte Saisonrennen garantiert.

Rennen 12: New York City (Sonntag)

NIO-Ersatzfahrer Ma vervollständigt wegen Turveys Verletzung das Fahrerfeld, damit stehen beim letzten Rennen der Saison wieder 20 Fahrzeuge am Start. Buemi beweist im Regen von New York erneut seine gute Form und sichert sich auch am Sonntag die Pole-Position. Er ist damit neben Vergne und Rosenqvist der dritte Fahrer, dem dies in dieser Saison zum dritten Mal gelingt. Dahinter starten beide Techeetah- und beide Audi-Fahrer, die in der Super-Pole nicht fehlerfrei blieben.

Die Strecke ist zum Rennstart zwar weitestgehend abgetrocknet, die Ampeln sind aber noch nicht erloschen, als Lotterer und Vergne bereits losfahren. Lotterer begeht dabei klar und deutlich erkennbar einen Frühstart, Vergne reagiert wohl auf den losfahrenden Teamkollegen und beschleunigt Sekundenbruchteile, bevor das rote Licht ausgeht. Vergne schiebt sich so noch vor der ersten Kurve an Buemi vorbei, der Lotterer so gerade eben noch hinter sich halten kann. Die Rennkommissare entscheiden bemerkenswerterweise, lediglich Lotterer mit einer Durchfahrtsstrafe zu belegen. So bleibt der Kampf um die Teammeisterschaft weiter offen.

Im hinteren Teil des Feldes kollidieren Antonio Felix da Costa und Luca Filippi - der Italiener erleidet einen Aufhängungsbruch und schleudert quer über die Strecke, genau vor den herannahenden d'Ambrosio. Es folgt die letzte Full-Course-Yellow der Saison. Nach der erneuten Freigabe des Rennens schieben sich di Grassi und Abt nacheinander an Buemi vorbei. Da Lotterer gleichzeitig seine Durchfahrtsstrafe antritt, übernehmen die Ingolstädter die Führung in der Hochrechnung der Teammeisterschaft.

Nach dem Fahrzeugwechsel nutzt Buemi seinen FANBOOST, um Abt zu überholen. Die Reihenfolge ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn bereits eine Runde später verliert der Schweizer die Position nach einem Fahrfehler wieder. An der Spitze wiederholt sich der Kampf von Punta del Este: Der schnellere di Grassi kommt nicht an Vergne vorbei, der alle Register zieht, um sich gegen die Angriffe zu verteidigen. Lotterer schafft es derweil nach einer überzeugenden Aufholjagd wieder in die Top 10, es reicht letztendlich jedoch nicht, Audi noch einzuholen. In Ingolstadt wird der Titel gefeiert.

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