Formel E

DER LETZTE TANZ: Wie wird die Formel E ohne Audi und BMW? (3/3)

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Diriyah-di-Grassi-Dennis

Die letzte Station der Abschiedstournee von Audi und BMW rückt immer näher. Beim Berlin E-Prix am kommenden Wochenende verabschieden sich zwei Hersteller, die in den letzten Jahren das Bild der Elektrorennserie prägten, werksseitig aus der Formel E. Für die Kategorie ist dies ein herber, aber verkraftbarer Verlust, argumentiert Tobias Bluhm.

Machen wir uns nichts vor: In der schnelllebigen Welt des Motorsports waren die Ausstiege von Audi und BMW ohnehin nur eine Frage der Zeit. Für große Automobilhersteller, die sich im Rennsport engagieren, ist es nicht unüblich, jedes Projekt zunächst nur für eine Laufzeit von drei Jahren anzusetzen. Abdankende Konstrukteure erlebten in der Vergangenheit viele andere Rennkategorien, in den letzten Jahren beispielsweise die DTM oder WEC.

Dass Audi und BMW der Formel E in Berlin den Rücken kehren, war also durchaus erwartbar. Wenngleich auch ich überrascht davon war, wie "früh" sie den Schlussstrich ziehen.

Über den Grund der Ausstiege wurde in den vergangenen Monaten häufig spekuliert, die Argumente umkreisen jedoch letztlich zwei zentralen Thesen. Diese sind erstens: Die Formel E konnte ihr starkes Wachstum aus den ersten Jahren nicht aufrechterhalten.

Jüngst veröffentlichte TV-Zahlen, laut denen die Serie international nur "auf Kurs" für ähnliche Einschaltquoten wie in den Jahren 2016 oder 2017 ist, oder der für viele Fans hilflos anmutende Versuch der "Positively Charged"-Kampagne für soziale Themen bekräftigen diesen Eindruck. Die Frage, ob die Entwicklungsrichtung der Formel E mit den eigenen Vorstellungen eines Werksprogramms vereint werden kann, stellen sich alle Hersteller. Audi und BMW haben ihre Antworten gefunden.

Zweitens sind aber auch die technologischen Beschränkungen in der Elektrorennserie - aus Sicht der großen Motorenkonstrukteure - zu strikt. Durch den Elektro-Boom in der Automobilindustrie war es nicht nur Audi und BMW seit langer Zeit ein Anliegen, im harten Wettbewerbsumfeld des Motorsports endlich mit der Entwicklung jenes Bauteils zu beginnen, mit dem sie sich am meisten von ihren Marktkonkurrenten abheben können: die Fahrzeugbatterie.

Die Formel E erlaubt bislang lediglich die Konstruktion eigener Motoren, Inverter, Getriebe und Hinterradaufhängungen. Das liegt weniger daran, dass sie große Konstrukteure ausbremsen will, sondern vor allem an den enormen Kosten, die mit der Entwicklungsfreigabe von Akkumulatoren einhergehen würden.

Das Budget von Herstellern wie Mercedes, Audi oder BMW ist auch bei den aktuellen Bedingungen deutlich höher als jenes von Privatteams wie Virgin oder gar Dragon. Würde die Formel E die Batterieentwicklung erlauben, bedeutete dies eine weitere Kostensteigerung à la Formel 1 und somit das unweigerliche Aus für die kleineren Teams.

Trotz wiederholter Forderungen in der Technischen Arbeitsgruppe lenkten die FIA und FEO in dieser Frage bis zuletzt nicht ein, sondern beschlossen im letzten Jahr sogar noch strengere Vorgaben: Für die Jahre 2021 und 2022 dürfen die Konstrukteure nun nicht einmal mehr zwei Antriebe entwickeln, sondern müssen auf ein Motorenpaket setzen. "Vorsprung durch Technik", so Audis Erwartungshaltung (und in diesem Fall ausnahmsweise auch die von BMW), sieht aus Herstellersicht anders aus. Auch wenn es kostengünstiger ist.

Was auch immer der genaue Grund für die Ausstiege ist: Für die Elektrorennserie ist der Verlust von zwei "tragenden Säulen" ein herber Verlust. In ihrem öffentlich abrufbaren, jährlichen Finanzbericht verweist die Formel E seit geraumer Zeit explizit darauf, dass der Absprung von Herstellern eine ernstzunehmende Gefahr sei.

In den vergangenen Jahren brachten Audi und BMW der Formel E nicht nur Prestige und neue Fans ein, sondern verbesserten auch die Verhandlungsposition mit potenziellen Investoren. Schon jetzt sind die Folgen der Ausstiege spürbar, denn statt sich trotz einer zuvor gekauften Einstiegsoption hinter die Formel E zu stellen, wird McLaren zunächst nur in der Extreme E das Fahrwasser im E-Motorsport testen.

Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass die Elektrorennserie die Ausstiege verkraften kann und wird. Nach wie vor sind mit Nissan, Jaguar, DS, Porsche, Mercedes - wenngleich auch die Zukunft der "Silberpfeile" ungewiss ist - und Co. mehr internationale Automobilhersteller in der Formel E als in allen anderen FIA-Weltmeisterschaften organisiert.

Hinzu kommen Zulieferer wie ZF Friedrichshafen und Bosch, die ab dem nächsten Jahr die Antriebe für Dragon bauen wollen.

Die Formel E ist nicht auf Audi und BMW angewiesen, das war sie noch nie. Schade sind die Ausstiege vor allem aus sportlicher Sicht, denn in den vergangenen Jahren bescherten beide Werksteams ihren Fans einige unvergessliche Momente. Daniel Abts "Grand Slam" in Berlin, die Marrakesch-Kollision von Alexander Sims und Antonio Felix da Costa, oder Lucas di Grassis Sensationssieg in Mexiko 2019 sind nur einige Beispiele.

Für die Elektrorennserie zählt jedoch nicht die Anzahl ihrer Hersteller, sondern die Robustheit des Gesamtprodukts.

Dieses zeichnet sich - mal mehr, mal weniger ausgeprägt - durch ausgeglichene Rennen, unvorhersehbare Momente im Meisterschaftskampf, menschliche Geschichten, eine zukunftsfähige Botschaft und einen gewissen Grad technologischer Innovation aus. Daran ändert auch der Ausstieg von Audi und BMW nichts.

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