Formel E

DS-Performance-Direktor Mestelan-Pinon im Interview: "Ich bin hier, um zu gewinnen!"

Timo Pape

Timo Pape

Im Rahmen einer Fahrveranstaltung zum neuen DS3 Crossback E-Tense von DS Automobiles nahe Paris hatte 'e-Formel.de' die Möglichkeit, ausgiebig mit Xavier Mestelan-Pinon zu sprechen. Der Direktor der Motorsport-Abteilung DS Performance - und damit des Formel-E-Programms der Franzosen - spricht über den Weg seiner Marke zum Titelgewinn 2019, die Bedeutung des Technologie-Transfers für die DS-Serienentwicklung und seine neue Fahrerpaarung in Saison 6, die gewissen Zündstoff mit sich bringen könnte…

Monsieur Mestelan-Pinon, DS Automobiles blickt nach seinen ersten Jahren in der Formel E bereits auf eine erfolgreiche Motorsport-Historie zurück. Wie haben Sie diesen Weg - zunächst mit Virgin, dann mit Techeetah - erlebt?

Unser Ziel war von Anfang an, um beide Titel zu kämpfen. Dazu mussten wir erst mal in die Lage kommen, Rennen zu gewinnen. Dafür mussten wir ein starkes Team aufbauen, inklusive der besten Fahrer.

Den Meistertitel sollte DS später zusammen mit Techeetah gewinnen. Während Ihrer ersten drei Jahre in der Formel E hieß der Partner jedoch noch anders…

Wir haben mit Virgin begonnen, aber nach ein paar Monaten habe ich festgestellt, dass die Situation nicht optimal war, um unsere Ziele zu erreichen. Wir waren bei Virgin zwar von Anfang an (ab Saison 2) für die Entwicklung und Produktion des Antriebs verantwortlich. Im ersten Jahr hatte Virgin das Design allerdings schon entwickelt. Sie hatten die Entscheidungen für den Motor und so weiter getroffen. Wir haben den Motor also für unser Getriebe angepasst. Das war natürlich nicht perfekt.

Deshalb hat DS zur dritten Saison die Hersteller-Lizenz von Virgin abgekauft, bevor Sie die Briten ein weiteres Jahr später für Techeetah verlassen sollten.

Genau. Seit unserer zweiten Formel-E-Saison (Ende 2016) sind wir Besitzer der offiziellen FIA-Lizenz, um alles selbst herzustellen. Das betrifft jeden Bereich der Entwicklung. Zum Start war es nichtsdestotrotz gut, DS Automobiles mit der starken Marke Virgin zu verbinden. So konnten wir Awareness für unsere Marke schaffen. Aber wir wollten mehr.

Was bedeutet das genau?

Wir wollten ein Team - damals mit Virgin waren es zwei. Eines in Frankreich für die Entwicklung und eines in England für das Renngeschehen. Das ist nicht optimal mit Blick auf die Effizienz. Heute haben wir alle unter einem Dach. Alles passiert in Sartory bei DS Performance. Wenn wir nun eine Idee haben, können wir sie viel schneller umsetzen. Das war ein wichtiger Schritt.

Es ging also vornehmlich um kürzere Wege?

Wir brauchten auch die richtigen Personen auf den richtigen Positionen. Wir haben recht schnell festgestellt, dass das bei Virgin ganz klar nicht der Fall war. Bei Techeetah hatte ich (ab Saison 4) die Möglichkeit, ein aus meiner Sicht wirklich gutes Team aufzubauen. Bei Virgin konnte ich das nicht wegen unserer Verträge. Auch wenn wir sechs Siege zusammen einfahren konnten - das waren gute Ergebnisse für den Anfang - war das nicht gut genug. Ich bin hier, um zu gewinnen!

Die Allianz mit dem chinesischen Team Techeetah trägt Früchte, obwohl DS "nur" die Hersteller-Lizenz besitzt, nicht die des Teams.

Techeetah hat die Lizenz bei der Formel E, also mit dem Promoter. Sie dürfen das Auto im Rennen einsetzen. Trotzdem sind auch viele unserer Ingenieure beim Rennen involviert. Das ist ein guter Mix.

Techeetah sitzt in China, zudem haben Sie Mitarbeiter mit Wohnsitz in Großbritannien im Team, wie zum Beispiel Teamchef Mark Preston. Welcher Einfluss kommt aus diesen beiden Richtungen?

Unsere Zentrale und auch die Werkstatt sind in Frankreich. In Großbritannien haben wir nur ein kleines Büro, aber meistens kommen sie auch nach Frankreich rüber, wenn wir zusammen an etwas arbeiten. Das sind dann Mark (Preston) und die ganze Marketing-Abteilung von DS Techeetah. In China geht es ebenfalls vornehmlich um die Vermarktung. Wir haben kleinere Büros in Shanghai, die aber alle zur SECA-Gruppe gehören, der das Team ja gehört.

Andre Lotterer hat eine starke Saison gezeigt, ist dann aber zu Porsche abgewandert. Wirft Sie das zurück?

Um ehrlich zu sein, war das eine ziemliche Enttäuschung, denn jeder hat gern mit Andre zusammengearbeitet. Er ist ein großartiger Fahrer. Wir mussten also eine Alternative finden und haben sie mit Antonio (Felix da Costa) gefunden. Wir haben nach jemandem gesucht, der bereits Rennen gewonnen hat, das war uns wichtig. So viele gibt es da ja per se schon nicht.

Warum fiel die Wahl noch auf Felix da Costa?

Antonio ist einer der schnellsten Fahrer im Qualifying. Es ist in der Formel E wichtig, weit vorn zu starten. Wie gut er sich im Rennen schlägt, werden wir sehen. Jean-Eric (Vergne) weiß natürlich besser als Antonio, wie er unser Auto zu managen hat, denn es ist anders als der BMW, den Antonio bisher gefahren ist. Er wird also einiges lernen und sich anpassen müssen. Dabei geht es vor allem um das Energiemanagement.

In Valencia und auch in Diriyya hat er schon mal einen guten Eindruck hinterlassen…

Es ist unfassbar schnell. Sowohl im Simulator als auch auf der Strecke. Er hat zudem sehr viel Erfahrung und gibt gutes Feedback. Er ist einfach sehr professionell. Wir werden sicher einen Schritt nach vorn machen durch ihn. Im Quali-Modus war er mehrfach sogar schneller als Jev, aber ich weiß auch, dass Jev (in Valencia) keine Risiken eingegangen ist.

Kann Antonio Jev über die Saison hinweg schlagen?

Ja, natürlich. Wenn es so kommt, wird es für uns natürlich schwieriger, das zu managen. Aber es wäre ein Luxusproblem für uns, wenn wir zwei Fahrer haben, die um Siege kämpfen. Wenn wir mit zwei Autos vor den anderen sind, gefällt mir das. Wenn du nur einen Siegfahrer hast, ist es schwieriger.

Jev ist bekanntermaßen Anteilseigner des Teams. Gibt es eine entsprechende Teamorder?

Nein, überhaupt nicht. Jev ist nicht die Nummer 1 im Team. Er ist einer unserer Fahrer, das ist ganz klar. Wenn dann nach zehn, elf Rennen einer der Jungs vorn liegt, müssen wir das im Sinne der Meisterschaft managen. Aktuell gibt es aber keine Teamorder oder ähnliches pro Jev - so haben wir es in der Vergangenheit ja auch gehandhabt. Ich bin der Meinung, es ist besser, zwei starke Fahrer auf Augenhöhe zu haben. Das ist zwar schwieriger zu managen, aber besser.

Was bedeutet die Formel E für DS?

Wir wollen dem Kunden da draußen zeigen, dass unsere Technologie wirklich stark ist. Wir können uns mit den ganz Großen messen, das ist schon cool. Wir sind eine sehr junge Marke, die jedes Jahr wächst. Aus unserer Sicht ist es wichtig, uns in dieser Serie zu engagieren, ohne jedoch zu viel Geld auszugeben. Wir sind hier, um Know-how aufzubauen, unsere Technologien zu entwickeln und unser Auto zu präsentieren. Wir müssen also immer evaluieren, ob das Geld, das wir in das Projekt stecken, auch zurückfließt. Das Schöne an der Formel E ist, dass wir auch in Zukunft um Siege kämpfen können, obwohl Giganten wie Mercedes, Porsche oder Audi dabei sind.

Welche positiven Effekte für DS konnten Sie bislang feststellen?

Die Aufmerksamkeit für die Marke DS wächst. Um den Motorsport als Plattform zu nutzen, muss zum einen die Serie gut sein, zum anderen musst du gute Resultate liefern. Nicht bei jedem Rennen, aber man sollte schon immer in der Lage sein, um Siege kämpfen zu können. Wir wollen ja zeigen, dass wir so gut wie die großen Hersteller sind. Trotzdem ist das alles ein fragiles Gebilde.

Klingt nach der perfekten Bühne für DS…

Heute ist die Formel E ganz klar "the place to be". Aber sollten Porsche und Mercedes in fünf Jahren mehrere Millionen ausgeben - vorausgesetzt, man würde das Reglement in diese Richtung öffnen - würde das die Serie töten. Heute möchte das Alejandro (Agag, Formel-E-Gründer) nicht. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass es so bleibt. Aber natürlich werden wir das im Blick behalten, das ist sehr wichtig. Wir würden nie in der Formel E bleiben, wenn die Kosten massiv ansteigen, denn dann wäre der ROI (Return of Investment) nicht zu rechtfertigen. Motorsport ist wichtig, aber es gibt auch noch andere Bereiche.

Wie wichtig ist für Sie der Technologie-Transfer zwischen Formel E und Serienentwicklung?

Wir müssen ja Entscheidungen für unser System treffen, etwa für den Motor. Da geht es um das richtige Drehmoment, die Umdrehungen pro Minuten und so weiter. Setzen wir auf ein Getriebe mit einem Gang oder mit zwei Gängen? Diese Dinge entwickeln wir zusammen (mit den Serien-Kollegen). Wir teilen alles. Das betrifft auch die Entwicklung neuer Teile. Bei manchen gibt es einen direkten Transfer, bei manchen weniger.

Sind Learnings aus der Formel E in die Entwicklung des DS3 Crossback E-Tense eingeflossen?

Ja, vor allem, wie wir Bremsenergie rekuperieren. Aber auch, wie groß der Motor sein sollte. Oder die Ratio zwischen Motor und Rädern. Ich habe nicht direkt am DS3 mitgearbeitet, aber doch den Motor mit definiert, denn er ist quasi der gleiche wie im Formel-E-Auto.

Würden Sie sich mehr Entwicklungsfreiheiten in der Formel E wünschen, zum Beispiel bei der Batterie?

Nein. Es ist wie in der Formel 1: Wenn wir eine freie Batterie-Entwicklung hätten, wäre es ein einziger Zell-Krieg. Die Zellen wären wichtiger als alles andere im Auto. Wenn ein Hersteller dann eine gute Zelle hat, wird er alle anderen zerstören. Dann sehen wir keine packenden Zweikämpfe mehr. Ich denke, es ist gut, wie es aktuell ist. Wir können den vollen Fokus auf den Antriebsstrang legen. Diese Technologie ist sehr nah an unserem DS3. Ein Motor, ein Getriebe - das war's. Das ist recht simpel, für mich aber genau richtig.

Klingt sinnvoll. Aber sehen das alle so?

In der Vergangenheit haben wir Technologien gesehen - etwa bei Nissan - die nicht günstig waren. Wenn wir in diese Richtung gingen, werden wir die Meisterschaft töten. Ich möchte meinen Kunden zeigen, dass das Formel-E-Auto nah an ihrem DS3 E-Tense dran ist. Eine Sache könnte in Zukunft interessant werden: die Rekuperation erhöhen, und zwar mit allen vier Rädern. Fast-Charging in Gen3 wird ein neues Schlüsselelement, aber das wird auch ziemlich teuer. Es ist gut zu zeigen, dass wir uns bei der Ladegeschwindigkeit verbessern, aber ich weiß nicht, ob Boxenstopps während des Rennens die richtige Entscheidung sind. Denn 30 Sekunden sind während eines Rennens eine lange Zeit. Aber das Wichtigste sind für mich die Kosten.

Fotos: DS Automobiles

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