"Emotional, mental & körperlich" - Audi-Teamchef McNish vor historischer Herausforderung
Timo Pape
Premiere im internationalen Motorsport: Innerhalb von nur neun Tagen trägt die Formel E ab dem 5. August ihre letzten sechs Saisonrennen aus und kürt schließlich am 13. August ihre Meister in der Fahrer- und Teamwertung. Audi Sport ABT Schaeffler fühlt sich gut vorbereitet auf Berlin-Tempelhof, doch Teamchef Allan McNish weiß, welche Herausforderung seine Mannschaft erwartet.
Seit dem ersten Formel-E-Rennen im September 2014 hat das deutsche Team ABT/Audi-Team schon viel erlebt. Doch sechs Rennen in neun Tagen am selben Ort – das hat es im internationalen Motorsport noch nie gegeben. Vom 5. bis 13. August wird dieser irrwitzige Plan, die Saison 2019/20 doch noch zu beenden, Realität: Mit drei "Double-Headern" beendet die Elektrorennserie ihr sechstes Jahr, das wegen der Pandemie nach dem fünften Saisonlauf Ende Februar in Marrakesch unterbrochen werden musste.
"Normalerweise haben wir sechs Rennen in vier Monaten – jetzt fahren wie sie in neun Tagen. Das bedeutet eine Menge emotionaler, mentaler und körperlicher Herausforderungen", sagt Teamchef McNish. "Es ist eine große Aufgabe, aber auch eine tolle Chance: Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Reihenfolge in der Meisterschaft am Ende ganz anders aussieht als jetzt. Dieses Sixpack in Berlin erinnert mich ein bisschen an den Neustart nach einer Gelbphase im letzten Rennen der Saison, wenn nur noch wenige Runden zu fahren sind."
In der Tabelle liegt sein Schützling Lucas di Grassi an fünfter Stelle und hat bei 29 Punkten Rückstand auf die Spitze durchaus noch Chancen auf seinen zweiten Meistertitel. An der Seite des Brasilianers gibt der zweimalige DTM-Champion Rene Rast sein Formel-E-Debüt für Audi. "Lucas liegt 29 Punkte zurück in der Fahrerwertung. Er liebt die Strecke und hat dort mit Audi in der Vergangenheit große Erfolge gefeiert", sagt McNish. "Das bedeutet nicht, dass es einfach so weitergeht. Aber man kommt natürlich mit einem ganz anderen Gefühl nach Berlin. Für Rene wird es natürlich eine schwierige Aufgabe. Wir werden alles tun, um ihn optimal zu unterstützen, damit er so schnell wie möglich ins Spiel kommt."
McNish lobt Hygiene-Konzept, doch "jeder von uns muss mehrere Aufgaben übernehmen"
Um die Formel E zurück auf die Strecke zu bringen, haben die Organisatoren ein knapp 80-seitiges Hygienekonzept ausgearbeitet, das mit den örtlichen Behörden abgestimmt ist und genaue Vorgaben zum Schutz der Gesundheit aller Akteure enthält. McNish lobt die Anstrengungen hinter den Kulissen: "Die Restriktionen wegen der Pandemie spielen eine große Rolle. Natürlich lässt sich die erforderliche Distanz in einem geordneten Büroalltag leichter gewährleisten als in einem Fahrerlager. Die Formel E hat einen tollen Job mit ihrem Hygienekonzept gemacht, das es uns ermöglicht, endlich wieder Rennen zu fahren."
Ein wesentlicher Punkt der Restriktionen: Es gilt ein Maximum von 1.000 Menschen auf dem Veranstaltungsgelände – normalerweise sind es fast fünfmal so viele. Das bedeutet: keine Zuschauer, aber auch keine Medien, keine VIP- und Sponsorengäste, weniger Personal bei Dienstleistern, Streckenbauern, Formel E und der FIA.
Auch die Teams sind betroffen. "Wir sind limitiert auf 19 Personen plus unsere beiden Fahrer", erklärt McNish. "Das bedeutet, dass jeder von uns mehrere Aufgaben übernehmen muss. Das gilt für unsere Ingenieure, die sich die Arbeit anders aufteilen, genauso wie für mich: Ich bin verantwortlich für PR und Marketing, unterstütze unseren Teammanager bei den FIA-Dokumenten und kümmere mich um einige weitere Dinge, die sonst von anderen Teammitgliedern erledigt werden."
Unterstützung für Werks- & Kundenteam aus Neuburg
Die Mannschaft in Tempelhof, wo die drei "Double-Header" jeweils auf einer anderen Streckenvariante ausgetragen werden, kann sich auf Unterstützung aus Neuburg verlassen, wo sich das Hauptquartier von Audi Sport befindet: Zusammen mit Audi-Motorsportchef Dieter Gass und Formel-E-Projektleiter Tristan Summerscale begleitet ein Ingenieursteam jeden Meter von di Grassi und Rast in Berlin.
"Unsere sogenannte Mission Control in Neuburg bekommt für Berlin eine noch größere Bedeutung als bei anderen Rennen", sagt McNish. "Die Ingenieure dort analysieren ganz genau alle Daten, die sie von der Strecke erhalten, und unterstützen bei allen Entscheidungen. Und das nicht nur für unser Werksteam, sondern auch für unser Kundenteam Envision Virgin Racing."
Teamwork ist in Berlin wichtiger denn je, glaubt McNish: "Die Schlüssel zum Erfolg sind eine bestmögliche Vorbereitung und volle Konzentration – egal, was passiert. Natürlich betrachten wir jedes Rennen einzeln, aber wir müssen auch den gesamten Zeitraum im Blick behalten: Wenn andere müde werden, mental oder körperlich, dann wollen wir umso stärker sein."
Foto: Audi Communications
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