Formel E

"Er ist doch auf Drogen!" - Nick Cassidy erklärt Teamfunk-Zoff in Berlin & Weg aus "Niemandsland" zum Titelanwärter

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Nick-Cassidy-Close-up-Envision-Berlin

86 Punkte in fünf Rennen, dazu die Feier seines zweiten Formel-E-Siegs und WM-Position 2: Nick Cassidy reitet in den vergangenen Wochen auf einer regelrechten Erfolgswelle. Damit es so gut läuft, erklärt der Neuseeländer, bedurfte es der Kombination mehrerer Faktoren. Den vermeintlichen Teamfunk-Streit mit Sebastien Buemi, der beim Berlin E-Prix zu wüten schien, tut er als ironische Anmerkungen ab.

Vielleicht liegt es an seiner Zurückhaltung gegenüber den Medien, durch die Nick Cassidy in der Formel-E-Saison 2023 noch kaum in Erscheinung getreten ist. Wenn der 28-Jährige mit seinem sympathischen neuseeländischen Akzent spricht, und das kam in TV-Interviews in den letzten Wochen häufiger vor, dann gehört er zu leisesten Piloten im Feld der Elektroserie. Freundlich, aber fast unverständlich und mit zitternder Stimme erklärt er dann, wieso es auf dem Kurs mal gut und mal schlecht läuft.

Cassidy lebt das von Rennfahrern ermüdend häufig genutzte Motto vor: "Ich lasse meine Leistungen auf der Strecke für mich sprechen." Und die liefert er in diesem Jahr. Vier der letzten fünf Rennen schloss er auf dem Podium ab, nach dem Sonntagsrennen in Berlin feierte er seinen ersten Sieg des Jahres ausgiebig mit seinem Team.

Cassidy nun Wehrlein-Jäger Nummer 1

"Eigentlich will ich nur Rennen fahren, da ist mir egal, was die Leute denken", sagt Cassidy, als 'e-Formel.de' ihn auf die bislang geringe Aufmerksamkeit für seine Ergebnisse anspricht. "Porsche hatte immer ein sehr gutes Paket, da ist es natürlich, dass alle nur über sie redeten. Aber es ist umso schöner, dass wir ihnen die Stirn bieten können."

Statistisch sei der Saisonstart 2023 zwar sein bislang erfolgreichster in der Formel E. "Letztes Jahr war ich mit meiner Pace teils im Niemandsland, teils lief es ähnlich gut wie diese Saison. Es gibt viele Faktoren, die so etwas beeinflussen. Ich bin der erste, der gesteht, dass Glück einer von ihnen ist. Doch ich bin auch schnell unterwegs und erfahrener denn je, habe ein gutes Paket und ein Team, das gut zusammenarbeitet. All diese Dinge fügten sich in den letzten fünf, sechs Rennen."

Teamfunk-Streit mit Buemi: "Wenn meine Mutter ein Mann wäre …"

Wie gut das Envision-Team harmoniert, stellte die Elektroserie auf ihren eigenen Social-Media-Kanälen jüngst in Frage. Dort war in einem Video ein Teamfunk-Mitschnitt zu hören, in dem Cassidy während des 3. Freien Trainings über seinen Teamkollegen Sebastien Buemi schimpft. "Oh, das war sehr nett von Seb. Was für ein großartiger Teamkollege", sagte Cassidy ironisch.

"Ah, was macht er da, ernsthaft?! Der Typ ist seit gestern wie auf Drogen. Er wird mir später im Debriefing sagen: 'Ah ja, ohne Stoffel wäre ich P1 gewesen, aber ich hatte Verkehr! Wenn meine Mutter ein Mann wäre', bla, bla, bla", imitierte er Buemi daraufhin mit einem französischen Akzent. Der Clip erzielte inzwischen rund 370.000 Aufrufe auf Twitter und ist somit der am häufigsten angesehene Formel-E-Videobeitrag des Berlin-Wochenendes.

In einer virtuellen Medienrunde, der in dieser Woche auch 'e-Formel.de' beiwohnte, beteuert Cassidy: "Die Hälfte davon sollte lustig und sarkastisch sein. Die Leute, die mich kennen, wissen das auch. Aber wenn man es aufschreibt und meine Persönlichkeit nicht kennt, dann wirkt das leider nicht so. Dafür muss ich mich entschuldigen. Auch wenn es in diesem Video anders rüberkam, verstehen wir uns sehr gut!"

Envision-Teamchef spielt Vorfall herunter

Für die Elektroserie sei der Clip "gut für Social Media" gewesen: "Das Video machte die Runden und sorgte für Aufmerksamkeit. Ich denke, das hilft dem Wachstum des Sports", sagt Cassidy. Envision-Teamchef Sylvain Filippi versuchte am Wochenende ebenfalls, den Vorfall herunterzuspielen. "Die Jungs kommen bestens miteinander klar, alles ist gut", sagte er in einem Interview für das englischsprachige TV-Weltsignal. "Wenn man ein Auto hat, mit dem man Rennen und Meisterschaften gewinnen kann, sind die Emotionen und der Druck größer. Das ist ganz normal."

"Meine Aufgabe ist es, diesen Frust etwas zu beruhigen und sicherzustellen, dass sich alle auf ihren Job fokussieren. Mit ist es aber lieber, dass wir (die Rivalität) und ein schnelles Auto haben als andersherum", so Filippi.

Cassidy mittendrin im Titelkampf: "Was uns fehlt, ist die Konstanz"

Hinter den Kulissen der Garage ist Cassidy also ganz offensichtlich doch nicht so zurückhaltend, wie er es mit Mikrofonen und Kameralinsen vor seinem Gesicht ist. Das ist angesichts seines nicht weniger temperamentvollen Teamkollegen Buemi oder des sich zuspitzenden Titelkampfes auch gut so: Nach Berlin liegt Cassidy nur noch vier Zähler hinter dem WM-Spitzenreiter Pascal Wehrlein (Porsche). Auch für Teamchef Filippi zählt bei seiner Fahrerpaarung vor allem: Das Tempo muss stimmen.

"Wir hatten ein paar gute Rennen, müssen aber immer noch Fehler ausbügeln", schwört Cassidy seinen Rennstall für das nächste Rennen in seiner Wahlheimat Monaco ein (6. Mai, live auf ProSieben). "Was uns zuletzt fehlte, ist die Konstanz. Daran arbeiten wir."

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