"Es war schwierig" - Stoffel Vandoorne erklärt Formel-E-Teamwechsel zu DS Penske
Timo Pape
Alles neu für den Weltmeister: Stoffel Vandoorne wechselte für den Start der Gen3-Ära im Januar 2023 zum neuen Formel-E-Gespann DS Penske. Bei einer virtuellen Medienrunde am Dienstag, der auch 'e-Formel.de' beiwohnte, plauderte der Belgier über seine schwierige Entscheidung, zu DS zu gehen, über eine andere Arbeitsweise als bei Mercedes und über seinen Teamstatus im Vergleich mit Jean-Eric Vergne.
Obwohl der Wechsel zu DS Penske schon seit mehreren Monaten kolportiert wurde, dürfte die Entscheidung zum Wechsel an sich einige überrascht haben. Zwar war längst klar, dass Mercedes die Formel E verlassen würde, allerdings deutete sich auch bereits die Übernahme des Rennstalls durch McLaren an - jener britische Hersteller, für den Vandoorne bereits zwei Jahre in der Formel 1 antrat, und der in weiten Teilen dem Mercedes-Team der Vorjahre entsprechen wird. Warum also dieses Erfolgsumfeld verlassen?
"Es ist zwar mehr oder weniger die gleiche Truppe bei McLaren, aber es ändern sich auch viele Dinge im Team", erklärt Vandoorne. "Sie sind kein Herstellerteam mehr, sondern ein Kundenteam (von Nissan). Das darf man nicht unterschätzen." Es sei ihm wichtig gewesen, wieder bei einem Hersteller unterzukommen - gerade mit Blick auf die neue Fahrzeuggeneration.
"Es gibt viel Neues, und als Hersteller hat man einfach viel mehr Testmöglichkeiten. Dadurch hat man hoffentlich einen frühen Vorteil zum Start der Gen3-Ära", erklärt Vandoorne. Dennoch gesteht der 30-Jährige: "Es war schwierig. Aber ich musste sichergehen, dass ich auch meine eigene Zukunft sichere." Möglicherweise zielt Vandoorne damit auch auf die Zeit nach seiner aktiven Formel-E-Karriere ab, in der ein Konzern wie PSA nicht nur weitere aktive Motorsport-Möglichkeiten bieten könnte, sondern auch andere Rollen.
Erste Gespräche bereits im Frühjahr
Wenngleich die Entscheidung nicht leicht gewesen sei, traf Vandoorne sie verhältnismäßig früh. "Ich kannte bei DS schon einige Leute recht gut, daher gab es hinter den Kulissen immer ein paar Gespräche. Die erste seriöse Unterhaltung war um den Mexico City E-Prix herum, also ungefähr im Februar. Das war zwar noch sehr früh in der Meisterschaft, aber es gab bereits Interesse von beiden Seiten. Es war ja kein Geheimnis, dass Mercedes die Serie verlassen wird, und dass ich mit vielen Leuten gesprochen habe."
Offiziell kommunizierte DS Penske den Wechsel erst in der vergangenen Woche. Nichtsdestotrotz hatte Vandoorne bereits Gelegenheit, das neue Gen3-Auto der Franzosen zu testen und die Arbeitsabläufe bei DS kennenzulernen. "Um ehrlich zu sein, arbeiten die beiden Teams ziemlich unterschiedlich. Vor allem im operativen Geschäft", erklärt er. "Bei Mercedes war alles sehr strukturiert. Das Team wurde quasi wie ein Formel-1-Programm geführt. Jede Rolle war auf ein bestimmtes Individuum zugeschnitten."
"Wir hatten sicherlich einige Leute mehr an Bord als manch anderes Team. Jetzt mit der neuen Kostendeckelung wäre es wahrscheinlich sehr schwierig für Mercedes geworden, auf eine ähnliche Art weiterzumachen", so der amtierende Meister. "Bei DS gab es vielleicht nicht ganz so viele Leute, aber diese haben Verantwortlichkeiten und Aufgaben mehr aufgeteilt. Das Schöne daran ist aber, dass auch DS ein Team ist, das große Erfolge hatte - auf seine eigene Art und Weise. Vom ersten Moment an habe ich gemerkt, dass hier einige sehr kluge und clevere Leute arbeiten. Gerade auch, was die Software-Entwicklung angeht."
Keine klare Nummer 1 bei DS Penske
Mit Jean-Eric Vergne erhält Vandoorne einen neuen Teamkollegen, der als Doppelchampion nicht nur sportlich seine Sporen in der Formel E verdient hat, sondern auch als starker Charakter und Alphatier gilt. Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - freut sich Vandoorne auf das teaminterne Duell. Angst hat er jedenfalls keine. "Wenn man sich anschaut, wen ich in der Vergangenheit so als Teamkollegen hatte, muss ich mir sicherlich keine Sorgen machen."
"Ich hatte immer ziemlich starke Teamkollegen: In der Formel 1 Fernando Alonso und Jenson Button, und in der Formel E hatte ich Nyck (de Vries), der im Jahr zuvor ebenfalls Champion war", erinnert Vandoorne. "Ich will auch einen starken Teamkollegen, denn so pusht man sich gegenseitig und das Team noch mehr, als wenn einer meilenweit vorausfährt. Das ist wichtig. Mit JEV habe ich diesen starken Teamkollegen. Solange wir ein gesundes Verhältnis zueinander haben, kann das nur gut sein für das Team."
Dass es teamintern nicht immer ganz reibungslos läuft, musste DS Techeetah in den vergangenen Jahren feststellen. Gerade Vergne und Antonio Felix da Costa gerieten häufiger aneinander. "Es ist wichtig, am Anfang der Saison Richtlinien zu definieren", meint Vandoorne. "Eigentlich ist es aber ganz einfach: Berühre deinen Teamkollegen nicht, und geht fair miteinander um - das war's."
Laut Vandoorne wird Vergne, der schon viele Jahre fester Bestandteil von DS ist und einen Titel mehr auf dem Konto hat, nicht bevorzugt behandelt. "Es gibt im Team keinen Nummer-1- oder Nummer-2-Status. Jeder hat die gleichen Chancen. Wenn irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem ein Fahrer mathematisch nicht mehr den Titel gewinnen kann, ändert sich die Lage vielleicht. Aber hoffentlich bekommen wir am Ende der Saison einen Zweikampf zwischen JEV und mir - das wäre natürlich das Beste."
WM-Titel "ändert nichts für die Zukunft"
Abgesehen von seinem Teamkollegen und sich selbst rechnet Vandoorne mit denselben Gesichtern an der Spitze wie in der vergangenen Saison. Wenngleich das sehr schwer zu beurteilen sei, "da sich alle an die neuen Gegebenheiten und Autos anpassen müssen." Vandoorne sagt nichtsdestotrotz voraus, dass auch 2023 Mitch Evans und Edo Mortara ein Wörtchen im Titelkampf mitreden dürften.
An seinem persönlichen Ansatz für Saison 9 ändert sich durch seinen Weltmeistertitel nichts, meint Vandoorne: "Ich denke eigentlich, dass es keinen großen Unterschied macht. Ich bin natürlich sehr stolz, eine Weltmeisterschaft gewonnen zu haben. Ein WM-Status ist schon etwas sehr Besonderes. Das kann mir niemand mehr nehmen."
"Das ändert aber nichts für die Zukunft", so Vandoorne. "Im Januar geht es mit dem ersten Rennen in Mexiko wieder für alle bei null los. Im Motorsport erinnert sich jeder nur an dein letztes Rennen."
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