"Es wird nächstes Jahr ein Rennen geben" - Vancouver-Veranstalter optimistisch, Formel E zurückhaltend
Tobias Wirtz
Eine interne Kommunikation der Stadtverwaltung von Vancouver, die durch einen Antrag auf Informationsfreiheit veröffentlicht wurde, zeigt chaotische Zustände bei der Vorbereitung des gescheiterten Vancouver E-Prix auf. Während der Promoter weiterhin fest von einer Durchführung im Jahr 2023 ausgeht, warten tausende Ticket-Inhaber:innen noch immer auf die angekündigte Rückerstattung ihres Geldes.
Obwohl Vancouver nicht im vorläufigen Formel-E-Rennkalender 2023 auftaucht, äußert sich Matthew Carter, CEO der One Stop Strategy Group (OSS) - Promoter und Organisator des Rennens - in einem Bericht der 'Vancouver Sun' optimistisch: "Sie (die Formel E) werden nichts öffentlich sagen, bis alles unter Dach und Fach ist, aber es wird nächstes Jahr ein Rennen in Vancouver geben."
Aktuell sind im Rennkalenderentwurf für die erste Saison der Gen3-Ära noch drei Rennen ohne Austragungsort. Darunter befinden sich zwei Termine im Februar und März, wovon einer als mögliches Datum für ein USA-Rennen gehandelt wird. Die Rennserie könnte anstelle von New York City etwa nach St. Petersburg in Florida umziehen. Ein zweites Nordamerika-Rennen in Kanada würde aus logistischen Gründen durchaus Sinn ergeben, bevor die Formel E anschließend nach Sao Paulo weiterreist.
"Obwohl Vancouver nicht in den Rennkalender 2023 aufgenommen wurde, der im Juni bekannt gegeben wurde, sind wir weiterhin sehr daran interessiert, in der Zukunft ein Rennen in Vancouver zu veranstalten", heißt es in einer Erklärung der Formel E. Ob man jedoch mit dem bisherigen Veranstalter zusammenarbeiten will, ist unklar. "Wie bereits mitgeteilt, hat die Formel E alle vertraglichen Vereinbarungen mit OSS gekündigt. Daran hat sich nichts geändert."
Ticket-Besitzer:innen warten weiterhin auf ihr Geld, lokale Kanzlei plant Sammelklage
"Wir erwarten von der OSS, dass sie umgehend eine öffentliche Erklärung zum Prozess der Ticketrückerstattung für das abgesagte Rennen in dieser Saison abgibt", setzt die Rennserie Carters Unternehmen öffentlich unter Druck. Mehr als 33.000 Tickets wurden verkauft. Eine von OSS angekündigte Rückerstattung der Ticketkosten hat bislang nicht stattgefunden.
Unterdessen ruft eine Anwaltskanzlei in Vancouver Ticket-Inhaber:innen auf, sich bei ihr zu melden, um eine Sammelklage gegen den Veranstalter zu starten. Auch die Verbraucherschutzzentrale der Provinz British Columbia hat sich eingeschaltet und fordert Käufer:innen auf, eine Rückbuchung der Zahlung über ihre Kreditkarte zu veranlassen. Dies geht natürlich nur dann, wenn auch per Kreditkarte gezahlt wurde.
Die von der Stadt Vancouver angekündigte Rückerstattung einer Kaution in Höhe von 500.000 kanadischen Dollar, die OSS geleistet hatte, hat bislang nicht stattgefunden. Die Stadtverwaltung hatte die Rückzahlung an die Bedingung geknüpft, gemeinsam mit dem Unternehmen einen Anwalt zu beauftragen, der die Finanzunterlagen und die Verbindlichkeiten von OSS prüfen solle, um von der Kaution Ticket-Inhaber:innen, Lieferant:innen und andere Gläubiger:innen zu bedienen.
"OSS hat die Bedingungen der Stadt abgelehnt", so die Stadtverwaltung. "Die Gespräche über die Rückzahlung sind derzeit ins Stocken geraten, was wir sehr bedauern. Die Stadt ist jedoch nach wie vor bereit weiterzumachen, wenn OSS ihren Standpunkt überdenkt."
Verpasste Fristen, unvollständige Unterlagen
Wie aus den nun veröffentlichten Dokumenten hervorgeht, sahen die Verantwortlichen der Stadt mehrere Vorteile darin, ein großes internationales Sport- und Unterhaltungsereignis zu veranstalten. Doch bereits mehr als ein Jahr vor dem geplanten Termin im Juli 2022 gab es Hinweise auf Schwierigkeiten: Die Worte "Risiken", "Herausforderungen" und "Bedenken" im Zusammenhang mit dem Formel-E-Rennen häuften sich.
"Die Mitarbeiter:innen sind sich der Bedeutung des Veranstaltungssektors für die lokale Wirtschaft bewusst", heißt es in einer internen Nachricht aus dem März 2021. "Sie werden proaktiv mit Partnern aus dem Tourismus- und Gastgewerbebereich zusammenarbeiten, um Veranstaltungen zu identifizieren, die für Vancouver geeignet sind und unser Profil als Reiseziel sowie den wirtschaftlichen Wiederaufbau unterstützen."
Und weiter: "Wenn die Veranstaltung aus unvorhergesehenen Gründen nicht stattfinden kann und die Stadt die Genehmigung nicht erteilt, besteht für die Stadt Vancouver ein erhebliches Risiko in Bezug auf den Ruf und finanzielle Konsequenzen."
Nicht einmal nah dran
Im März 2022 verpasste OSS die Frist der Stadt, um die für eine Genehmigung der Veranstaltung erforderlichen Dokumente vorzulegen. Sowohl ein Versicherungsnachweis als auch die endgültigen Vereinbarungen mit privaten Grundstückseigentümer:innen für die Nutzung ihrer Grundstücke im Nordosten des Stadtteils False Creek fehlten. Trotz der verpassten Frist erklärte OSS damals, alles laufe nach Plan.
Dem widersprechen interne Dokumente jedoch, die bis zur endgültigen Absage am 22. April die Bemühungen des städtischen Büros für Film- und Sonderveranstaltungen (FASE) dokumentieren, das jährlich etwa 600 Genehmigungen für Veranstaltungen unterschiedlichster Art erteilt.
Monatelang hatten die Mitarbeiter:innen der Stadt ein internes Dokument geführt, in dem der Status einzelner Punkte festgehalten wurde, die OSS liefern musste, bevor die Stadtverwaltung eine Genehmigung hätte erteilen können. Am 21. April - nur gut zwei Monate vor dem Rennen - waren die meisten Punkte nach wie vor offen. Zeitpläne und ein Plan für die öffentliche Sicherheit fehlten, auch Ingenieurzeichnungen für die Tribünen hatte der Veranstalter nicht eingereicht.
Was am 28. März 2022 hingegen eingereicht wurde, war ein erster Entwurfs des Verkehrsmanagementplans. Dieser wurde jedoch als "nicht genehmigungsfähig erachtet, da wichtige Komponenten fehlen". Aber bereits im Januar 2021, also 14 Monate zuvor, wies FASE den Veranstalter laut eines Dokumentes darauf hin, dass es von entscheidender Bedeutung sei, "so früh wie möglich einen Verkehrsmanagementplan vorzulegen".
Weitere Zusammenarbeit unwahrscheinlich
"OSS hat regelmäßig unvollständige Unterlagen eingereicht, in denen die zuvor von den Mitarbeiter:innen der Stadt angeforderten Informationen fehlten", steht in einem anderen Dokument. "So verlangt die Stadt beispielsweise, dass bestimmte Unterlagen für die Errichtung großer Bauten von einem zugelassenen Ingenieur zertifiziert und gestempelt werden. OSS reichte wiederholt solche Unterlagen ein, die unvollständig und ohne zufriedenstellende Details oder den Stempel eines Ingenieurs waren."
"Dies führte zu erheblichen Verzögerungen, da die Mitarbeiter:innen der Stadt diese nicht überprüfen oder genehmigen konnten", wird im Dokument weiter ausgeführt. "Sie mussten darauf warten, dass OSS korrekte Unterlagen vorlegte. Wenn die städtischen Mitarbeiter:innen einigermaßen konforme Vorlagen erhielten, wurden Rückfragen dazu von OSS nicht rechtzeitig und in einigen Fällen überhaupt nicht beantwortet."
Angesichts der nun veröffentlichten Dokumente darf bezweifelt werden, dass die Formel E im kommenden Jahr ein Rennen in Vancouver durchführen wird - und schon gar nicht mit OSS als Partner. Formel-E-Geschäftsführer Jamie Reigle wird vermutlich weiterhin auf ein Heimrennen warten müssen.
Bereits in Montreal hatte es Probleme für die Elektroserie gegeben. Die Stadt kündigte nach nur einem Rennen den Vertrag vorzeitig, nachdem dies eines der Hauptthemen im Bürgermeister:innen-Wahlkampf gewesen war und Vorwürfe der Unterschlagung und Vetternwirtschaft gegen den früheren Bürgermeister geäußert worden waren. Anschließend einigte man sich außergerichtlich auf eine Vergleichszahlung.
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