Evans spricht über Probleme bei Jaguar TCS Racing: "Können den Auslöser gerade nicht finden"
Thomas Grüssmer

Shiv Gohil / Spacesuit Media
Beim amtierenden Weltmeisterteam Jaguar TCS Racing läuft in dieser Saison noch nicht allzu viel zusammen. Im aktuellen Formel-E-Podcast von The Race spricht Mitch Evans offen über die momentan schwierige Situation, in der sich sein Team befindet. Zudem äußert er deutlich seine Meinung zu einem Thema, das die Motorsportwelt gerade beschäftigt: die verschärften Regeln der FIA im Bezug auf verbale Entgleisungen von Fahrern.
Aktuell ist Jaguar TCS Racing in keiner guten Verfassung. Mit bisher nur 35 gesammelten Punkten findet sich der letztjährige Konstrukteursweltmeister nur auf Rang 7 der laufenden Meisterschaft wieder. Der Überraschungssieg von Mitch Evans in Sao Paulo scheint beinahe schon vergessen, und man könnte fast sagen, dass Punkte seit Mexico City eher zur Rarität geworden sind. Sowohl dort als auch in Jeddah entschieden Auffahrunfälle die Rennen von Evans. In Rennen 4 konnte er für seinen Ausfall aber nichts. Aufgrund eines Fehlers im Brake-by-Wire-System musste er sein Fahrzeug vorzeitig abstellen. Doch auch die Qualifying-Pace lässt gerade beim kompletten Team zu wünschen übrig.
Peloton-Racing maskiert Probleme
Evans versucht, die aktuelle Situation zu erklären: "Wir können momentan nicht ganz sagen, was der Grund für die schlechte Pace ist. Wenn man auf Sao Paulo zurückblickt, gab es, um ehrlich zu sein, aber bereits Zeichen. In den Trainings waren wir immer gut zwei bis drei Zehntel zurück. So war das auch in Mexiko, obwohl ich dort bis in die Duelle kam. Dennoch schied ich im Viertelfinale schnell aus. Das gleiche gab es wieder in Jeddah."
"Im Moment ist es besorgniserregend, weil alle vier Autos Probleme haben", so Evans weiter. "Bei schnellen Rennen werden unsere Probleme nur noch mehr aufgedeckt. Bei Nick (Cassidy) hat man gesehen, dass er es sehr schwer hatte, durch das Feld zu kommen. Bei den Peloton-Style-Rennen kommt es weniger auf die Balance des Autos an. Da konnten wir einfach smarter Energie sparen und mit der Strategie nach vorn kommen. Wir wissen nicht, ob andere Teams mit ihren Paketen einfach einen besseren Job als wir gemacht haben, oder ob es Dinge sind, die wir noch verbessern können."
Darauf angesprochen, ob es zwischen ihm und seinem Teamkollegen Nick Cassidy, der mit zehn Punkten momentan nur Rang 14 der Fahrerweltmeisterschaft belegt, Spannungen gebe, verneint Evans: "Zwischen Nick und mir ist alles super, eigentlich sogar richtig gut! Wir sind beide motiviert, die Probleme zu lösen. Wir sind beide sehr kämpferisch und seit einigen Saisons auch gewohnt, eigentlich am vorderen Ende des Feldes zu sein. In den letzten zwei Saisons gehörte er auch immer zu den stärksten in der Formel E."
"Wenn man dann realisiert, dass man beispielsweise die Rundenzeit nicht schafft, wie man es möchte, ist es nur natürlich, dass man daran frustriert", erklärt Evans. "Ich glaube, einige von Nicks Funksprüchen wurden missinterpretiert. Es ging eigentlich darum, dass er von der Software her gerne das Gleiche versuchen würde, was ich auch hatte. Er hat da wohl nicht das bekommen, was ich hatte."
"Wenn jemand so was regeln sollte, dann die Teams selbst"
Apropos Funksprüche: Auch zum Thema der verschärften Regeln für Fahrer bei verbalen Entgleisungen hat Evans eine deutliche Meinung und auch einen interessanten Vorschlag: "Ich bin am Funk definitiv kein Engel. Es kommt wohl darauf an, aus welcher Sicht man auf das Thema blickt. Aus Fahrersicht finde ich es ein bisschen unfair. In jeder anderen Sportart haben die Sportler kein Mikrofon um. In unserem Sport wird man noch zwei Minuten, bevor es ins Auto geht, interviewt."
"Auf der Strecke fühlt es sich so an, als ob Big Brother die ganze Zeit auf einen schaut. In diesen 45 Minuten passiert so viel. Da ist so viel Adrenalin. Die Leute sehen eben nur diese 45 Minuten und nicht, was alles im Vorfeld nötig dafür ist. Im Auto fühlen sich fünf Sekunden viel länger an, als sie eigentlich sind, da Antworten schnell gebraucht werden und so viel um einen herum geschieht. Ich glaube, man wird dabei zu einem anderen Menschen - fast, wie eine gespaltene Persönlichkeit. Manche Fahrer können so was richtig gut managen."
"Die wahre Frage sollte hier doch sein, ob es Sinn macht, die Funksprüche überhaupt in die Übertragung einzubinden", regt Evans an. "Ich verstehe, dass sowas für Journalisten und Fans ein toller Einblick ist, aber wir Fahrer gewinnen da überhaupt nichts. Für Interviews und Pressekonferenzen kann ich den Schritt sogar nachvollziehen, da durchaus auch Kinder zuschauen könnten. Aber sonst finde ich das für uns Fahrer unfair, und man geht damit zu weit."
"Wenn jemand das überhaupt kontrollieren möchte, sollten es die Teams selbst sein, da sie diejenigen sind, die uns bezahlen. Gleichzeitig möchte niemand, dass wir zu Robotern werden. Jeder hat eine unterschiedliche Persönlichkeit und reagiert in Situationen auch anders. Das ist doch das Tolle am Sport. Wenn wir alle dieselben Antworten geben, werden wir uninteressant, und der Sport dann auch. Meiner Meinung nach wird es langsam zu kontrollierend", hadert Evans weiter.
Jaguar hat bis zum Miami E-Prix noch etwas mehr als sechs Wochen Zeit, um herauszufinden, ob die Probleme schnell zu lösen sind. Hierzu haben die Teams der Formel E die Möglichkeit, Testtage durchzuführen, welche Jaguar in Spanien umsetzen wird. Für Evans steht zusätzlich das Training mit Brooklyn Beckham an, den er für die im März bevorstehenden "Evo Sessions" vorbereiten wird.
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