Formel E

"Fahrer vor mir angestupst, um Flügel loszuwerden" - FIA untersucht Safety-Car-Rempler von Dan Ticktum bei Formel-E-Lauf in Monaco

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Mit einem sechsten Platz hat Dan Ticktum beim Monaco E-Prix das beste Resultat seiner Formel-E-Karriere aus Kapstadt wiederholt. Der Nio-333-Pilot sicherte sich nach einem erneut starken Qualifying damit weitere acht WM-Punkte. Für Diskussionen sorgt jedoch nicht mal sein Zusammenprall mit Maximilian Günther, sondern vielmehr ein Interview, das der junge Brite nach dem Rennen gab. Darin erzählte er von bewussten Remplern gegen einen Konkurrenten.

Ticktum hatte von Startposition 5 einen guten Start in den Monaco E-Prix und schob sich direkt an Maximilian Günther vorbei. Wie bereits in Berlin war auch im Fürstentum die Anfangsphase von Energiesparen und Attack-Mode-Aktivierungen geprägt, sodass der Nio-333-Pilot die neunte Runde gar als Führender beendete. Dort blieb er jedoch nicht lang. Er lag kurz nach Rennhalbzeit auf der fünften Position, auch wenn er etwas weniger Energie als die meisten Fahrer im vorderen Teil des Feldes hatte.

In der 21. Runde kam Ticktum in der Rascasse-Kurve jedoch dem vor ihm liegenden Sacha Fenestraz zu nahe. Er beschädigte sich den Frontflügel, der in der Folge auf dem Boden und am Vorderrad schliff und für starke Rauchentwicklung sorgte. "Ich habe meinen Frontflügel beschädigt, als alle um die Positionen gerangelt haben", beschreibt er die Situation mit Fenestraz. "Auf einer solchen Strecke ist der Ziehharmonika-Effekt sehr groß. Ich habe einen Teil meines Flügels verloren und er hat auf dem Boden geschliffen."

Wenige Meter später kam es dann zur Kollision zwischen Ticktum und Günther. Der Maserati-Pilot musste das Rennen in der Folge mit einer defekten Radaufhängung aufgeben, Ticktum konnte weiterfahren. Das Safety-Car kam auf die Strecke. Ticktum entschied sich daraufhin, die Situation mit seinem beschädigten Frontflügel auf unkonventionelle Art und Weise zu managen.

"Es wäre einfach gewesen, an die Box zu fahren, weil das gefährlich werden kann. Ich dachte mir: 'Scheiß drauf, ich pushe weiter.' Zum Glück kam eine Runde später (nach dem Kontakt mit Fenestraz das Safety-Car raus", erklärt Ticktum. Dann folgt eine Aussage, die verwundert: "Ich konnte ein paar Mal die Curbs treffen und den Fahrer vor mir anstupsen, um den Flügel loszuwerden, damit er mich weniger behindert. Das hat richtig gut funktioniert!"

Ticktum: "Habe das Richtige gemacht, indem ich beharrlich blieb"

"Ich dachte mir: 'Du hast nichts zu verlieren'", beschreibt er weiter. "Ich habe es einfach versucht, und wenn ich gecrasht wäre, wäre ich gecrasht - solange ich sonst niemandem Probleme bereite, was ich auch nicht getan habe. Abgesehen von Günther, der in mich reingefahren ist. Aber wie auch immer, ich habe das Richtige gemacht, indem ich beharrlich blieb. Wir haben gute Punkte geholt."

Für Ticktum sind die Rempler offenbar kein Thema, sondern nur der Unfall mit Günther kurz zuvor: "Es stieg viel Rauch (an meinem Auto) auf, daher wusste er, dass ich etwas langsamer sein würde. Ich fuhr rechts auf der Strecke. Vielleicht hat er in den Spiegel geguckt, weil ihn jemand links überholen wollte oder so. Dann ist er mir ins Heck gefahren."

Günther sah die Situation naturgemäß anders. Die Rennkommissare werteten die Kollision als Rennunfall. Glück für Ticktum, der bereits vor dem Monaco E-Prix bei acht Strafpunkten stand. Mit zwölf Punkten wird ein Fahrer automatisch für ein Rennen gesperrt.

Diese Rennsperre könnte näher rücken, wenn die FIA bei einer nachträglichen Untersuchung des Rempler-Vorfalls mit Hughes in der Safety-Car-Phase eine Strafe ausspricht. Auf Nachfrage von 'e-Formel.de' bestätigte ein Sprecher des Automobil-Weltverbandes, dass das Thema dort bekannt sei und es aktuell im Detail untersucht werde. Ein Ergebnis erwarten wir spätestens im Rahmen des Jakarta E-Prix.

Durch den Crash mit Günther und die Rempler-Affäre geht das gute Ergebnis Ticktums beim Monaco E-Prix beinahe unter. Erneut zeigte er eine gute Pace und Qualifying und Rennen um kam letztlich als Sechster ins Ziel. "Insgesamt bin ich zufrieden mit Platz 6", erklärt Ticktum. "Ohne den beschädigten Frontflügel hätte ich mich vielleicht auf dem fünften Platz halten können. Aber die Autos hinter mir hatten mehr Energie. Ohne die Safety-Car-Phasen wäre ich weiter zurückgefallen, aber in die Punkte hätte ich es auch so geschafft." Ticktum liegt nun mit 18 Punkten auf dem 16. WM-Rang.

Kommentar von Tobias Wirtz

Ein Fahrer, der einen defekten Frontflügel hat, läuft normalerweise Gefahr, dass die Rennleitung ihn mit der "Spiegelei-Flagge" (orangener Punkt auf schwarzem Grund) aus Sicherheitsgründen zu einem Boxenstopp zwingt. In der Formel E kann ein Fahrer mit einem Reparaturstopp aber keinen Blumentopf mehr gewinnen. Dafür sind die Rennen zu kurz, und die Performance-Unterschiede zwischen den Fahrzeugen viel zu gering.

Die einen mögen es daher als besonders clever von Dan Ticktum bezeichnen, einen Konkurrenten hinter dem Safety-Car zu rammen und sich somit seines defekten Frontflügels zu entledigen. Die anderen sehen die nächste Unsportlichkeit - ein Thema, das sich durch die Saison des Briten zieht. Man frage nur einmal die Kollegen Stoffel Vandoorne und Jake Dennis. Eigentlich kennzeichnen ähnliche Zwischenfälle aber auch schon seine gesamte Motorsportkarriere.

Mit Rammstößen hinter dem Safety-Car hat Ticktum bereits seit der Formel 4 Erfahrung gesammelt. Im September 2015 überholte er in der Britischen Formel-4-Meisterschaft hinter dem Safety-Car zunächst zehn Fahrzeuge, um anschließend seinen Meisterschaftsrivalen Ricky Collard abzuschießen, der ihn zuvor gedreht hatte. In der Folge wurde Ticktum für zwei Jahre gesperrt, ein Jahr davon auf Bewährung.

Mir stellt sich die Frage, was Ticktum in dieser Situation gemacht hätte, wäre er das erste Auto hinter dem Safety-Car gewesen. Hätte er dann den Porsche Taycan von Bruno Correia gerammt, um den Frontflügel loszuwerden?

Ob es anschließend so clever von Ticktum war, dieses Verhalten auch noch unverhohlen vor laufenden Kameras zuzugeben, wage ich zu bezweifeln. Die FIA, für die das Thema Sicherheit normalerweise allerhöchste Priorität hat, muss hier in meinen Augen zwingend eingreifen. Zum einen hat ein Fahrer in einer FIA-Weltmeisterschaft immer auch eine Vorbildfunktion für junge Fahrer:innen in Nachwuchsklassen. Außerdem sehe ich ein großes Risiko, dass in Monaco sonst möglicherweise ein Präzedenzfall geschaffen wurde. Da hilft es auch nichts, dass er sich nach dem Rennen bei Jake Hughes, den er hinter dem Safety-Car gerammt hatte, entschuldigte.

 
 
 
 
 
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Bleibt Ticktums Aktion folgenlos, könnte jeder Gen3-Pilot nun versuchen, das Gleiche zu tun, und das möglicherweise nicht nur bei reduziertem Tempo hinter dem Safety-Car. Zu verlieren hat man in dieser Situation ja - wie Ticktum selbst zugab - nichts.

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1 Kommentare

Jonas ·

Hoffentlich wird er endlich gesperrt. Es nicht das erste mal, dass er auffällt.
Nur weil seine Aktion gut geklappt hat und zum Glück nicht den Reifen des Vordermannes aufgeschlitzt hat, sollte man es nicht so lösen.
Sollte einem zu denken geben, wenn man schon 8 Strafpunkte hat.

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