Formel E

Felix da Costa: Die emotionale Meister-Rede des Formel-E-Champions im Wortlaut

Timo Pape

Timo Pape

Berlin-Tempelhof, 19:50 Uhr: Antonio Felix da Costa fährt auf Platz 2 über den Zielstrich und hat sein großes Ziel erreicht: Im Alter von 28 Jahren ist er Formel-E-Meister. Seit dem zweiten E-Prix - Putrajaya 2014 - startet der Portugiese in der Elektroserie und ging für diverse Teams an den Start. Er erlebte einige Höhen und viele Tiefen. Vor der Saison 2019/20 wagte er den Schritt weg von BMW und hin zu DS Techeetah. Er sollte sich auszahlen.

Felix da Costa zeigte bereits in der ersten Saisonhälfte, dass er den Meistertitel mit aller Macht wollte. Nach einem schwachen Saisonauftakt in Saudi-Arabien mit gerade einmal drei Punkten legte er ab dem Santiago E-Prix eine Schippe drauf. Sowohl in Chile als auch ein paar Wochen später in Mexiko beendete er das Rennen auf Platz 2, bevor er sich am 29. Februar in Marrakesch den ersten Formel-E-Sieg mit seinem neuen Arbeitgeber DS Techeetah sichern konnte. Als Gesamtführender ging Felix da Costa in die fünfmonatige Corona-Zwangspause.

Was er dann in den ersten vier Rennen des "Sixpacks von Berlin" zeigte, war jedoch noch eine Stufe darüber: In einer absolut dominanten, fehlerfreien und konstanten Manier, wie sie die Formel E wohl noch nicht gesehen hat, holte er an den ersten beiden "Double-Headern" von Tempelhof insgesamt 89 Punkte - mehr als der Zweitplatzierte der Gesamtwertung in der kompletten Saison. Dass Antonio Felix da Costa diesen Titel verdient hat und sich vollkommen zurecht zum fünften Meister der Formel E krönen ließ, steht außer Frage. In einer emotionalen Rede mit Tränen in den Augen ließ er seinen Gefühlen nach dem Rennen freien Lauf.

"Es geht darum, die Besten zu schlagen"

"Ich habe im Moment keine Worte dafür. Ich bin einfach nur glücklich", sagt Felix da Costa. "Mir kommen gerade die ganzen schlechten Zeiten wieder ins Gedächtnis, denn ich war manchmal so kurz davor aufzugeben. Dank der Leute um mich herum habe ich es nicht getan. Wir treten im Sport - und vor allem hier (im Motorsport) - für große Marken und Teams an, die manchmal nicht unbedingt geduldig sind. Du bist immer nur so gut wie dein letztes Resultat."

"Ich hatte solche (schwierigen) Momente, da ich nie eine so prestigeträchtige FIA-Meisterschaft wie die Formel E gewinnen konnte. Ich habe zwar einige wichtige Dinge in meinem Leben gewonnen, aber in den Junioren-Serien fährst du vielleicht gegen fünf, sechs Piloten, die es unter Umständen einmal in die Formel 1 schaffen. Hier (in der Formel E) gibt es jedoch 23 andere Fahrer, die an einem guten Tag Rennen gewinnen können. Es geht darum, die Besten zu schlagen."

"Die Formel 1 ist heute nichts mehr für mich"

"Die Formel 1 ist für mich die Formel 1 - immer noch die Spitzenkategorie unseres Sports. Aber ich bin glücklich, wo ich bin. Ich hatte meine Zeit in der Formel 1 und war nah dran an einem Cockpit, aber das ist heute nichts mehr für mich. Die jungen Leute verdienen das jetzt. Wir sind hier im Paddock so voll mit Talent, seien es die Teams, Fahrer oder Mechaniker. Ich hatte nie so viel Spaß wie in dieser Serie."

"Mit Helm auf wollen wir uns gegenseitig niederringen, aber wenn nicht, haben wir eine großartige Atmosphäre, es ist eine einzige große Party. Ich weiß, dass es mehr im Leben gibt als die Formel 1. Der Typ neben mir (Vergne) weiß das ganz genau: Auf Weg in die Formel 1 vergisst man, warum man das Ganze eigentlich macht. Die Formel E führt uns wieder vor Augen, wieso wir Rennen fahren."

Frust über einst fehlenden Respekt der Topfahrer sitzt tief

"Saison 1 war für uns alle Neuland, und seitdem hatte ich eigentlich nie wirklich eine Chance", lässt der Champion die vergangenen sechs Jahre Revue passieren. "Ich wusste manchmal nicht mehr, was ich noch machen sollte. Doch selbst wenn ich irgendwo im Nirgendwo gelandet bin - Platz 15 oder wo auch immer - haben sie mich wieder stark gemacht. Danke an die Jungs, mit denen ich in Saison 1 gestartet bin (Amlin Aguri)."

"In den Saisons 2, 3 und 4 gab es eigentlich gar nichts, was ich tun konnte. Ich konnte mich in dieser Zeit wirklich nur auf Robin (Frijns) beziehen. Er war mein Teamkollege, wurde dann jedoch gefeuert und verließ die Formel E für ein Jahr. Wir haben wirklich alles gegeben, um uns gegenseitig zu schlagen, und kämpften um Platz 19 - während wir von Leuten wie Sebastien (Buemi), JEV oder Lucas (di Grassi) überrundet wurden. Sie haben Robin und mich immer so angeschaut… Wir waren… okay, aber eben nicht die Großen. Jetzt das richtige Material unter mir zu haben, ist einfach schön."

"Dachte, ich sei fleißig, bis ich in dieses Team kam"

Die Pace des zweifachen Meisterteams DS Techeetah kommt in den Augen Felix da Costas nicht von ungefähr: "Man würde nicht glauben, wie hart dieses Team arbeitet. Ich dachte, ich sei fleißig, bis ich in dieses Team kam. Ich meiner ersten Woche hier habe ich dem Team gesagt: 'Ich bin kein bisschen überrascht, dass ihr so erfolgreich seid.' Ich habe verstanden, dass ich hier die Chance bekommen würde."

Dann blickt Felix da Costa noch auf einen entscheidenden Wendepunkt in seiner Karriere zurück: "Ich hatte 2012 ein gutes GP3-Angebot von Trevor Carlin vorliegen und habe zu meinem Vater gesagt: 'Wenn ich hier nicht überzeuge, gehe ich zurück zur Schule und fahre vielleicht einfach hier und da GT-Fahrzeuge. Dann lief es aber richtig gut in der GP3, und seitdem ging's bergauf. In der Formel E habe ich oftmals nicht die richtigen Entscheidungen getroffen. In Saison 2 wäre ich fast bei einem sehr guten Team untergekommen, das dann aber in letzter Sekunde doch noch einen Rückzieher gemacht hat. Danach kamen harte Tagen, die mich jedoch zu einem besseren Fahrer gemacht haben. Ich bin dankbar für alle diese Momente. Ich war früher nicht unglücklich, aber einfach zur falschen Zeit am falschen Ort."

Danksagung an Teamkollege Vergne

"Einen riesengroßen Dank an JEV, er ist ein fantastischer Champion. Er ist eine schwierig zu knackende Nuss, aber er hat mich immer gepusht, mir sehr viel geholfen, und es liegt auch an ihm, dass ich hier in diesem neuen Team so schnell zurechtkam. Ohne ihn hätte ich mich nicht so entwickelt. Er hat mich zu einem besseren Menschen und Fahrer gemacht. Es erfordert eine großartige Persönlichkeit, so zu sein. Er hat es mir nicht leicht gemacht, war aber immer fair. Er ist Teil meiner Entwicklung."

"Danke auch an Red Bull, die mich damals in ihren Juniorenkader aufgenommen haben. Und vielen Dank an BMW. Manchmal trennen sich die Wege, so ist es nun mal. Aber ihr habt aus mir einen professionellen Rennfahrer gemacht. Ich danke euch von ganzem Herzen dafür."

Traurig ist Felix da Costa nur darüber, dass er seinen Titel aufgrund der Corona-Pandemie nicht so ausgiebig feiern kann, wie er es sonst getan hätte: "Unsere Familien haben uns nur aus der Ferne unterstützen können. Das ist sehr schade, aber ich habe sie am Telefon mit aufs Podium genommen. Das ist für alle gleichermaßen hart - schade, dass ich sie nicht umarmen kann. Und schade, dass ich heute nicht feiern gehen kann - Alejandro-Style."

Das eine oder andere Getränk wird in der Techeetah-Garage aber sicherlich trotzdem geöffnet - Teamchef Mark Preston kündigte bereits an, dass die Getränke heute auf seinen frisch gekrönten Meister-Fahrer gehen würden. Der hat sicherlich nichts dagegen.

Video: Rückblick auf die Karriere von Antonio Felix da Costa

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