Sacha Fenestraz über Formel-E-Debüt mit Dragon: "Habe mehr gelernt als jemals in der Schule"
Tobias Wirtz
Jaguar-Ersatzpilot Sacha Fenestraz hat beim letzten Rennen der Formel-E-Weltmeisterschaft 2022 spontan den verletzten Dragon-Fahrer Antonio Giovinazzi ersetzt und damit sein erstes Rennen in der Elektroserie bestritten. Er hatte dabei mehrere Herausforderungen zu meistern: Er kannte weder das Team noch die Strecke aus dem Simulator. Mit Platz 16 zog er sich dafür achtbar aus der Affäre.
Ein Auffahrunfall mit Antonio Felix da Costa am Samstag beendete Giovinazzis Saison vorzeitig. Der Italiener hatte in der Stadion-Sektion verlangsamt, um durch die Attack-Zone zu fahren, und wurde dabei vom überraschten DS-Techeetah-Piloten getroffen. Der Dragon mit der Startnummer 99 drehte sich, und Giovinazzi erhielt einen Schlag auf den Daumen. Dieser schmerzte nach dem Rennen und schwoll stark an.
Auf der Suche nach einem Ersatz - Dragon hatte selbst keinen festen Ersatzfahrer verpflichtet - kam am frühen Sonntagmorgen Fenestraz ins Spiel. Der Franco-Argentinier, der nach dem Einspringen von Norman Nato für den ebenfalls an der Hand verletzten Sam Bird als Jaguar-Ersatzfahrer nach Südkorea gereist war, war sehr überrascht von der sich spontan bietenden Möglichkeit. Innerhalb von drei Stunden musste sich Fenestraz mit der Strecke und den Systemen des Autos vertraut machen, bevor das Training startete.
"Hatte die Augen noch gar nicht richtig offen"
"Ehrlich gesagt, riefen sie mich um 6:30 Uhr an und sagten: 'Komm schnell.' Ich hatte die Augen noch gar nicht richtig offen", beschreibt Fenestraz bei 'Motorsport.com'. "Es war ein schwieriges Rennen, denn ich war am vergangenen Wochenende in Japan, sodass ich vor dem Rennen nicht im Simulator arbeiten konnte."
Fenestraz war in der Woche vor dem Seoul E-Prix den Super-GT-Lauf in Fuji gefahren und gewann hier mit seinem Partner Ritomo Miyata das Rennen. Auch in der Gesamtwertung liegt das Toyota-Duo nun auf Platz 1. Er kannte die Strecke daher nur vom Trackwalk am Freitag.
"Alles war einfach überstürzt", beschreibt er weiter. "Aber was den (Renn-) Tag angeht, war es gut. Wir konnten nicht viel erwarten, da gestern alle schon ein Rennen gefahren waren. Ich bin schon sehr, sehr lange kein Formel-E-Auto mehr gefahren, abgesehen vom Gen3-Shakedown. Aber Shakedowns gehen in der Regel nur über sehr wenige Runden, und man pusht nicht."
"Wollte nur das Rennen beenden & Erfahrungen sammeln"
"Ich habe nicht viel erwartet", führt er weiter aus. "Ich weiß, dass das Team ein schwieriges Jahr hatte, in dem es nicht viele Rennen beenden konnte, also wollte ich einfach nur das Rennen beenden - auch, um Erfahrungen zu sammeln."
Fehlende Erfahrung war für Fenestraz dabei das Hauptproblem. "Es ist schwierig, mit so wenig Erfahrung eine gute Runde im Qualifying hinzubekommen. Ich hatte ein paar kleine Fehler in meiner Runde, die mich ein paar Zehntel gekostet haben."
"Ich hatte (im Rennen) wirklich mit den Hinterreifen zu kämpfen, der Abbau war riesig. Es half uns, als das Safety-Car kam", erklärt Fenestraz sein Erfahrungsdefizit mit den Einheitspneus von Michelin. Die Allwetterreifen des französischen Herstellers verhalten sich deutlich anders als die Slicks, mit denen Fenestraz in der Super GT und in der Super Formula fährt.
"Seit vielen Jahren nicht mehr so viel gelernt"
"Ich bin es aus Japan gewohnt, mit Bridgestone oder Yokohama zu fahren, viel Grip und viel Abtrieb zu haben. Aber das hier ist etwas ganz anderes", beschreibt er. "Das spricht allerdings auch für das Auto, denn deshalb sind die Zweikämpfe und das Qualifying so interessant."
"Ich habe mehr gelernt, als ich jemals in der Schule gelernt habe", gibt Fenestraz zu. "Ehrlich gesagt, habe ich seit vielen Jahren nicht mehr so viel gelernt. Ich habe versucht, alle neuen Informationen zu verarbeiten und mein Bestes zu geben. Ich denke, ich werde heute Nacht gut schlafen."
Fenestraz gilt als heißer Kandidat für die Nachfolge von Sebastien Buemi bei Nissan e.dams. Der Schweizer hat nach acht Jahren beim Team seinen Abschied angekündigt. Sollte Fenestraz das Cockpit erhalten, wird sein zweiter Renneinsatz in der Formel E am 14. Januar 2023 in Mexiko-Stadt stattfinden.
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