Formel E

Formel-E-Meister Lucas di Grassi am Ziel: "Schönster Tag meiner Karriere"

Timo Pape

Timo Pape

Lucas di Grassi am Ziel seiner Träume: Der Brasilianer vom Team ABT Schaeffler Audi Sport hat die Sensation geschafft und sich in einem packenden Saisonfinale in Montreal den Titel in der Formel E gesichert. Zweimal in Folge musste er am Finalwochenende mit ansehen, wie ihm zuerst Nelson Piquet jr. und anschließend Sebastien Buemi den Titel vor der Nase wegschnappten, nun im dritten Anlauf hat es endlich geklappt.

Der Jubel in der ABT-Box kannte keine Grenzen, als di Grassi nach 37 Runden als Siebter die Ziellinie überquerte und als neuer Champion der Formel E feststand. Gleichzeitig feierte die deutsche Mannschaft wie schon am Ende der zweiten Saison erneut den zweiten Platz in der hart umkämpften Teamwertung der Formel E. Auf Renault e.dams fehlten letztlich 20 Punkte, doch gegen die starke Mannschaft von Mahindra konnte sich ABT behaupten.

"Heute ist der schönste Tag meiner Karriere", jubelte der neue Formel-E-Champion nach dem Rennen. „Ich habe vom ersten Tag an die Formel E geglaubt, weil sich die Welt und damit auch der Motorsport wandelt. Wir haben vor drei Jahren in Peking das erste Formel-E-Rennen gewonnen und nun endlich auch den Titel. ABT Sportsline, Schaeffler und Audi Sport haben ganze Arbeit geleistet – vor allem auch nach den Rennen in New York, wo wir nicht ganz so stark waren. Hier in Montreal auf der besten Rennstrecke, die es in der Formel E je gegeben hat, waren wir von Anfang an schnell.

"Mit diesem Titel wird ein Traum wahr. Team, Familie, Freunde, Fans - ich könnte alle gleichzeitig umarmen", jubelt di Grassi nach dem Rennen. "Wir hatten drei großartige Jahre mit vielen Emotionen und unvergesslichen Momenten, aber der heutige Erfolg ist die absolute Krönung und der verdiente Lohn für unseren einmaligen Teamspirit und Kampfgeist. Ich bin stolz darauf, Champion der Formel E zu sein. Danke an alle, die das möglich gemacht haben."

Der 32 Jahre alte Brasilianer, der mit seiner Frau Bianca schon seit Jahren in Monaco lebt, zählt zu den Vätern der Elektro-Rennserie: Lange bevor die ersten Autos auf die Strecke gingen, unterstützte er Serienboss Alejandro Agag und dessen Stellvertreter Alberto Longo bei der Gestaltung und Konzeption der Formel E und ist seitdem einer ihrer prominentesten Botschafter. Am 30. Juli 2017 schloss sich dieser Kreis - ein weiterer Grund, warum dieser Titel so besonders ist.

Favorit war ein anderer

Die Saison 2016/17 war für den neuen Champion ein hartes Stück Arbeit: Schnell war klar, dass die Kombination aus Titelverteidiger Sebastien Buemi und dem Renault-Werksteam nur schwer zu schlagen sein wird. Bis auf 43 Punkte war der Vorsprung des Schweizers zwischenzeitlich angewachsen. Vor den beiden Finalrennen in Montreal hatte di Grassi sich bis auf zehn Zähler in Schlagdistanz gebracht und belegte vor dem Sonntagsrennen zum ersten Mal überhaupt in der Saison den ersten Tabellenplatz - zum perfekten Zeitpunkt.

Di Grassi profitierte allerdings auch von der Abstinenz seines Rivalen während des New York ePrix Mitte Juli. Buemi hatte für Toyota mit der WEC am Nürburgring starten müssen und hatte somit zwei Rennen weniger, um Punkte zu sammeln. Zudem wurde der Schweizer zweimal disqualifiziert - die Konsequenz aus einem folgenschweren Fahrfehler im Training von Montreal sowie einer Nachlässigkeit des Teams in Berlin. In der zweiten Saison hatte di Grassi noch ein sehr ähnliches Schicksal ereilt: Durch die Aberkennung seines Mexiko-Sieges nach einem Teamfehler fehlten ihm am Ende die nötigen Punkte zum Meistertitel.

Nach Platz drei im Premierenjahr der Formel E und der Vizemeisterschaft 2016 ist Lucas di Grassi der dritte Champion der Formel E und mit insgesamt sechs Siegen und 20 Podiumsergebnissen in 33 Rennen einer der erfolgreichsten Piloten. In der Saison 2016/17 gewann der Audi-Werksfahrer zwei Rennen, holte sich drei Pole-Positions und sieben Podiumsplatzierungen. Nur in Paris blieb di Grassi ohne Punkte. Diese Konstanz war am Ende im Titelkampf entscheidend. Unvergessen werden auch seine Aufholjagden beim Saisonauftakt in Hongkong und beim Sieg in Mexiko bleiben. In der ewigen Punkteliste der Formel E ist di Grassi (467) in Montreal übrigens an Buemi (455) vorbeigezogen und liegt nun auf Platz eins.

"Ich bin unfassbar glücklich", sagt Teamchef Hans-Jürgen Abt. "Heute sind wir dafür belohnt worden, dass wir niemals aufgegeben haben. Dieser Titel steht für mich in einer Reihe mit dem ersten DTM-Triumph 2002. Auch damals ist uns als Underdog eine Sensation gelungen, die uns viele nicht zugetraut hätten. Mein Dank geht an Lucas, Daniel, das ganze Team, alle Partner und natürlich die Fans: Sie alle haben gezeigt, was möglich ist, wenn man zusammenhält und immer auf sich vertraut."

Audi übernimmt Meister-Rennstall

Mit dem Werkseinstieg von Audi zur kommenden Saison und der damit verbundenen Übernahme des ABT-Teams dürfte der bislang einzige deutsche Formel-E-Rennstall in Zukunft sogar noch stärker auftreten. Die Voraussetzungen könnten nicht besser sein, wie auch Audi-Motorsportchef Dieter Gass findet: "Für mich ist Lucas di Grassi der derzeit kompletteste Fahrer in der Formel E. "Was er am Samstag in Montreal gezeigt hat, war einfach fantastisch. Nach New York haben wahrscheinlich nicht viele mehr damit gerechnet, dass er das Ruder im Titelkampf noch einmal herumreißen kann. Aber Lucas hat keine Sekunde aufgegeben und die ganze Mannschaft immer wieder zu Höchstleistungen motiviert."

"Das gesamte Team um Hans-Jürgen Abt und Thomas Biermaier hat großartige Arbeit geleistet, und auch Daniel Abt, der in diesem Jahr etwas unter Wert geschlagen wurde, ist in Montreal erneut stark gefahren", lobt Gass. Wie die Zukunft des jungen Kempteners aussieht, ist nichtsdestotrotz ungewiss. Audi wird sich das Fahrer-Line-up und alle potenziellen Alternativen für Saison vier genau anschauen.

Für Abt (Gesamtrang acht) spricht definitiv eine starke zweite Saisonhälfte, auch wenn die Ergebnisse dies am Ende nicht adäquat widerspiegelten. Zu häufig hat ihm die Technik einen Strich durch die Rechnung gemacht, während sein Teamkollege vom Pech verschont blieb. Außerdem wird di Grassi voraussichtlich auch in Saison vier um den Titel kämpfen, und Abt hat sich als guter "Wingman" verdient gemacht. Der Ansatz, mit zwei Siegfahrern in eine Meisterschaft zu gehen, die sich gegenseitig die Punkte wegnehmen, ist in der Geschichte des Motorsports schon oft genug in die Hose gegangen. Darüber hinaus ist Abt einer der beliebtesten Fahrer der Formel E und äußerst Social-Media-affin.

"Es war ein tolles Finale und insgesamt eine gute Woche für die Formel E", fasst Gass zusammen und blickt in die Zukunft: "Dass uns nach BMW auch Mercedes-Benz und Porsche in diese zukunftsweisende Rennserie folgen, unterstreicht die wachsende Bedeutung des rein elektrischen Motorsports. Ich freue mich schon jetzt auf den Auftakt der neuen Formel-E-Saison im Dezember in Hongkong, wenn mit unserem Werkseinsatz ein neues Kapitel in der Motorsport-Geschichte von Audi beginnt. Mit ABT und Schaeffler als Partnern sind wir im zunehmend härter werdenden Wettbewerb sehr gut aufgestellt." Und mit Lucas di Grassi.

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