Sicht, Reifen, Atmosphäre - Formel-E-Fahrer erklären besondere Herausforderungen bei 1. Nachtrennen
Tobias Bluhm
Im Fahrerlager der Formel E steigt die Vorfreude auf das erste Rennen der neuen Saison. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei nicht nur der Fakt, dass der Diriyya E-Prix die erste Veranstaltung in einer offiziellen FIA-Weltmeisterschaftssaison bildet, sondern auch die besondere Startzeit der Rennen: In Saudi-Arabien werden die ersten zwei Nachtrennen der Formel-E-Geschichte stattfinden. Die Fahrer erwarten dabei einige besondere Herausforderungen...
Um bei Dunkelheit zu fahren, hat der Veranstalter neben den üblichen Betonbarrieren, Randsteinen und Fangzäunen auch insgesamt 170 Lichtmasten errichtet, die am ersten Rennwochenende der Saison 2021 die Strecke hell erleuchten sollen. An der Spitze aller rund 20 Meter hohen Masten sind leistungsfähige LED-Lampen angebracht, die dank eigener IP-Adressen über eine Software einzeln angesteuert werden können. Sie sollen zwischen 40 und 50 Prozent effizienter als herkömmliche Flutlichtanlagen sein.
Laut 'The Race' wurden hierfür mehr als 50 Kilometer Stromkabel verlegt. Hinzu kommen etwa zehn Kilometer Glasfaserkabel, die für den Datentransfer relevant sind. Auch der Dienstleister Al Kamel Systems, der in der Formel E für die Zeitmessung verantwortlich ist, vertraut für die Übertragung und das Monitoring von Fahrzeugdaten auf Glasfaserkabel.
Die Beleuchtung der Strecke übernimmt ein zehnköpfiges Koordinationsteam von DZ Engineering. Ein Ableger des italienischen Unternehmens ist auch für die Konstruktion der Flutlichtanlagen beim Formel-1-Nachtrennen in Singapur verantwortlich. Für den Bau der Strecke wurde die saudi-arabische Firma Stamina Productions beauftragt. Teil des Projekts sind zudem die Firmen Showforce Services (Eventmanagement) und Geobrugg (Fangzäune). Alle Parteien operieren unter der zentralen Anleitung von CBX, dem offiziellen Promoter des Diriyya E-Prix.
"Vielleicht sollten wir über Scheinwerfer am Auto nachdenken"
"Mal schauen, wie gut die Strecke in Diriyya ausgeleuchtet ist", sagt Lucas di Grassi vor dem Rennen. Der Audi-Fahrer hat bereits bei einigen Nacht-Stints im Langstreckensport Erfahrungen mit Rennstrecken bei Dunkelheit gemacht. "In Le Mans beispielsweise ist es nachts stockdunkel, man sieht noch nicht einmal den Scheitelpunkt der Kurven. Das wird bei der Formel E hoffentlich ein bisschen anders sein - sonst müssen wir vielleicht doch über Scheinwerfer am Auto nachdenken."
Alexander Sims (Mahindra) geht fest davon aus, dass die Strecke gut ausgeleuchtet sein wird. "Es wird uns beim Fahren nicht so sehr beeinflussen, dahingehend sollte alles gut zu sehen sein", erklärt er. "Wenn ich mir nur vorstelle, bei Dunkelheit in der Startaufstellung zu stehen... Das wird schon etwas ganz Besonderes. Ich freue mich sehr darauf!"
Wehrlein warnt vor Tunnelblick: "Alles kommt einem viel schneller vor"
"Ich fahre sehr gerne in der Nacht", sagt auch Pascal Wehrlein. Der Porsche-Neuzugang findet: "Das ist eine ganz besondere Atmosphäre. Alles kommt einem viel schneller vor." Wehrlein, der zwischen 2016 und 2017 bei insgesamt sechs Nachtrennen in der Formel 1 antrat, fürchtet sich nicht vor eingeschränkter Sicht: "Die Strecke wird hell erleuchtet sein. Trotzdem musst du dich als Fahrer sehr konzentrieren, weil dein Sichtfeld kleiner ist und du deine Referenzpunkte schlechter erkennst. Wenigstens wird man nicht von der Sonne geblendet."
In einer virtuellen Pressekonferenz von Porsche am Mittwoch erklärte der Deutsche auf Anfrage von 'e-Formel.de' zudem, dass auch die sinkenden Temperaturen nach Sonnenuntergang eine Rolle spielen können: "Den größten Unterschied (im Vergleich zu Rennen am Tag) werden wir bei den Reifen sehen. Klar: Wenn man sich tagsüber auf ein Qualifying vorbereitet, dann ist die Aufwärmrunde etwas anders als später, wenn keine Sonne mehr da ist und die Asphalttemperaturen niedriger sind."
"Da muss man versuchen, die Reifen ein bisschen besser auf Temperatur zu bekommen", meint Wehrlein. Ansonsten werde sich aber nicht viel ändern. "Wir gehen nicht davon aus, dass wir von der Batterietemperatur begrenzt werden. Der Hauptunterschied wird also bei den Reifen liegen, und vielleicht ein bisschen bei der Balance vom Auto", so der Porsche-Neuzugang.
Neben Rennen auch 1. Freies Training bei Dunkelheit
Die beiden Rennen in Diriyya starten in diesem Jahr um 20 Uhr Ortszeit, also deutlich nach dem Sonnenuntergang (Freitag: 17:53 Uhr, Samstag: 17:54 Uhr). Durch die Zeitverschiebung beginnen beide E-Prix somit um 18 Uhr deutscher Zeit. Das 1. Freie Training, das in diesem Jahr bereits am Donnerstag stattfindet, soll ebenfalls unter Flutlicht ausgetragen werden. Du kannst es ab 16:10 Uhr (MEZ) in unserem LGT Live-Ticker sowie in einem kostenfreien Livestream verfolgen.
Diese Möglichkeiten bieten wir die außerdem für sämtliche andere Trainings- und Qualifying-Sessions des Rennwochenendes an. Die Rennen sind außerdem im Free-TV zu sehen: Der erste Saisonlauf am Freitag kommt auf ProSieben Maxx, während Sat.1 den zweiten Lauf am Samstag zeigt.
zusätzliche Berichterstattung durch Timo Pape
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