Formel E

Formel-E-Fahrer müssen Fahrstil mit Allradantrieb anpassen: "Das Auto verwandelt sich nahezu"

Tobias Wirtz

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Dank des aktivierten Frontmotors haben die Gen3-Evo-Boliden der Formel E ab sofort viel mehr Vortrieb, wenn sie im 350-kW-Modus fahren. In der Duellphase des Qualifyings, beim Rennstart und im Attack-Mode werden die Fahrer die deutlich bessere Beschleunigung der Wagen nutzen können und aus dem Stand in weniger als zwei Sekunden auf 100 km/h beschleunigen. Das erfordert aber auch Anpassungen des Fahrstils, wie einige Piloten verraten.

"Wenn man auf 350 kW umsteigt, verwandelt sich das Auto nahezu", beschreibt Sam Bird bei e-Formel.de. "Früher musste man nur am Kurvenausgang etwas vorsichtiger sein. Jetzt muss man dort etwas Platz lassen. Aber nicht wegen Übersteuern, sondern weil man wegen der Leistung an der Vorderachse Untersteuern bekommt. Das Herausbeschleunigen ist mit Allrad und Traktionskontrolle komplett anders und unterscheidet sich deutlich. Aber wir haben das jetzt alle mehrfach beim Testen geübt, und ich denke, dass wir uns alle schnell daran gewöhnen."

"Heckantrieb ist das, was ich mein ganzes Leben lang gewohnt war - Allrad ist etwas, das ich noch nie hatte", sagt sein McLaren-Teamkollege Taylor Barnard an unserem Mikrofon. "Die Beschleunigung aus der Kurve heraus oder beim Start ist absolut unglaublich. Eine solche Beschleunigung habe ich noch nie zuvor in irgendeinem Auto erlebt."

Das Fahrverhalten der Gen3-Evo-Boliden mit Allradantrieb findet er nichtsdestotrotz etwas einfacher zu managen. "Wenn man ein bisschen zu schnell in die Kurve fährt, einen kleinen Fehler macht oder sogar ein bisschen mit der Balance des Autos zu kämpfen hat, kann man sich darauf verlassen, dass man viel Traktion hat", so Barnard weiter. "Wenn man zum Beispiel beim Einlenken ein wenig mit Übersteuern zu kämpfen hat, kann man mit Allrad einfach zu schnell in die Kurve fahren, lenken und viel früher wieder voll beschleunigen, weil man so viel Traktion hat."

"Fahren eher ein V" - Hughes erklärt alternative Kurvendurchfahrt

"Es ist auf jeden Fall eine Veränderung", erklärt auch Maserati-Fahrer Jake Hughes auf Nachfrage von e-Formel.de. "Man kann eine Kurvenform als V oder als U beschreiben. Beim Heckantrieb ist der Kurvenausgang kniffliger: Man versucht, die minimale Geschwindigkeit in der Kurve zu erhöhen, um Rundenzeit zu gewinnen. Beim Allrad will man das Auto so früh wie möglich gerade haben, weil es am Kurvenausgang so gut ist und das Maximum herausholt."

"Wir fahren eher ein V", beschreibt er weiter. "Also bremsen wir das Auto stark ab, lenken sehr aggressiv ein und fahren dann gerade aus der Kurve heraus. Das ist natürlich nicht nur für mich als Fahrer anders: Wie wir unsere Systeme für Zweirad- und Vierradantrieb einstellen, muss für die beiden verschiedenen Fahrstile ebenfalls unterschiedlich sein."

Besonders in schnellen Kurven müssen die Fahrer ihren Fahrstil anpassen, da sich das Fahrzeug nun unterschiedlich verhält: "Wenn man jetzt mit Allrad das Pedal berührt, spürt man das Ziehen der Vorderachse. Man bekommt also ein Untersteuern. Das ist ganz anders, weil man das Auto in einer Hochgeschwindigkeitskurve sonst mit dem Pedal balanciert und daher den Fuß immer ein wenig auf dem Pedal hat."

Dass die Fahrer ihr Fahrzeugsetup für den Allradantrieb verändern, hält Hughes jedoch für unwahrscheinlich. "Bei der Abstimmung können wir nicht so viel tun", gesteht er. "Wir werden uns hauptsächlich darauf konzentrieren, dass das Auto im Gruppenqualifying schnell ist, wenn man nur Hinterradantrieb hat. So ist ein Start unter den ersten Acht garantiert. Wegen des Parc Ferme können wir die Abstimmung nicht mehr ändern, wenn wir in die Duellphase kommen."

Welcher Fahrer seinen Fahrstil am besten auf den Allradantrieb anpassen kann, werden wir am Samstag sehen. Dann findet in Sao Paulo der Auftakt zur elften Formel-E-Saison statt.

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