Formel-E-Fotografin Lou Johnson im Interview: Jedes Foto erzählt eine Geschichte
Tobias Bluhm
Als fester Bestandteil des Formel-E-Fahrerlagers begleitet Fotografin Lou Johnson seit sieben Saisons alle Entwicklungen in der Elektroserie. Die Britin ist fasziniert davon, Persönlichkeiten ausschließlich in Bildern zu dokumentieren. Im Interview mit 'e-Formel.de' spricht Johnson über ihre Rolle in der Formel E, die Anfänge ihrer Fotografinnenkarriere und darüber, wie sie eine Begegnung mit Frank Biela prägte.
Alles fing im Frühjahr 2016 an. Als wir Lou Johnson zum Videointerview in ihrem mit Pflanzen und Fotorahmen dekorierten Wohnzimmer treffen, holt sie als erstes zum Paris E-Prix in jenem Jahr aus. Damals, bei ihrem ersten Einsatz an der Strecke, fotografierte sie für die Agentur Spacesuit Media die Stars, Sternchen und Gäste der Formel E im VIP-Club. Wenig später wurde sie von Spacesuit ein zweites Mal an die Strecke bestellt: zum Saisonfinale in London.
Im Battersea Park kämpften zu jener Zeit Sebastien Buemi (damals: Renault e.dams) und Lucas di Grassi (damals: ABT Sportsline) um den Titel der zweiten Formel-E-Saison. Johnson verfolgte große Teile des E-Prix erneut aus dem VIP-Bereich. "Irgendwann rief mich dann aber mein Chef (Spacesuit-Gründer Ross Ringham) an und fragte, ob ich mit dem Auftrag fertig sei. Er brauche nämlich dringend jemanden in der Renault-Garage", sagt sie heute. "Da war ich sofort Feuer und Flamme!"
In der Garage erlebte sie mit, wie sich Buemi am Ende eines regelrechten Shoot-outs um die Bonuspunkte für die schnellste Rennrunde zum Meister krönte. Johnson stand mitten im Getümmel, als die Entscheidung fiel - und begleitete das Geschehen mit ihrer Kamera. "Das war eine echte Feuertaufe!"
Mit dem Motorsport aufgewachsen
Die ersten Fotografie-Erfahrungen sammelte sie in einem Theater. Dass es sie eines Tages in den Motorsport zog, überrascht sie rückblickend trotzdem nicht.
"Es fing mit meinem Vater an, der in Brands Hatch die Hospitality für Audi betreute. Irgendwann kam Frank Biela in den Raum und zeigte mir seine Trophäe für den zweiten Platz. Ich meinte: 'Oh schön, aber das ist nicht Platz 1!' Damals war ich etwa fünf Jahre alt. Am Tag danach kam er wieder, stellte den Pokal für Platz 1 auf den Tisch und fragte: 'Ist das besser?'", lacht Johnson.
Die Leidenschaft fürs Fotografieren entdeckte Johnson schon in ihrer Jugend. Immer wieder besuchte sie Rennstrecken in Großbritannien und knipste die Autos von der Tribüne aus. Die Bilder teilte sie in sozialen Netzwerken - und schließlich wurde Spacesuit Media auf sie aufmerksam.
Video: Lou Johnson erklärt ihre Arbeit an der Rennstrecke
Um freie Motorsportfotografin zu werden, betont Johnson, gebe es allerdings keinen klassischen Weg. Sie rät dazu, vielfältige Erfahrungen zu sammeln und standhaft zu bleiben. "Da gibt es kein Richtig oder Falsch", so die 31-Jährige. "Es geht darum, durchzuhalten und irgendwann ein bisschen Glück zu haben. Bei mir war viel Glück im Spiel, allerdings habe ich dieses Glück genutzt, um neue Möglichkeiten zu schaffen. Man sollte keine Gelegenheit auslassen - dann klappt es schon!"
Vielfältiges Portfolio trotz engem Zeitplan an der Strecke
An den Strecken der Formel E erlebt Johnson seit ihrem ersten E-Prix ein vielfältiges Programm. Während der dritten Saison ergatterte sie sich einen festen Platz im Spacesuit-Streckenteam, später wurde sie außerdem mit den Fotos für Mahindra betraut - das indische Team wird seit 2014 von Spacesuit mit Bildern versorgt und war damals der erste Kunde der neu gegründeten Agentur. Inzwischen hat die Firma zahlreiche Kund:innen im Portfolio, darunter auch die Formel E selbst.
Von Portrait-Shootings mit den Rennfahrern, fahrenden Autos und emotionalen Ingenieur:innen bis zur Podiumszeremonie: Johnsons Formel-E-Portfolio ist gespickt mit verschiedenartigen Fotografien. "Im Motorsport muss man gleichzeitig vorausplanend und spontan sein. Ein Beispiel: Wenn ich eine Podiumsfeier mit Lucas di Grassi fotografiere, weiß ich, dass er ziemlich sicher springt. Ich wähle dann immer eine etwas weitere Einstellung, sonst habe ich nur seine Füße im Bild. Andererseits muss man manchmal auch spontan sein, wenn man beispielsweise 'rohe Emotionen' in den Garagen fotografiert."
Fotografin erklärt: So läuft ein Formel-E-Wochenende hinter der Kamera ab
Als eine der größten Herausforderungen benennt Johnson den engen Zeitplan an einem Rennwochenende. "Ich plane, etwa eine Stunde vor dem 1. Freien Training loszugehen. Oft verquatsche ich mich auf dem Weg mit Leuten, deswegen habe ich gern einen kleinen Zeitpuffer."
"An der Strecke geht es dann darum, möglichst verschiedene Motive für mein Team zu fotografieren. Das ist nicht so leicht, denn das Training dauert inzwischen nur noch 30 Minuten. Auch hier ist es wieder wichtig, flexibel zu bleiben, denn vielleicht ändert sich das Licht schneller als erwartet, oder es steht ein Zaun im Weg, der am Vortag noch nicht dort stand. Dann renne ich zurück, bearbeite so viele Bilder wie möglich, und schon beginnt das zweite Training", beschreibt Johnson. So ergeht es auch ihren Kolleg:innen - Spacesuit ist bei jedem Formel-E-Rennen mit einem bunt gemischten Team aus sechs Foto- und Videograf:innen vor Ort.
Die Qualifikation begleite Johnson gern aus der Garage, "denn da gibt es ein bisschen mehr Bewegung als im Training. Es werden Reifen gewechselt, Autos repariert und so weiter." Erst nach dem Qualifying entscheidet sich für sie, wie sie das eigentliche Rennen begleitet.
"Wenn 'meine' Fahrer weit vorn starten, muss ich unbedingt die erste Kurve nach dem Start fotografieren", erklärt Johnson, die während eines Renntages schätzungsweise 10.000 Fotos aufnimmt, von denen die besten für Kund:innen, Partner:innen und Medien in den Spacesuit Collections landen. "Und wenn sie um den Sieg kämpfen, dann muss ich meine Route so anlegen, dass ich es rechtzeitig zum Podium schaffe. Dann geht es wieder an die Bildbearbeitung und gegen 21:30 oder 22:00 Uhr ist mein Tag vorbei."
Dokumentation von Persönlichkeiten in den Garagen
Die Faszination der Motorsportfotografie machen für Johnson die menschlichen Geschichten aus. "Seit Corona fällt mir auf, dass mir die Menschen in der Formel E am besten gefallen. Das ist es, was mich schon immer fasziniert hat: Die Geschichten des Motorsports hinter den Kulissen und die Möglichkeit, ihre Geschichten nur mit Bildern zu erzählen. Ich liebe es zu dokumentieren, dass alle in der Garage ihre eigenen Persönlichkeiten und einen Sinn für Humor haben!"
Die nächste Gelegenheit an der Rennstrecke bekommt Johnson, die wie jedes andere Teammitglied selbst Anteile an Spacesuit Media hält, in weniger als einer Woche beim Saisonstart 2023 in Mexiko-Stadt. Das Rennen startet am 14. Januar, ProSieben überträgt den E-Prix in Deutschland live im TV.
Redaktioneller Hinweis: Spacesuit Media ist Foto-Partner von e-Formel.de.
Interview with Formula E photographer Lou Johnson: Every photo tells a story
As an integral part of the Formula E paddock, photographer Lou Johnson has been following developments in the electric series for seven seasons. The Brit is fascinated by documenting personalities exclusively in pictures. In an interview with 'e-Formel.de,' Johnson talks about her role in Formula E, the beginnings of her photography career and how an encounter with Frank Biela shaped her.
It all started in the spring of 2016. When we meet Lou Johnson for the video interview in her living room decorated with plants and photo frames, the first thing she does is bring up the Paris E-Prix that year. Back then, on her first assignment at the track, she was photographing the stars, starlets and guests of Formula E in the VIP Club for the Spacesuit Media agency. A short time later, Spacesuit called her to the track a second time: for the season finale in London.
At Battersea Park at the time, Sebastien Buemi (then: Renault e.dams) and Lucas di Grassi (then: ABT Sportsline) were battling for the title of the second Formula E season. Johnson again followed large parts of the E-Prix from the VIP area. "At some point, though, my boss (Spacesuit founder Ross Ringham) called me and asked if I was done with the job. Because he really needed someone in the Renault garage," she says today. "That's when I was immediately hooked!"
In the garage, she witnessed Buemi crowned champion at the end of a real shoot-out for the bonus points for the fastest race lap. Johnson was in the thick of the action when the decision was made - and accompanied the action with her camera. "That was a real baptism of fire!"
Grown up with motorsports
She gained her first experience of photography in a theater. Nevertheless, looking back, she is not surprised that one day she was drawn to motorsport.
"It started with my father, who was in charge of hospitality for Audi at Brands Hatch. At some point Frank Biela came into the room and showed me his trophy for second place. I was like, 'Oh nice, but that's not first place!' I was about five years old at the time. The day after, he came back and put the trophy for first place on the table and said, 'Is that better?" laughs Johnson.
Johnson discovered a passion for photography in her youth. Time and again, she visited race tracks in the United Kingdom and snapped the cars from the stands. She shared the pictures on social networks - and Spacesuit Media noticed.
To become a motorsports photographer, Johnson stresses, there is no classic path, however. She advises gaining a variety of experiences and remaining steadfast. "There's no right or wrong," the 31-year-old says. "It's about persevering and getting a little lucky at some point. For me, there was a lot of luck involved, however, I used that luck to create new opportunities. You shouldn't miss an opportunity - then it will work out!"
Diverse portfolio despite tight schedule at the track
At Formula E tracks, Johnson has experienced a diverse schedule since her first E-Prix. During the third season, she landed a permanent spot on the Spacesuit track team, and later she was also entrusted with the photos for Mahindra Racing - the Indian team has been supplied with images by Spacesuit since 2014 and was the first client of the newly founded. Since then, Spacesuit has added numerous clients to its portfolio, including Formula E itself.
From portrait shoots with the racers, moving cars and emotional engineers to podium ceremonies, Johnson's Formula E portfolio is peppered with diverse photography. "In motorsports, you have to be simultaneously forward-planning and spontaneous. For example: if I'm photographing a podium ceremony with Lucas di Grassi, I know he's pretty much going to jump. I then always choose a slightly wider shot, otherwise I only have his feet in the picture. On the other hand, sometimes you have to be spontaneous when photographing 'raw emotion' in the garages, for example."
Photographer explains how a Formula E weekend works behind the camera
Johnson names the tight schedule on a race weekend as one of the biggest challenges. "I plan to leave about an hour before the first free practice session. A lot of times I'll end up chatting to people on the way, so I like to have a little buffer of time."
"At the track, it's then a matter of photographing as many different motifs as possible for my team. That's not so easy, because the first practice session now only lasts 30 minutes. Again, it's important to stay flexible, because maybe the light changes faster than expected, or there's a fence in the way that wasn't there the day before. Then I run back, edit as many images as I can, and the second practice session begins," Johnson describes. This is also the case for her colleagues - Spacesuit has a team of six photographers and videographers on site for every Formula E race in season nine.
Johnson likes to cover qualifying from the garage, "because there's a bit more action than in practice. There are tires being changed, cars being repaired and so on." Only after qualifying does she decide how to accompany the actual race.
"If 'my' drivers are starting way up front, I definitely have to photograph the first turn after the start," explains Johnson, who takes an estimated 10,000 photos during a race day, the best of which end up in Spacesuit Collections for customers, partners and media. "And when they're competing for the win, I have to set up my route to make it to the podium in time. Then it's back to image editing, and around 9:30 or 10:00 p.m., my day is done."
Documenting personalities in the garages
For Johnson, the fascination of motorsports photography is the human stories. "Since Corona, I've noticed that I like the people in Formula E the best. That's what has always fascinated me: The behind-the-scenes stories of motorsport and being able to tell their stories with just pictures. I love documenting how everyone in the garage has their own personalities and sense of humor!"
Johnson, who owns shares in Spacesuit Media like several other team members, will get her next opportunity at the track in less than a week at the 2023 season opener in Mexico City. The race starts on January 14, and ProSieben will broadcast the E-Prix live on TV in Germany.
Editorial note: Spacesuit Media is a photo partner of e-Formel.de.
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