Formel E

Formel E: FanBoost offenbar stark durch Bots manipuliert

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Die FanBoost-Abstimmung des London ePrix wurde allem Anschein nach stark manipuliert. Das legt ein Bericht von 'Formula E Zone' nahe, in dem große Unstimmigkeiten im Voting-System der Formel E aufgedeckt werden. Die Untersuchungsgrundlage war eine Auswertung des Quellcodes der offiziellen FanBoost-Website. Mehrere Fahrer bekamen demnach Stimmen von Bots, also Computerskripten, die ohne einen menschlichen Benutzer wiederholt Stimmen abgaben. Dass der London ePrix der einzige Fall dieser Manipulation war, ist unwahrscheinlich.

Die Beschwerden von Fahrern und Fans, die ihrem Unmut über die ungerechte Verteilung des FanBoost vermehrt in sozialen Netzwerken Luft machten, bekommen damit endgültig Hand und Fuß. Speziell der Formel-E-Vizemeister Lucas di Grassi bemerkte häufig, dass das Verhältnis zwischen der Bestenliste beim FanBoost und den Posts in sozialen Medien nicht übereinstimmen könnten.

Wie der Bericht unserer Kollegen aus London nun aufzeigt, bekamen einige Piloten in den letzten Minuten vor dem Rennstart mehrere Tausend Stimmen. Diese hatten merkliche Auswirkungen auf den Ausgang der Abstimmung. Dass die Fahrer, Teams oder Serienverantwortlichen für die Manipulation verantwortlich sind, ist unwahrscheinlich - vielmehr liegt ein serienexterner Einfluss nahe.

Sicherheitslücke auf der FanBoost-Webseite

Wie berichtet wird, gilt die Regel von nur einer erlaubten Stimme pro Tag nicht für das Voting auf der FanBoost-Webseite und in der Formel-E-App. Man könne mit jeder beliebigen E-Mail-Adresse, die ein @-Zeichen und eine gültige Länderdomain (z.B. ".de") enthalte, eine Stimme abgeben. Ein Blockieren der IP-Adresse nutzt die Webseite also nicht.

Für Informatiker wird es damit zu einem Kinderspiel, Bots zu programmieren, die Zehntausende Stimmen pro Tag abgeben können. Eine Webseite, die solche Skripte zum Verkauf anbietet, bestätigte, Anfragen für Stimmkäufe erhalten zu haben: "Wir haben schon häufig mit dieser Webseite gearbeitet. Insgesamt haben acht verschiedene Käufer Stimmen für die Formel E erworben." Ein zweiter Anbieter erklärte Ähnliches, wollte die genauen Daten aber aus Datenschutzgründen nicht preisgeben.

25.000 Stimmen für di Grassi in nur 20 Minuten

Die Zahlen sind erschreckend. Während der zweiwöchigen Voting-Phase vor dem London ePrix vergaben die Bots Hunderttausende Stimmen an die Piloten. Insbesondere an den Tagen vor dem Rennen war die Aktivität der Computerprogramme hoch. So bekam unter anderem der Deutsche Nick Heidfeld (Mahindra) zwei Tage vor dem ersten London-Rennen ganze 32.000 Stimmen, obwohl er am Vorabend nur 408 Votes hatte. Das lässt sich nicht mit der Stimmenzählung auf Twitter oder Instagram erklären.

Heidfeld setzte sich damit an der Spitze ab und gewann nach einem weiteren Schub von 10.000 Bot-Stimmen kurz vor Rennstart den FanBoost. Ähnliches passierte Lucas di Grassi (ABT), Sebastien Buemi (e.dams) und Stephane Sarrazin (Venturi): Di Grassi bekam am letzten Tag 40.000 Stimmen, Buemi und Sarrazin jeweils 25.000.

Fast das Gleiche geschah vor dem Formel-E-Finale am Sonntag: Binnen weniger Stunden beeinflussten die Bots die Bestenliste, so gut wie jeder Fahrer war betroffen. In den letzten 20 Minuten vor dem Rennen gingen über 25.000 Stimmen für Lucas di Grassi ein, Heidfeld bekam in der gleichen Zeit 5.000 Stimmen.

Formel E unter Zugzwang

Nach dem FanBoost-Skandal wächst der Druck auf die Serienverantwortlichen. Tom Halls, der Digitalbeauftragte der Formel E, welcher die Abstimmung über den Energieschub für die Fahrer rege auf Twitter verteidigte, hält sich bisher bedeckt. Auch von PricewaterhouseCoopers, dem rechtlichen Partner der Formel E, fehlt noch ein Statement. Das Netzwerk hat die Aufgabe, für eine sichere Stimmabgabe und -auszählung zu sorgen.

Die Manipulation kann zwar nicht zu 100 Prozent zweifelsfrei belegt werden, jedoch sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache. Piloten wie di Grassi forderten bereits, das Voting ausschließlich auf die sozialen Netzwerke zu verschieben, weil so eine deutlich höhere Transparenz möglich wäre. Für die Zukunft der Formel E ist jedoch lediglich eine Ausweitung der Stimmabgabe auf die Plattformen Facebook und Weibo vorgesehen, nicht aber eine Veränderung am System. Möglicherweise könnten die Zahlen die Verantwortlichen nun aber doch zu einem Umdenken bewegen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Formel E zumindest zu den Vorwürfen äußert.

Die gesamte Auswertung zum FanBoost-Skandal (Zahlen, Graphen etc.) findet ihr hier zum Download.

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