Formel E

Formel E in Montreal: Di Grassi siegt, Buemi rastet nach Rennen aus

Timo Pape

Timo Pape

Unfassbares Formel-E-Rennen in Montreal! Lucas di Grassi hat sich von der Pole-Position aus den Sieg beim vorletzten Saisonlauf geholt. Durch insgesamt 28 Punkte am Samstag übernahm der ABT-Fahrer vor dem großen Finale (Sonntag, 22 Uhr) die Gesamtführung in der Meisterschaft. Sein Erzrivale Sebastien Buemi wurde nach einem frühen Rückschlag sowie einer furiosen Aufholjagd Vierter. Nach dem Rennen fluchte der sonst so zurückhaltende Schweizer zunächst über Funk, dann attackierte er mehrere Fahrer in der Boxengasse verbal (siehe Video unten).

Aber erst mal durchatmen. Wobei - schwierig. Gleich am Start geriet Buemi, der nach einem schweren Trainingsunfall mit anschließendem Batteriewechsel strafbedingt von Platz zwölf gestartet war, in die Zange. Er geriet mit Robin Frijns aneinander und verlor bereits in der ersten Kurve zahlreiche Plätze. Von Platz 17 aus musste er sich fortan wieder durch das Feld nach vorn arbeiten. An der Spitze machte di Grassi früh die Tür gegen Stephane Sarrazin zu und verteidigte seine Führung beim Start. Mitch Evans gewann zwei Plätze und war somit Vierter. Nico Prost hingegen verlor zwei Positionen.

Während an der Spitze Ruhe einkehrte, ging es weiter hinten zur Sache. Heidfeld arbeitete sich bis in die Punkte vor, doch auch Daniel Abt bewies grandiose Rennpace und ging schließlich an seinem Landsmann vorbei. Buemi, dessen Unfallauto gerade noch rechtzeitig vor dem Start fertig aufgebaut worden war, kämpfte sich Platz um Platz nach vorn, di Grassi baute seinen Vorsprung auf Sarrazin kontinuierlich bis auf mehr als drei Sekunden aus.

Dann der erste große Aufreger: Heidfeld versuchte, Loic Duval zu überholen und stach auf der Innenbahn hinein. Er war bereits neben dem Franzosen, die Kurve gehörte somit ihm. Trotzdem machte Duval die Tür zu, es kam zum Unfall. Der Dragon-Pilot drehte sich, doch schlimmer traf es Heidfeld, der sich an der Mauer die vordere Aufhängung brach. Nach wenigen Kurven blieb sein Mahindra auf der Strecke liegen. Es folgte eine Full-Course-Yellow-Phase, um das Auto zu bergen. Duval kassierte später eine Durchfahrtsstrafe für das Manöver.

Heikel: Abt fährt Buemi ins Heck

Die FCY-Phase nutzen fast alle Fahrer zum Boxenstopp, da bereits fast Rennhalbzeit war. Di Grassi behielt die Führung, doch Vergne schlüpfte am bis dahin Drittplatzierten Felix Rosenqvist vorbei. Für helle Aufregung sorgte jedoch eine andere Aktion: Abt fuhr direkt vor Buemi in die Boxengasse und verlangsamte offenbar mehr als nötig. Jedenfalls fluchte Buemi über Funk wie ein Rohrspatz und fuchtelte mit wilden Gesten herum, Abt halte ihn absichtlich auf und solle schneller fahren.

Beim Losfahren nach dem Fahrzeugwechsel überholte Buemi den Deutschen haarscharf - zu einer Strafe für "Unsafe Release" fehlte nicht viel. Dann beschleunigte Abt (trotz Full Course Yellow) und fuhr Buemi ins Heck. Eine heikle Szene, die auf den ersten Blick an Sebastian Vettels Manöver gegen Lewis Hamilton in Baku erinnerte. Abt sagte nach dem Rennen, Buemi habe ihn in der Boxengasse zuerst gerammt. Der Schweizer beschwerte sich aufs Bitterste über Funk, blieb aber vor Abt. Die Szene wurde von der Rennleitung untersucht. Gut eine halbe Stunde nach dem Rennen kam die Entwarnung für beide: "No further action"

Die beiden Streithähne kämpften sich bis zum Rennende im Formationsflug immer weiter nach vorn und erreichten nach vielen tollen Überholmanövern die Plätze vier und fünf. Nun tat sich allerdings auch an der Spitze etwas: Vergne überholte seinen Teamkollegen Sarrazin und machte als Zweiter fortan Jagd auf di Grassi, der rund fünf Sekunden enteilt war. Innerhalb weniger Runden halbierte er den Vorsprung und kämpfte an den Führenden heran.

Dann sorgte Jose Maria Lopez für den nächsten Aufreger. Der Argentinier verlor das Heck seines Virgin am Kurvenausgang und krachte seitlich in die Mauer. An eine Weiterfahrt war nicht mehr zu denken, das Wrack musste folglich abgeschleppt werden. Somit schickte die Rennleitung das Safety-Car auf die Strecke - alle Abstände waren dahin.

Zum Re-Start zündete di Grassi erfolgreich seinen FanBoost, den er wie auch Buemi und Vergne abermals gewonnen hatte, um sich zu verteidigen. Buemi ging wie erwartet an Teamkollege Prost vorbei, doch auch Abt folgte ihm nach einem tollen Überholmanöver. Wenige Runden später fiel Rosenqvist einige Plätze zurück. Der Schwede hatte am Ausgang der Schikane seitlich die Mauer gestreift und dabei offensichtlich Schaden genommen. Er wurde am Ende nur Zehnter - kein gutes Rennen für Mahindra.

Buemi verliert die Nerven

In den letzten Runden standen vor allem zwei Duelle im Fokus: Vergne pushte gegen di Grassi, konnte sich aber nicht entscheidend in Position bringen und bleib am Ende dahinter. Zudem biss sich Buemi an Sarrazin die Zähne aus. In der letzten Runde war er zwischenzeitlich sogar neben dem Techeetah-Fahrer, kam aber nicht vorbei. Nach der Zieldurchfahrt fluchte Buemi über Funk auf Französisch: "Merde! Merde!" - nicht die ganz feine Art. Di Grassi hingegen schrie ebenso über die Funkfrequenz - allerdings seinen Jubel heraus.

Nach dem Rennen in der Boxengasse wurde es noch turbulenter. Buemi - sichtlich angefressen - ging zunächst auf Felix da Costa zu und beschuldigte ihn, er habe ihm in der ersten Kurve die Lenkung kaputt gemacht. Als der Portugiese abwinkte, er sei das nicht gewesen, ging Buemi auf Felix da Costas Andretti-Kollegen Frijns zu und stellte ihn zur Rede. Der Niederländer sagte er habe keine Wahl gehabt, was Buemi aber nur bedingt interessierte. Es kam zu einem hitzigen Wortgefecht.

Als er den Andretti-Fahrern schließlich die Meinung gesagt hatte, traf er auch noch auf Daniel Abt. Beide diskutierten angeregt über den Zwischenfall in der Boxengasse. Buemi beschuldigte Abt, er habe ihn absichtlich gerammt. Als Buemi schließlich davonzog, drehte er sich einmal mehr um, um Abt noch einen letzten Gruß zu übermitteln: "Du bist ein schmutziger Typ! Schmutzig!" Zu Handgreiflichkeiten kam es glücklicherweise nicht, während vom Podium die Hymne für Sieger di Grassi herüber tönte.

In der Meisterschaft hat sich vor dem letzten Saisonlauf am Sonntag der Wind gedreht: Lucas di Grassi ist nun zum ersten Mal in dieser Saison der Gesamtführende und hat einen Vorsprung von sechs Punkten auf Buemi. Erneut wird es auf jeden Zähler ankommen, umso wichtiger wird das Qualifying ab 18 Uhr. Die Bonuspunkte für Pole-Position mal außen vor gelassen wäre Buemi mit einem Sieg Meister. Sollte di Grassi aber vor ihm ins Ziel kommen, hätte der Brasilianer den Titel quasi sicher. Nach dem heißen Tanz von Montreal am Samstag dürfte es Sonntag nur noch heißer werden. Wir begleiten den Finaltag wie gewohnt von morgens bis abends für dich im Live-Ticker, mit Berichten und Ergebnissen.

Das provisorische Rennergebnis

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