Kostendeckel erklärt: Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Formel-E-Finanzregeln
Tobias Bluhm
Im direkten Vergleich zur Formel 1 gilt die Formel E seit Jahren als ausgesprochen kosteneffizient. Die meisten Teams kommen schon jetzt mit einem operativen Budget von wenigen Millionen Euro pro Jahr aus. Hinzu kommen Kosten für die Antriebsentwicklung und Fahrergehälter in Höhe von bis zu 25 Mio. Euro. Doch obwohl diese Summen weit unter den Spitzensätzen der F1 liegen, wo eine Saison derzeit bis zu 140 Mio. US-Dollar kostet, gilt ab Oktober 2022 auch in der Elektroserie eine Kostenobergrenze.
Die Details der sogenannten "Cost Cap" bestätigte die FIA nach einem Treffen ihres Weltmotorsportrats im vergangenen Dezember. Schrittweise soll das Budget der Formel-E-Teams ab diesem Herbst beschränkt werden. Wie der Kostendeckel funktionieren wird, erfährst du in diesem Artikel.
Was ist das Ziel des Kostendeckels?
Jahr für Jahr steigen die Ausgaben der Formel-E-Teams. Zwar gibt es schon jetzt Obergrenzen für bestimmte Einheitsbauteile, beispielsweise beim Gen2-Chassis. Dieses müssen alle Teams zu einem Fixpreis von 299.600 Euro erwerben (Gen3: 340.000 Euro). Allerdings trieben erhöhte Entwicklungskosten für Antriebsstränge oder steigende Fahrergehälter die Einsatzkosten in der Formel E seit ihrer Debütsaison 2014/15 in die Höhe.
Um kleineren Teams, denen ohne Unterstützung eines großen Automobilherstellers weniger Geld zur Verfügung steht, ein faires Wettbewerbsumfeld zu garantieren, beschloss die Team- und Herstellervereinigung im letzten Jahr einstimmig eine Kostenobergrenze für die Formel E. Diese wurde schließlich im Dezember 2021 von der FIA bestätigt und als zusätzliches Regelwerk veröffentlicht.
Nutzen auch andere Sportarten eine Budget-Beschränkung?
Ja, darunter sogar auch einige Motorsportserien. In der Formel 1 kommt seit 2021 ein Kostendeckel zum Einsatz, der im letzten Jahr die Ausgaben aller Teams auf höchstens 145 Mio. US-Dollar limitierte. 2022 sinkt dieser Betrag auf 140 Mio. Dollar, ab 2023 beträgt die F1-Kostenobergrenze 135 Mio. Dollar.
Inspiriert wurden die Formel-1- und Formel-E-Kostendeckel vor allem vom US-Sport. Die NFL-, NBA- und NHL-Ligen für American Football, Basketball und Eishockey begrenzen seit mehreren Jahren, wie viel Geld Teams für die Gehälter ihrer Spieler ausgeben dürfen.
Wo liegt die Formel-E-Kostenobergrenze in der Gen3-Ära?
Genau genommen gibt es in der Formel E zwei Kostendeckel: einen für die Teams und einen für die Hersteller. In den ersten zwei Jahren der Gen3-Ära (Saisons 2022/23 und 2023/24) dürfen Teams grundlegend nicht mehr als 13 Mio. Euro in ihre Renneinsätze investieren. Der Herstellerrahmen begrenzt die Kosten für die Antriebsentwicklung auf 25 Mio. Euro.
Ab der elften Formel-E-Saison (2024/25) steigt der Team-Etat dann auf 15 Mio. Euro pro Jahr. Die Anhebung begründete die Formel E mit der "zweiten Phase des Gen3-Autos, weiterem Investment in Talente und in aktuelle Entwicklungen." Die Formulierung könnte ein geplantes Facelift des Gen3-Fahrzeugs andeuten, wie es ursprünglich auch mit dem Gen2 EVO der aktuellen Fahrzeuggeneration geplant war. Ob ein "Gen3 EVO" angedacht ist, ist momentan aber noch nicht offiziell bekannt.
Übersicht: Der jährliche Gen3-Finanzrahmen für Hersteller & Teams der Formel E
Saison (Jahr) | Kostendeckel Teams * | Kostendeckel Hersteller * |
Saison 8 (2022) | unbegrenzt | unbegrenzt |
Saison 9 (2022/23) | 13 Mio. Euro | 25 Mio. Euro |
Saison 10 (2023/24) | 13 Mio. Euro | 25 Mio. Euro |
Saison 11 (2024/25) |
15 Mio. Euro |
TBA |
Der Kostendeckel basiert auf der Annahme, dass in den betreffenden Saisons mindestens zwölf Rennwochenenden ausgetragen werden. Dabei ist es irrelevant, ob die Events als Einzelrennen oder Double-Header stattfinden. Werden weniger als zwölf Veranstaltungen ausgetragen, wird das jährliche Budget um 250.000 Euro × die Anzahl der Rennwochenenden gekürzt (z. B. 250.000 Euro × 10 Rennwochenenden = Kostendeckel sinkt um 2,5 Mio. Euro).
Analog dazu kann der Deckel auch um denselben Faktor angehoben werden, wenn mehr als zwölf Wochenenden stattfinden. Die in der oben stehenden Tabelle angeführten Beträge können in Abhängigkeit von unterschiedlichen Rennkalendern also jährlich angepasst werden.
Heißt das, dass Fahrer künftig nur noch 2 Mio. Euro verdienen dürfen?
Nein, denn der Finanzdeckel limitiert lediglich die Ausgaben eines Teams. Ab 2024/25 sind im "Geldtopf" von höchstens 15 Mio. Euro zwar auch die Fahrergehälter inbegriffen (anders als in den Budgets der Vorjahre). Jedoch können die Rennställe selbst wählen, welchen Teil ihrer Ressourcen sie jährlich an ihre Piloten überweisen.
Die Suche nach dem richtigen Verhältnis zwischen den guten, aber womöglich teureren Fahrern und dem für die Rennoperation erforderlichen Budget könnte also bei der Zuteilung der Ressourcen entscheidend werden.
Gibt es Ausnahmen von der Budget-Obergrenze?
Vorerst sind die Gehälter der Fahrer kein Teil des Formel-E-Kostendeckels. Diese zählen erst ab dem 1. Oktober 2024 zum Budget der Einsatzteams. Die Formel E will somit verhindern, dass "bereits ausgehandelte Verträge" annulliert und mit kleineren Fahrergehältern neu ausgehandelt werden müssen. Ebenfalls nicht zum Finanzrahmens gehören Ausgaben, die direkt auf Aktivitäten in den Bereichen Marketing, Finanzen, Rechtsgeschäfte oder Immobilien zurückzuführen sind.
Ausgenommen sind ebenfalls Abgaben wie die Einkommenssteuer, Sozialversicherungsbeiträge - sofern diese nicht 13,8 % des Bruttogehalts der Mitarbeiter:innen überschreiten -, Verluste bei Wechselkursen (relevant u. a. für in England ansässige Teams, die aber in Euro bezahlen), Strafzahlungen an die "Cost Cap Administration" der FIA und Wertverluste von immateriellem Vermögen (ausgenommen für den Rennbetrieb relevante Software und Patente).
Umgangssprachlich ausgedrückt: Der Kostendeckel bezieht sich ausschließlich auf die Dinge eines Teams/Herstellers, die zwingend dafür benötigt werden, um die Rennautos zu betreiben.
Aber was machen Hersteller, die eigene Werksteams einsetzen?
Die Finanzregeln der Formel E erfordern eine strenge Trennung zwischen Team- und Herstelleraktivitäten - vor allem bei den Werksrennställen von Porsche, Jaguar, Nissan, DS Automobiles/Maserati, Mahindra und Nio 333. Einzig Arbeitsschritte, die klar den Bereichen (1) Forschung & Entwicklung, (2) Herstellung & Produktion oder (3) verpflichtende Wartungen zugeordnet werden können, dürfen über die Konstrukteure abgerechnet werden. Alle anderen Aktivitäten fallen in die Legislatur des Team-Finanzrahmens.
Das hört sich gut an, aber wer überwacht den Kostenrahmen?
Für die FIA kontrolliert und reguliert die "Cost Cap Administration" (CCA) den Formel-E-Kostendeckel. Jedes Jahr müssen die Teams der Elektroserie an dieses Verwaltungsorgan einen umfassenden Finanzbericht in englischer oder französischer Sprache senden, den zwei offiziellen Sprachen der FIA.
Die CCA prüft die Dokumente und darf Untersuchungen einleiten, wenn Regelverstöße vermutet werden. Wird der Überblick zu spät eingereicht, könnte die CCA dem betreffenden Team sogar WM-Punkte abziehen.
Werden Teams bestraft, die zu viel Geld ausgeben?
Stellt die Cost Cap Administration einen Regelbruch fest, bietet sie dem betreffenden Team oder Hersteller ein "Accepted Breach Agreement" (ABA) an. Stimmen beide Seiten der Einigung zu - gesteht das Team/der Hersteller also den Regelbruch -, darf die CCA Sanktionen verhängen. Je nach dem Umfang des Regelbruchs sind verschiedene Strafen möglich:
- Geldstrafen
- öffentliche Verwarnung
- Abzug von WM-Punkten (Team- oder Fahrerwertung)
- Trainingssperre
- Qualifikationssperre
- Testbeschränkungen
- individuelle Reduktion des Kostendeckels
- bei schweren Verstößen: Rennsperre, WM-Ausschluss
Überschreitet ein Team/Hersteller das Kostenlimit um weniger als fünf Prozent, darf die CCA keine Rennsperren oder WM-Ausschlüsse verhängen. Akzeptiert ein Team oder Hersteller das Angebot zu einem ABA nicht, wird der Fall automatisch an ein FIA-Schiedsgericht weitergeleitet. Dieses "Cost Cap Adjudication Panel", besetzt von sechs bis zwölf unabhängigen Richter:innen, kann ebenfalls Sanktionen verhängen, wenn es das Team bzw. den Hersteller eines Regelbruchs schuldig befindet.
Löst der Kostendeckel die finanzielle Ungleichheit in der Formel E?
Das ist noch nicht sicher. In den nächsten vier Jahren dürfen die Hersteller insgesamt 106 Mio. Euro in ihre Einsatz- und Entwicklungsabteilungen investieren (vier Saisons mit Einsatzteams, zwei Antriebshomologationen). Das ist ein Gesamtbudget, mit dem Porsche, Nissan und Jaguar gewiss mehr anfangen können als die "kleinen" Konstrukteure Mahindra oder Nio 333.
Viele im Paddock sehen den Kostendeckel als längst überfälligen Schritt, der allerdings nicht weit genug geht. Die finanziellen Unterschiede zwischen mehr und weniger ressourcenstarken Herstellern könnten bestehen bleiben, fortan nur innerhalb eines einheitlichen Rahmens. Welche genauen Auswirkungen der Kostendeckel haben wird, bleibt also abzuwarten.
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