Formel E

Formel-E-Meister Vergne erklärt Funkaffäre: "Das war kein Crashgate"

Timo Pape

Timo Pape

Die erste Titelverteidigung der Formel-E-Geschichte vor etwas mehr als drei Wochen hatte einen leichten Beigeschmack. Wie am Sonntag des New York City E-Prix herauskam, hatte Meister Jean-Eric Vergne sein Team DS Techeetah während des Samstagsrennens per Funk aufgefordert, Teamkollege Andre Lotterer auf der Strecke zum Stehen zu bringen - um eine Safety-Car-Phase zu provozieren, die Vergne selbst in eine bessere Position gebracht hätte.

"Sagt Andre, er soll stoppen" - dieser Funkspruch sorgte nach dem Formel-E-Finale für reichlich Gesprächsstoff, erinnerte er doch an den "Crashgate"-Skandal der Formel 1 im Jahr 2009, als Renault-Teamchef Flavio Briatore Nelson Piquet aufforderte, einen Unfall zu bauen, um ebenfalls das Safety-Car zum Vorteil von Teamkollege Fernando Alonso auf die Strecke zu bringen. Zweifelsohne hatte die Causa Vergne eine andere Qualität. Vor allem ignorierte sein Team die Bitte, es blieb bei einem Funkspruch. Dennoch musste sich Vergne nach dem Rennen erklären.

So auch bei den Rennkommissaren. Nach einer kurzen Vernehmung erhielt der Franzose wegen unsportlichen Verhaltens einen Tag Sozialstunden als Strafe aufgebrummt. Die FIA-Kommissare schenkten Vergnes Erklärung Glauben, er habe sich um seine eigene Sicherheit und die der anderen Fahrer gesorgt. Hätte DS Techeetah auf den Funkspruch reagiert und Lotterer gestoppt, wäre die Sache aber sicherlich anders ausgegangen…

Doch was brachte Vergne überhaupt dazu, den vieldiskutierten Funkspruch abzusetzen? "Im Rennen am Samstag lief es unglücklich", erinnert sich Vergne im Interview mit den Kollegen von 'Motorsport.com'. "Es gab einen Stau, deshalb habe ich angehalten. Die Autos hinter mir näherten sich, und ein, zwei haben mich getroffen. Ich hatte hinten einen Reifenschaden, und mein Frontflügel war kaputt. Ich musste an die Box. Ich war froh, dass ich in derselben Runde wieder auf die Strecke kam."

"Ich war ziemlich gestresst"

Vergne war somit zwar nach wie vor im Rennen, hatte jedoch einen großen Rückstand auf den Rest des Feldes - die Punkteränge waren in weiter Ferne. "Ich war sehr gestresst", beschreibt der Franzose seine Gefühlslage. "Ich wollte am Samstag gewinnen. Alles andere wäre ein Versagen gewesen. Ich habe das Rennen als großen Misserfolg wahrgenommen, das war ein Rückschlag. Ich war zu hart zu mir selbst. Ich wollte einfach gut abschneiden an diesem Tag."

Dann kam es zum Funkspruch - für Vergne beinahe die normalste Sache der Welt: "Das war ziemlich einfach, wenn du siehst, dass der Teamkollege eine Runde zurückliegt, und sein Frontflügel kaputt ist. Ich fuhr durch die ersten beiden Kurven, und er war außen in Kurve 2. Sein Frontflügel war unter dem Auto, und er in der Bande. Ich habe gesehen, dass er an der Streckenbegrenzung gestoppt hatte. Er hat versucht rauszukommen. Wenn das Auto kaputt und er eine Runde zurück ist und es keine Punkte zu holen gibt, hätte jeder Fahrer in meiner Situation gesagt: 'Stoppe das Auto!' Wovon reden wir hier eigentlich? Da wurde eine große Story draus gemacht. Die ist es aber nicht. Das war kein Crashgate."

Vergne findet Strafe "hart" im Vergleich zu Vettel-Vergehen

Die Kritik kann Vergne deshalb auch mit etwas Abstand nicht nachvollziehen: "Ich habe nicht danach gefragt, dass er einen Unfall bauen soll. Nichts in der Art. Ich bin ja nicht dumm. Ich habe nach gar nichts verlangt. Was soll daran so falsch sein?" Dennoch nehme er die Schuld "gern" auf sich, da er als gutes Beispiel für alle Fahrer der Formel 1 und Formel E vorangehen wolle. Sein Eingeständnis: Er wolle sich mit Blick auf den eigenen Vorteil nicht mehr ständig am Funk beschweren. Dabei nimmt er auch seine Fahrerkollegen in die Pflicht.

Dass sein Funkspruche öffentlich zu hören war, sei Vergne jederzeit bewusst gewesen: "Das ist wie in der Formel 1, wie bei Vettel: Wir brennen im Auto. Das wollen die Leute doch sehen. Wenn wir Roboter wären, wäre das verdammt langweilig. Die Fahrer sind doch die, die es interessant machen - in der Hitze des Gefechts zu sehen, wie die Fahrer brennen. Ich finde die Strafe hart, wenn man überlegt, dass Vettel mal die gleiche Strafe bekommen hat, als er (2016 in Mexiko) 'Fuck off, Charlie' gesagt hat. Auf so einem Level war ich nicht."

Vergne kritisiert Audi: "Das war eine Rache an mir"

Argwohn hegt Vergne vor allem gegen Audi. "Ich habe gesehen, wie sie am Morgen zu den Stewards gegangen sind mit einem Papier und Geld. Ich habe sie mit einem Geldumschlag gesehen. Da können sie mich nicht anlügen. Du musst Geld zahlen, wenn du einen Protest einlegen willst. Das sind die Regeln. Ich habe nichts falsch gemacht. Vor allem ist Allan (McNish, Audi-Teamchef) ein Rennfahrer, er versteht so etwas. Jeder sollte das verstehen."

Audi stritt nach dem Rennen gegenüber 'e-Formel.de' ab, gegen Vergne protestiert zu haben. Auch in den offiziellen FIA-Dokumenten gibt es keinerlei Anmerkungen zu einem solchen Protest. Am Samstag hatte noch DS Techeetah Protest gegen Audi eingelegt, um sich über das vermeintlich harte Fahrverhalten von Lucas di Grassi gegen Andre Lotterer zu beschweren, das zum frühen Unfall geführt hatte. Vergne ist sich sicher, dass der Prostest - wenn es ihn denn gab - auf diese Aktion zurückzuführen ist: "Das war eine Rache an mir. Die sollen sie am Team nehmen, aber nicht an mir! Ich war in meinem Raum, habe mich geärgert und war traurig."

Angst, seinen Titel aufgrund der Funkaffäre zu verlieren, hatte Vergne übrigens nie: "Wieso sollte man mich für die ganze Saison disqualifizieren? Ihr Medien müsst da mal ein bisschen runterkommen. Die Story war so klein. Wir haben (mit der Rennleitung) nur für fünf Minuten geredet. Wir haben da sogar gelacht, es war kein Problem. Alles war gut", so Vergne.

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