Formel E

Formel-E-Nachhaltigkeitsboss Julia Palle im Interview: Wirtschaftlichkeit & Sustainability gehen Hand in Hand

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Julia-Palle-Formula-E-Sustainability-Director

Julia Palle ist Nachhaltigkeitsdirektorin der Formel E. Die Französin arbeitete nach ihrem Studium in Grenoble zunächst im Nachhaltigkeitsbereich des Reifenkonzerns Michelin, bevor sie bereits im März 2014 zur Formel E wechselte. Außerdem berät sie die Extreme E in Nachhaltigkeitsfragen und ist Präsidentin von Sport and Sustainability International. Im Rahmen des Berlin E-Prix hatte 'e-Formel.de' Gelegenheit, mit ihr zu sprechen.

Julia, was ist Ihre Aufgabe bei der Formel E?

Ich bin dafür verantwortlich, Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln und umzusetzen, die mit unseren Zielen im Einklang stehen. Wir wollen nachhaltigen menschlichen Fortschritt beschleunigen - insbesondere bei Veranstaltungen und im Motorsport, die sich auf Umweltschutz, soziale Inklusion und wirtschaftlichen Wohlstand beziehen.

Wie sehen diese Nachhaltigkeitsstrategien konkret aus?

Wir sind die erste Sportart der Welt, die sich an wissenschaftlich fundierten Zielen orientiert. Wir werden unsere CO2-Emissionen bis 2030 um 45 Prozent reduziert haben. Bereits im letzten Jahr haben wir eine Reduzierung um 24 Prozent erreicht. Wir wollen bis 2030 unseren Energieverbrauch um insgesamt 60 Prozent verringern und dazu 30 Prozent bei der Logistik einsparen. Und auf der sozialen Seite haben wir eine Partnerschaft mit UNICEF, die drei Millionen Kindern zugutekommen soll. Allein im ersten Jahr der Partnerschaft, 2022, konnten wir 700.000 junge Menschen erreichen.

Zusätzlich gibt es ja auch noch kleinere, lokale Partnerschaften.

Wir arbeiten da mehr qualitativ als quantitativ. Wir kooperieren immer mit lokalen Gemeinschaften. Hier in Berlin haben wir mit dem Flüchtlingsverein in Tempelhof zusammengearbeitet, dazu mit der Formula Student Germany, die einen Platz im E-Village hat, und einigen mehr. Es geht dabei immer darum, mit den Rennteams, unseren Partnern und den Zulieferern zusammenzuarbeiten, um authentische Programme zur Nachhaltigkeit umzusetzen.

Einen wichtigen Punkt bei der Nachhaltigkeit stellt ja auch der jährlich erscheinende Nachhaltigkeitsbericht der Formel E dar. Im Bericht von 2022 war die Rede davon, dass bei einigen Rennen auch Diesel zur Energieerzeugung verwendet wurde. Wie passt das zusammen?

Wir haben eine klare Energie-Strategie: Wir nutzen so viel Strom aus dem lokalen Stromnetz wie möglich, wobei wir sicherstellen, dass der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Wenn wir das Stromnetz nicht verwenden können, nutzen wir HVO, was im Grunde genommen ein Kraftstoff aus benutzten Speiseölen ist. Wenn wir entweder eine Ausfalllösung nutzen müssen oder ein logistisches Problem haben, dann - und nur dann - verwenden wir Diesel. Der Grundgedanke ist, dass das nur für den Fall einer Krise oder eines Stromausfalls ist, es ist niemals unsere Absicht. Aber als Notlösung müssen wir ein Back-up haben, und das ist Diesel.

Wie kam es denn dazu, dass in der abgelaufenen Saison diese Notlösung verwendet werden musste?

HVO ist ein sehr innovativer Kraftstoff. Der Nachteil der Verwendung für die Generatoren besteht darin, dass wir manchmal Schwierigkeiten mit dem Zoll haben. Das war bei einigen Rennen der Fall. Wo die Einfuhr blockiert wurde, mussten wir Diesel als Notfall-Ressource nutzen.

Einen Großteil der Emissionen macht ja der Transport aus. Wie plant die Formel E, dies zu verbessern?

Im Bereich Logistik arbeiten wir seit Jahren sehr eng mit DHL zusammen. Das ist für uns auch sehr wichtig, weil DHL als Unternehmen das gleiche Problem hat wie wir. Sie orientieren sich auch an wissenschaftlich fundierten Zielen und müssen einen Großteil ihrer CO2-Emissionen reduzieren. Um das zu erreichen, müssen sie viele neue und innovative Technologien verwenden. Daher arbeiten wir gemeinsam daran, Biokraftstoffe für die See- und Landfracht zu verwenden. Und wir untersuchen neue und innovative Technologien, wie zum Beispiel nachhaltiges Flugbenzin und ähnliche Projekte.

Auch die Zusammensetzung des Rennkalenders spielt hier eine große Rolle. Schon seit einigen Jahren gibt es Diskussionen über das Springen von Kontinent zu Kontinent.

Das ist eine Diskussion, die wir auf höchster Ebene führen. Alberto Longo, unser Chief Championship Officer, denkt jeden Tag darüber nach, wie er den Kalender optimieren kann. Es gibt dafür zwei gute Gründe, denn hier gehen Wirtschaftlichkeit und Sustainability Hand in Hand. Es kostet uns sehr viel mehr Geld, wenn wir weitere Strecken zurücklegen müssen. Außerdem erzeugt es deutlich mehr Emissionen. Die Realität ist aber auch, dass die Verfügbarkeit der Städte zum richtigen Zeitpunkt im Jahr uns manchmal keine andere Wahl lässt.

Was bedeutet das für die Strategie konkret?

Unser Ziel ist ein geografischer Ansatz: Wir versuchen, den Rennkalender so zu organisieren, dass wir geographische Blöcke haben. Wir haben immer versucht, den Kalender so effizient wie möglich zu gestalten. Manchmal müssen wir dafür aber mit den Städten zusammenarbeiten. Wir nehmen dann hin, dass es in einem Jahr nicht ideal ist. Aber wir können uns gemeinsam mit den Vertretern der Stadt überlegen, ob wir das Rennen ein oder zwei Jahre später nicht im Juni, sondern im Mai veranstalten wollen. Dann könnte man - nur mal als Beispiel - von Mexiko aus direkt nach Brasilien reisen.

Neben dem Transport der Fracht haben auch Geschäftsreisen einen großen Anteil an den Emissionen. Wie gehen Sie dieses Thema an?

Für Geschäftsreisen entwickeln wir gerade eine nachhaltige Reisestrategie für jeden in unserem Ökosystem. Nachhaltiges Flugbenzin schauen wir uns dabei sehr genau an, aber momentan ist es noch nicht kommerziell verfügbar. Wir sind hier noch in einer sehr frühen Phase. Gerade erst entwickelt die Stelle, die für Kraftstoffe im Bereich der Luftfahrt zuständig ist, ein Protokoll dazu. Wir sind der Entwicklung also wirklich zwei Jahre voraus.

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