Formel E

Formel E: So wichtig ist die Software

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Mehr Leistung, weniger Gewicht, talentiertere Fahrer, bessere Ingenieure, mehr Effizienz – im Motorsport dreht sich seit Jahrzehnten alles um die "Hardware". Speziell mit der offenen Entwicklung der Antriebsstränge rückt das Talent der Ingenieure und Fahrer in der Formel E immer mehr in den Vordergrund. Dabei gibt es einen Wettbewerb von Mensch und Maschine im klassischen Sinne seit Jahren nicht mehr. Neben dem fahrerischen Können der Piloten steht immer mehr die Software des Autos im Vordergrund.

Insbesondere in Saison eins, als die Formel E noch mit einheitlichen Fahrzeugen unterwegs war, machte die Software den Unterschied zwischen Podium und Hinterbänkler aus.

Seit Beginn der zweiten Saison haben die Antriebsstränge der Autos einen immer größeren Anteil am Erfolg eines Teams. Wer Geld in einen guten Motor investiert, steht weiter vorne – aber nach wie vor kann die Software aber das entscheidende Zünglein an der Waage sein. Speziell das "Battery Management System", kurz BMS, spielt in der voll elektrischen Formel E eine enorm wichtige Rolle. Wie der Name bereits verrät, überwacht und reguliert das BMS die elektrischen Systeme und die Batterie, während sich der Fahrer auf seinen eigentlichen Job konzentriert.

Insbesondere beim regenerativen Bremsen übernimmt das BMS eine wichtige Aufgabe. Ohne die Software würde der Akku der Fahrzeuge bei der Rekuperation (Aufladen der Batterie während des Fahrens durch Energierückgewinnung beim Bremsen) binnen weniger Sekunden aufgrund von Überhitzung abschalten. Das Prinzip kennt jeder vom eigenen Smartphone: Benutzt man das Handy während des Aufladens, läuft das Gerät nach einiger Zeit heiß.

Ein Auto, das mitdenkt

Doch die Formel-E-Autos können noch weitaus mehr, als die Batterie zu überwachen. Das Fahrzeug ist sogar dazu fähig, auf der Strecke eigene und unabhängige Entscheidungen zu treffen, beispielsweise in Sachen Strategie oder Energieeffizienz. So steuert ein Bereich der Software eigenständig, dass der Fahrer bei gleicher Leistung weniger Energie verbraucht, sollte dies zum Ende des Stints nötig sein. Die Elektroboliden verfügen quasi über eine Art Mini-KI.

Nichtsdestotrotz kann das Team die Intelligenz der Software nicht zu weit treiben. "Ein Auto, bei dem sich das Fahrverhalten ständig ändert, ist nicht gut zu fahren", erklärt Mahindras Elektronikchef Angus Lyon gegenüber 'The Verge'. "Womöglich macht die vorgeschlagene Softwarestrategie das Auto um ein bis zwei Zehntelsekunden pro Runde schneller, aber wenn die neue Taktik das Fahrverhalten der Autos zu stark verändert, sind wir bis zu eine Sekunde langsamer, nur weil der Fahrer das Vertrauen in sein Fahrzeug verliert."

Während die FIA den Teams in Sachen Hardware seit jeher mit einer "Technical Roadmap" unter die Arme greift, sind die Teams mit ihrer Software größtenteils auf sich gestellt. Jeder Rennstall nutzt eigens programmierte Codes.

Datenauswertung in kürzester Zeit

Während ein modernes Formel-1-Auto in Echtzeit über hunderte Kanäle riesige Datenmengen an die Boxenmauer sendet, bekommen die Formel-E-Teams so gut wie gar keine Live-Telemetrie während des Rennens. Abgesehen von Sektorenzeiten, GPS-Position sowie Batterietemperatur und –ladung bekommen die Teams nicht mehr Informationen als die Zuschauer vor dem Fernsehschirm. Erst wenn der Fahrer an die Box kommt, können zum Datenexport die Laptops an die ECU (elektronische Kontrolleinheit), das Herzstück des Autos, anschließen. Die ECU wird den Teams von der FIA zur Verfügung gestellt. Sie liefert ihnen mehrere Gigabyte an kritischen Daten pro Renntag.

Aufgrund der enorm kurzen Pausen zwischen den Sessions muss die Auswertung der Informationen des Autos in kürzester Zeit geschehen. Viele Teams beschäftigen Softwareexperten von Partnern wie HPE, die die "Big Data" analysieren und den Ingenieuren vor dem nächsten Einsatz Feedback geben. Ihre Arbeit findet zwischen den Sessions statt, während das Auto steht.

140 Stunden im Simulator für eine Stunde auf der Strecke

Da den Ingenieuren und Fahrern am Renntag nur wenig Zeit für die Einstellung und Bearbeitung eines Setups bleibt, müssen die Mechaniker mit einem bereits durchdachten Konzept an die Strecke reisen. Jedes Team muss daher das Rennen im Voraus durchgeplant und mehrmals simuliert haben.

Computer in den Workshops der Teams berechnen in umfassenden Simulationen schon Monate vor dem eigentlichen Event den erwarteten Energieverbrauch oder den Zeitverlust beim Überrunden. Zusätzliches Feedback kommt von den Fahrern, die für die Vorbereitungsarbeit im Simulator Platz nehmen und virtuell testen. Eine Stunde auf der Strecke benötigt über 140 Vorbereitungsstunden im Simulator.

Das Ergebnis der Arbeit im Simulator ist (neben dem Setup) ein sehr genauer Plan für das Energiemanagement im Rennen. Mahindra teilt das Rennen beispielsweise in Segmente mit je zwei Runden ein: Laufen die ersten beiden Runden nach Plan und gibt die eingebaute Strategiesoftware dem Fahrer positives Feedback, beginnt der nächste Zwei-Runden-Stint. Nutzt der Pilot zu viel Energie oder überhitzt er den Akku, hat das Team dank ausführlicher Simulationen für die folgenden Runden mehrere Alternativpläne zum Energiesparen parat.

Doch was passiert, wenn der Renntag nicht nach Plan verläuft? Auf den engen Straßenkursen passiert es schließlich schnell, dass das Auto in der Mauer landet oder die Aufhängung bricht und der Tagesplan durcheinander gebracht wird. "Dann müssen wir unsere originale Strategie einfach über den Haufen werfen und möglichst schnell eine neue Lösung aus dem Ärmel zaubern", sagt Lyon grinsend.

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