Formel E

Formel-E-Titelkampf spitzt sich zu - neue Rollen für de Vries, Felix da Costa, di Grassi & Bird

Timo Pape

Timo Pape

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Beim Jakarta E-Prix landeten die aktuellen Top-4-Fahrer der Formel-E-WM-Wertung 2022 auf den ersten vier Plätzen. Folgerichtig setzte sich das Quartett in der Gesamtwertung weiter ab. Nach neun von 16 Rennen zeichnet sich allmählich ab, wer um den letzten Titel der Gen2-Ära kämpfen dürfte - und wer nicht. Nyck de Vries, Antonio Felix da Costa, Lucas di Grassi - allesamt Formel-E-Champions - sowie Sam Bird finden sich erstmals in der Rolle wieder, womöglich für ihren jeweiligen Teamkollegen fahren zu müssen.

Stoffel Vandoorne stand in dieser Saison bereits fünfmal auf dem Podium, zweimal davon als Erster. Damit sammelte der Mercedes-Pilot bis dato 121 Zähler und führt die Fahrer-WM mit fünf Punkten Vorsprung auf Jean-Eric Vergne (DS) an. Nur zwei Pünktchen dahinter folgt Edo Mortara, weitere fünf Zähler dahinter Mitch Evans. Diese vier Fahrer haben derzeit die besten Chancen auf die Meisterschaft, denn hinter Evans klafft bereits eine Lücke von 28 Punkten, ehe Robin Frijns kommt.

Der Niederländer wird es schon schwierig haben, seine konstanten Widersacher einzuholen, doch für die Teamkollegen des Spitzenquartetts wird es noch unrealistischer: De Vries auf Position 6 liegt mit 65 Punkten bereits 56 Zähler hinter seinem Teamkollegen an der WM-Spitze. Die Mission Titelverteidigung scheint nach der erneuten Nullnummer für de Vries in Indonesien somit vom Tisch.

Auch di Grassi, (Neunter, 55 Punkte), Felix da Costa (Zehnter, 54 Punkte) und besonders Bird (Zwölfter, 30 Punkte) können ihre Titelträume trotz vorhandener Pace im Auto aller Voraussicht nach begraben. Für alle Vier ist es eine neue und ungewohnte Situation, mit der sie sich abfinden müssen. Denn in den vergangenen Jahren dominierten sie ihre Teamkollegen zumeist und fuhren zuallererst für sich selbst. Das dürfte sich nun ändern.

Schwere Zeiten für Teamchefs nahen

So knapp wie es an der Spitze zugeht, müssen die Teamchefs von Mercedes, DS Techeetah, Venturi und Jaguar früher oder später entscheiden, ob und inwiefern sie ihre Star-Piloten zur Teamorder bitten. Erste Anzeichen für derartige Taktikspielchen gab es bereits in Jakarta: Felix da Costa sollte im Qualifying-Finale zwischen beiden DS-Fahrern "das Auto schonen" - vermeintlich, um Vergne die Pole-Position inkl. der drei zugehörigen WM-Punkte zu überlassen. Diese Zähler brachten "JEV" letztlich den zweiten Gesamtrang ein…

Das Management der eigenen Fahrer dürfte durch diese neue Situation wichtiger denn je werden. Denn weder di Grassi noch Felix da Costa noch de Vries sind für ihre kleinen Egos bekannt. Auch dem ehrgeizigen Bird wird der klare Nummer-2-Status in dieser Saison schwer zu schaffen machen. Insofern dürfen sich Formel-E-Fans auf eine emotionale Schlussphase der Saison freuen, in der womöglich noch der eine oder andere Haussegen schiefhängen könnte. Ihr nächstes Kapitel schreibt die achte Formel-E-Saison am 2. Juli in Marrakesch.

Kommentar von Timo Pape: Neues Qualifying-Format greift

Einen Meisterschaftskampf wie in diesem Jahr hatten wir schon lange nicht mehr. Nach etwas mehr als der Hälfte der Saison hat sich eine klare Spitzengruppe etabliert, die den Titel womöglich unter sich ausmachen wird. Einen ähnlichen Mehrkampf, der nicht einen Großteil des gesamten Feldes einbezog, gab es zuletzt wohl in Saison 1. Damals kämpften in den letzten Rennen Nelson Piquet jr., Sebastien Buemi und Lucas di Grassi um die Meisterschaft.

Nun hat die Formel E das Szenario, das sie sich gewünscht hat: Fans und Medien freuen sich über einen "roten Faden" durch die Saison hindurch. Einen klaren und fairen Kampf der besten Fahrer, die sich auf den Strecken duellieren. Personalisierte Geschichten und streitbare Charaktere, mit denen man entweder mitfiebert oder denen man einen Batterieschaden wünscht. Formel-E-Saison 2022, wie bist du herrlich.

Dank sei dem neuen Qualifying-System, das zu dieser Saison eingeführt wurde. Aufgrund des Turniersystems haben die schnellsten Qualifyer tatsächlich fast immer die Möglichkeit, sich weit vorn zu qualifizieren. Überraschungen sind seltener geworden. Hinzu kommt, dass man nicht mehr so leicht vom Ende des Feldes an die Spitze fahren kann wie einst. Zu weit ist die technische Entwicklung inzwischen fortgeschritten, zu eng liegen die Teams beisammen.

Das neue Qualifying-Format greift also: Die Formel E ist keine unvorhersehbare Lotterie mehr, bei der jeder gewinnen kann. Sie feiert aber trotzdem ihre Helden.

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