Formel E unterstützt Menschen mit Sehbehinderung: "Was ist mit Leuten, die Rennen nicht sehen können?"
Jasmin Fromm
Paddy McGrath / Spacesuit Media
Wie kann man es Menschen mit Sehbehinderung ermöglichen, ein Formel-E-Rennen zu erleben? Mit genau dieser Frage hat sich die Elektro-Rennserie beschäftigt - und die Antwort darauf war ein großartiger Zufallsfund, wie Formel-E-CEO Jeff Dodds berichtet. Ab der kommenden Saison sollen nach den Rennen Audioberichte veröffentlicht werden, die die Rennen spannend und anschaulich wiedergeben.
Die Formel E arbeitet seit langem daran, die Rennserie für mehr Menschen zugänglich zu machen und das Fanerlebnis kontinuierlich zu verbessern. Ende Mai 2024 erklärte der damalige Chief Marketing Officer Henry Chilcott bereits in einem Interview mit Google Cloud: "Wir sehen für die Zukunft so viele Möglichkeiten, diese Technologie (künstliche Intelligenz) zu nutzen, um unsere Fans noch näher an den Sport heranzuführen." Was damals noch niemand ahnte: Nur wenige Monate später würde genau das Realität werden.
Ursprünglich wurde die Technologie jedoch gar nicht mit dem Ziel entwickelt, für Menschen mit Sehbehinderung genutzt zu werden. Erst später realisierte man dieses Potenzial. "Wir haben letztes Jahr einen großen Google-Hackathon zum Thema KI veranstaltet, der bei unserem Rennen in London stattfand", berichtet Jeff Dodds in einer aktuellen Folge des Podcasts The Room Where It Happened. "1.000 Menschen kamen zu diesem Hackathon. Am Ende gewann ein Programm, das innerhalb von 30 Sekunden die (Live-)Kommentare zu einer fünfminütigen Audiozusammenfassung des Rennens verpackte und diese in 40 verschiedene Sprachen übersetzte, um sie weltweit zu verbreiten."
Tatsächlich erhielt die Veranstaltung mit 1.130 Teilnehmern sogar für mehrere Monate einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde, bis die Zahl von einer anderen Veranstaltung übertroffen wurde. Die Entwickler hatten dabei acht Stunden Zeit, KI-Lösungen im Bereich von sieben vorgegebenen Themenfeldern zu entwickeln - alle natürlich mit direktem Bezug zu Formel-E-Rennen.
"Der Nervenkitzel des Elektro-Rennsports sollte für alle zugänglich sein"
"Das coole daran war: Jemand fragte: 'Was ist mit Menschen mit Sehbehinderungen, die das Rennen nicht sehen können? Kann man dieselbe Technologie nutzen, um ihnen eine Audiobeschreibung oder eine bessere Beschreibung des Rennverlaufs zu liefern?'", schildert Dodds weiter. "Deshalb sind wir eine Partnerschaft mit dem Royal National Institute of Blind People (RNIB) eingegangen, um zu prüfen, wie wir diese Technologie einsetzen können, um Menschen mit Sehbehinderung zu unterstützen. Der Nervenkitzel des Elektro-Rennsports sollte für alle zugänglich sein."
In der vergangenen Saison gab es an den Rennwochenenden in Berlin und London Fokusgruppen, in denen die Formel E mit Google Cloud und RNIB zusammenarbeiteten, um die Technologie zu testen und die Ergebnisse auf den Prüfstand zu stellen. "Diese innovative Zusammenarbeit mit Google Cloud ist ein fantastisches Beispiel dafür, wie Technologie für einen guten Zweck eingesetzt werden kann, indem sie blinden und sehbehinderten Fans eine völlig neue Möglichkeit bietet, die Dramatik und Emotionen unseres Sports zu erleben", so Dodds.
Die Zusammenarbeit mit dem RNIB stellt dabei sicher, dass das Ergebnis auch wirklich den Zweck erfüllt und alle wichtigen Aspekte Beachtung finden. "Die Audiodeskription verändert die Art und Weise, wie blinde und sehbehinderte Motorsportfans das gesamte Rennspektakel genießen können", beschreibt Sonali Rai, Leiterin für Medienkultur und immersive Technologien beim RNIB. "Sie können die Geräusche der Autos auf der Rennstrecke wahrnehmen und gleichzeitig die Leidenschaft der Zuschauer spüren."
Mehr als 15 Sprachen sind geplant
Um den Audiobericht zu erstellen, werden mehrere Arbeitsschritte durchlaufen: Der Live-Kommentar des Rennen wird transkribiert. Anschließend wird das Transkript zusammen mit den offiziellen Renninformationen analysiert. Somit werden die wichtigen Ereignisse des Rennens identifiziert, daraus wird eine Rennzusammenfassung generiert. Schließlich wird der Text in Sprache umgewandelt, wodurch ein Audiobericht entsteht, der zur Verbreitung bereit ist. Dieser gesamte Prozess soll innerhalb weniger Minuten nach Rennende abgeschlossen sein.
Die dadurch entstandenen Berichte sollen im Anschluss weltweit auf Spotify und anderen Audio-Plattformen veröffentlicht werden. Verfügbar sollen diese in mehr als 15 Sprachen sein, darunter Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch, Mandarin und Arabisch.
Die kommende Formel-E-Saison startet bereits in wenigen Wochen: Am 6. Dezember findet mit dem Sao Paulo E-Prix in Brasilien das erste Rennen statt. Nach dem E-Prix sollen dann die ersten Audio-Deskriptionen verfügbar sein.
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