Formel E

Formel E: Was bedeutet das neue Technische Regelwerk für 2018/19?

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

Die Formel E steht vor der größten Änderung am Technischen Reglement in ihrer noch jungen Geschichte. Ein neues Chassis, eine neue Batterie, neue Motoren-Mappings, Halo und ein Brake-by-Wire-Bremssystem sollen in der Saison 2018/19 für mehr Spannung denn je sorgen. Wir erklären dir die revolutionäre Technik, die die Schlagzeilen der Formel E in den kommenden Monaten bestimmen wird.

Zurück in die Zukunft

Die auffälligste äußere Änderung ist selbstverständlich der Wechsel vom ausgedienten SRT_01 E zum futuristischen SRT_05e-Chassis ("Gen2"). Das neue Formel-E-Auto ist 20 cm länger und 20 Kilogramm schwerer als das bisherige Modell. Die Radkästen sind vollständig verkleidet und schützen die Reifen vor Kontakt mit anderen Fahrzeugen. Außerdem bemerkenswert: Der Heckflügel, der bislang einen Großteil des Anpressdrucks auf der Hinterradachse generierte, wird durch einen großen Diffusor ersetzt. Wie dieser Diffusor funktioniert, haben wir dir in einem gesonderten Artikel erklärt.

Eine weitere wichtige Neuerung ist das überarbeitete Bremssystem der Fahrzeuge. Das "Brake-by-Wire"-System ist mit der elektronischen Kontrolleinheit (ECU) der Boliden gekoppelt und bestimmt, wie viel Druck auf die Bremsscheiben an der hinteren Achse ausgeübt werden muss, ohne dass der Fahrer manuell die Bremsbalance verstellen muss. Hintergrund ist unter anderem die Erhöhung der maximalen Rekuperation von 150 auf 250 kW, bei der das Rückdrehmoment der E-Motoren für die Fahrer deutlich schwieriger zu kontrollieren wäre. Verboten ist jedoch, das System so zu konfigurieren, dass es, beispielsweise in Kurven, die Hinterräder unterschiedlich abbremst. Der Bremsdruck muss gleichmäßig auf beide Räder verteilt werden.

Außerdem neu: Das Batteriemanagementsystem (BMS) wird nun nicht mehr aus dem Hauptakkumulator, sondern aus einer Hilfsbatterie gespeist. Diese ist auch für die Stromversorgung der ECU zuständig.

Felgen, Bremsen, Lenkung - diverse neue Vorschriften

Interessanterweise müssen die Felgen der Formel-E-Renner nun erstmals homologiert werden. In der Vergangenheit haben wir unterschiedliche Felgendesigns an den Boliden gesehen und bereits 2016 darüber berichtet. Ab sofort gibt es für die Teams keinen Entwicklungsspielraum mehr innerhalb der Saison. Die Lackierung der Felgen ist hiervon ausgenommen: Bis zu einer Dicke von einem Millimeter sind sogenannte kosmetische Beschichtungen und Aufkleber erlaubt. Außerdem ist zur Kühlung der Bremsen ausschließlich Umgebungsluft gestattet, die durch die Bremsbelüftung fließt. Dies verhindert Tricks mit Kühlöffnungen in den Felgen, wie es sie bei Mercedes in der Formel 1 gibt.

Der Mindest-Wendekreis der Wagen erhöht sich von 7,50 Meter auf 9 Meter. Erstmals erlaubt ist eine Servolenkung, deren Funktion sich jedoch ausschließlich darauf beschränken muss, die Lenkkräfte für die Fahrer zu verringern. Auch bei einem Ausfall von Hydraulik und Elektrik muss die Funktion der Lenkung gewährleistet sein. Neu ist ein Inerter, ein stabilisierender Dämpfer an der Hinterradaufhängung, der vertikale Bewegungen verhindern soll.

Stabilisatoren dürfen nun sechs Befestigungspunkte statt bisher fünf haben, zudem müssen Aufhängungsteile nicht mehr zwingend aus Stahl bestehen. Die Verwendung von anderen Metallen ist hier nun zulässig. Eine weitere Neuerung betrifft das Differenzial: Dies darf nicht mehr von elektrischen oder hydraulischen Systemen unterstützt werden.

Hallo Halo!

Auch in der Formel E hält das aus dem Werkstoff Titan bestehende Halo-System Einzug. Da die Verwendung von Titan in der Formel E bislang verboten war, wurde im Zuge der Einführung des Halo-Systems der entsprechende Paragraph im Technischen Reglement angepasst. Der Bügel, der nach der Formel 1 und Formel 2 Stück für Stück auch in allen anderen FIA-Monoposto-Serien eingeführt wird, soll den Kopf des Fahrers vor fliegenden Trümmerteilen wie Karbonstücken oder gar Reifen schützen. Bei einem Einschlag muss das System Belastungen von bis zu 125 kN standhalten, was etwa der Gewichtskraft von 12.500 Kilogramm entspricht. Kostenpunkt: 12.700 Euro.

Der "Heiligenschein" verschiebt zudem den Gewichtsschwerpunkt der Fahrzeuge nach oben. Der schwerste Teil der Autos bleibt dabei zwar das Heck, in dem Batterie, Motor, Getriebe und Inverter untergebracht sind, doch der Massenmittelpunkt wandert etwas nach oben. Dies erschwert das Ausbalancieren der Autos in Kurven, wenngleich man dem Effekt des Wankens mit einer neu designten Aufhängung und dem oben bereits angesprochenen Inerter entgegenwirken kann. Um zu verhindern, dass das System optisch zu sehr danach aussieht, als wäre es auf dem Chassis "aufgezwungen", darf die Befestigung mit zwei Lagen Kohlefaser laminiert werden.

Von WAE zu MAT

Auch unter der Haube verändert sich die Formel E. Nicht nur erlaubt die FIA den Teams, leistungsstärkere Motoren in ihre Boliden einzubauen (250 statt 200 kW). Auch die Batterie wurde grundlegend überarbeitet.

Fortan liefert nicht mehr Williams Advanced Engineering (WAE) die Lithium-Ionen-Aggregate für die Formel E, sondern McLaren Advanced Technologies (MAT). Die nutzbare Energiekapazität der Akkus verdoppelt sich nahezu von 28 kWh auf 52 kWh. Mit der größeren Kapazität geht aber auch ein höheres Gewicht der Batterie einher. Es erhöht sich von 230 kg auf 280 kg. Zudem muss alle Energie, die zum Antrieb des Autos verwendet wird, in der Batterie gespeichert werden. Dies bedeutet gleichzeitig, dass Energie aus dem Inverter nicht mehr zum Antrieb des Wagens genutzt werden darf.

Im Zuge dessen ändert die FIA die Regelung für das "Ladelicht" der Wagen: Während des Ladevorgangs darf das "Fahrbereit"-Licht statt 0,25 Sekunden nur noch 0,05 Sekunden leuchten, anschließend muss es statt für eine Sekunde nun für zwei Sekunden erlöschen. Aus einem schnellen Blinken wird also ein blitzartiges Aufleuchten.

Durch die höhere Kapazität der Akkus fällt der bislang verpflichtende Fahrzeugwechsel zur Rennhalbzeit weg. Infolgedessen wird die Verwendung von Gurten aus dem Langstreckensport mit zusätzlichen Sensoren, die überprüfen, ob das Gurtschloss korrekt geschlossen ist, überflüssig. Die FIA hat folgerichtig diesen Passus aus dem Reglement gestrichen.

Statt einem Boxenstopp hat sich die FIA eine interessante Strategie-Alternative einfallen lassen. Welches Rennformat in der nächsten Saison zum Einsatz kommen soll, erfährst du in einem Folgeartikel, in dem wir auch das neue Sportliche Reglement für dich beleuchten.

Zusätzliche Berichterstattung von Tobias Wirtz

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