Formel E

Formel-E-Weltmeister Oliver Rowland über seinen Weg zum Titel: "Darf es nicht vermasseln"

Thomas Grüssmer

Thomas Grüssmer

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In der vergangenen Saison konnte sich Nissan-Pilot Oliver Rowland den Traum der Fahrerweltmeisterschaft erfüllen. Der Weg dorthin war für ihn jedoch nicht immer einfach. In einem Interview sprach er nun über die Reise zum Titel. Er redete dabei unter anderem über seine Gründe für den Abschied von Mahindra mitten in Saison 9 und sprach auch darüber, wie seine Mentalität sich veränderte, als er vom Jäger der Titelfavoriten plötzlich zum Gejagten wurde.

Oliver Rowland stellte sein Talent schnell unter Beweis. Während der Saison 2018/19 wählte Nissan e.dams ihn als Ersatz für Alexander Albon, der seinen Vertrag damals schon unterschrieben hatte, in letzter Sekunde aber doch in die Formel 1 wechseln konnte. Eine Saison zuvor hatte er für Mahindra in Punta del Este sein Formel-E-Debüt als Ersatzfahrer für den verletzten Stammpiloten Nick Heidfeld gegeben. Der Brite zeigte in seiner ersten Saison als Stammfahrer direkt eine starke Pace und erzielte in Sanya, Paris und Monaco die Pole-Position. Für einen Sieg reichte es jedoch noch nicht. Sein erstes Formel-E-Rennen gewann Rowland 2020 beim Berlin E-Prix.

"Konnte es nicht mehr genießen"

Für Saison 2021/22 entschloss Rowland sich für den erneuten Wechsel zu Mahindra Racing. Hier blieb der Erfolg jedoch aus. Das führte dazu, dass Rowland das Team nach anderthalb Jahren mitten in der Saison verließ: "Ich kam an einen Punkt, wo ich es einfach nicht mehr genießen konnte", so Rowland im Interview auf FIAFormulaE.com. "Ich habe die Motivation ein wenig verloren und war an einem Ort, an dem ich wusste, dass es für mich eher unwahrscheinlich ist, die Resultate zu erzielen, die ich wollte. Als ich die Entscheidung traf, ging ich ein großes Risiko ein."

Vor der Saison 2023/24 entschied man sich bei Nissan, Rowland zurückzuholen. "Dadurch realisierte ich, dass ich auf lange Zeit gesehen einfach alles richtig machen und aus der Gelegenheit mit Nissan möglichst viel herausholen muss. Das war für mich wirklich die letzte Chance in der Formel E", reflektiert der Weltmeister weiter.

"Es ging darum, die bestmögliche Saison vorzubereiten"

Er zeigte erneut seine Klasse und holte Podien in Diriyah, Sao Paulo und Tokio. In Misano holte er sich seinen zweiten Sieg und mischte sogar im Titelgeschehen mit. Ausgebremst wurde er aber durch eine Erkrankung, die ihn dazu zwang, das Wochenende in Portland auszusetzen. Die Saison konnte er mit einem Sieg in London beenden und gab uns so einen Vorgeschmack auf das, was in Saison 11 kommen sollte: "Letztes Jahr machten wir uns nicht viel Druck. Was das Thema Effizienz angeht, hatten wir nicht das beste Auto. Wir haben es daher als Aufbaujahr genommen. Es ging darum, die bestmögliche Saison vorzubereiten, zu verstehen, was man braucht, um in der Formel E zu gewinnen, und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen", so Rowland über Saison 10.

Rowland brillierte in Saison 11 mit seiner überragenden Konstanz. Nach einem verpatzten Saisonstart in Sao Paulo aufgrund einer Durchfahrtsstrafe, startete er eine bemerkenswerte Serie: Sieben der acht darauffolgenden Rennen beendete er entweder auf dem ersten oder dem zweiten Platz. Das verschaffte ihm in der Meisterschaft einen enormen Vorsprung und mündete im Titelgewinn.

"Feedback wird bei unserem Team immer als positiv gesehen"

"Das Stärkste an unserem Team ist, dass jeder sich ständig verbessern möchte", beschreibt er. "Feedback wird niemals persönlich genommen Es wird immer als positiv gesehen und als Chance, um darauf aufzubauen. Da ist der Hunger und das Verlangen, sich zu verbessern. Wir wissen, dass wir nicht jedes Wochenende gewinnen können, aber wir haben eine gute Perspektive auf das, was möglich ist und wie wir unsere Ziele verfolgen."

Er fügte an: "Es gibt so viele 1-Prozent-Faktoren, die wir beachten und richtig machen mussten. Ein großes Lob geht also an das Team, das alles auf die Beine gestellt und mir die Gelegenheit gegeben hat, den Job zu erledigen."

Doch für Rowland selbst änderte sich auch einiges: "Ich kam in der Formel E mit großartigem Speed an, für eine Titelherausforderung hat es aber nie gereicht. Ich zweifle oft an meinen Fähigkeiten. Während der Anreise zum Event denke ich schon darüber nach, ob ich sehr hart arbeiten muss, um das meiste rauszuholen. Ich weiß, dass wir ein gutes Team und Auto hatten. Die ersten Rennen der Saison gaben mir das Gefühl, kämpfen zu können."

"Meine Position war nun das völlige Gegenteil"

"Im Vergleich zu den Saisons zuvor war meine Position nun das völlige Gegenteil. Anstatt die Titelanwärter zu jagen, wusste ich, dass ich einen großen Vorteil hatte. Mein Verstand sagte mir die ganze Zeit, dass ich es nur nicht vermasseln darf. Alle sprachen davon, dass es nur eine Frage der Zeit sei, wann ich den Titel gewinne und nicht ob. Ich empfand das anders. Ein gutes Wochenende von Pascal und ein schlechtes von mir könnte die Lücke stark schließen. In der Formel E ist nichts garantiert. Mein Fehler während des ersten Rennens in Berlin war daher wirklich enttäuschend", berichtet er.

"Am Sonntag vor dem zweiten Rennen fühlte ich mich komisch. Ich war sehr nervös und mir gingen ständig Dinge durch den Kopf. Ich fühlte mich, als hätte ich weinen können. Ich wusste, dass ich performen muss, um den Schaden zu begrenzen - vor allem, da Pascal von der Pole startete. Aber, ganz im typischen Formel-E-Stil schlug das Pendel in die andere Richtung aus" Nach diesem Rennen krönte er sich vorzeitig zum Weltmeister.

Rowland kam noch einmal auf die Zeit zu sprechen, als er Mahindra verlassen hatte: "Ich erinnere mich daran, nicht einschlafen zu können, bei dem Gedanken daran, dass ich keinen Vertrag hatte. Ich habe mich zum einen für meine Karriere und zum anderen für mich selbst in diese schwierige Situation gebracht. Mich davon zu erholen und in so einer Situation zu sein, macht mich glücklich. Das sind aber die Herausforderungen und Emotionen der Formel E."

"Sehe meine Karriere in der Formel E enden"

Der 33-jährige wagt zum Abschluss noch einen Blick in seine Zukunft: "Ich sehe meine Karriere in der Formel E enden - hoffentlich nicht zu bald. Ich möchte mit der Meisterschaft wachsen und sie in einem besseren Zustand wissen, wenn ich sie verlasse. Das Ziel ist es, die Serie mit noch schnelleren Autos und der fortschrittlichsten Technologie weiter wachsen zu lassen."

Ob ihm seine Konstanz auch in der kommenden Saison den Titel erneut bringen kann, bleibt abzuwarten. Sollte das klappen, wäre er nach Jean-Eric Vergne erst der zweite Fahrer der Formel-E-Geschichte, der seinen Titel nach dem Gewinn auch erfolgreich verteidigen kann.

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