Formel E wird in Jakarta zum Politikum: "E-Prix so wichtig wie Infrastruktur & sauberes Wasser"
Tobias Bluhm
Die Formel E steigt in Jakarta zunehmend zum Politikum auf. Während Oppositionsparteien in der indonesischen Hauptstadt bereits seit geraumer Zeit eine Absage des E-Prix fordern, erklärte der Gouverneur Jakartas nun, dass das Formel-E-Rennen "so wichtig wie Infrastruktur und sauberes Trinkwasser" sei. Das Rennen im Juni 2020 soll um jeden Preis stattfinden.
Die Äußerungen des Gouverneurs Anies Baswedan reihen sich als neuestes Kapitel in einen hitzigen Streit ein, der seit der Bekanntgabe des Jakarta-Rennens vor einigen Monaten auf lokalpolitischer Ebene tobt. Während Baswedans Fraktion im Stadtrat umgerechnet 26,5 Millionen Euro aus dem eigenen Haushalt für das Rennen investieren will, fordern Oppositionelle eine Absage des Rennens.
"Wir haben uns mit der Provinzregierung auf mehrere Finanzierungspläne in unserem Haushalt geeinigt - das Rennen war in keinem dieser wichtigen Pläne ein Teil der Verhandlungen", beschwert sich beispielsweise Anthony Winza Probowo von der "Indonesischen Solidaritätspartei", die eine Absage des E-Prix bewirken will, beim lokalen 'Kompas'. Das Rennen sei eine Veranstaltung "für die Mittel- und Oberschicht" der Gesellschaft. "Wir haben noch keine Investitionsstudie zum Rennen erhalten und wissen nichts über eine Gewinn- und Verlustrechnung des Events."
Formel E als Motor für "nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung"
Baswedan verteidigt sich: Die Formel E sei ein Anlass, bei dem erneuerbare Energien, der Tourismus, der Sport und Investitionen in die Stadt gefördert würden. Die Formel E gehöre zur städtischen Strategie für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung: "Und die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ist so wichtig wie die Entwicklung von Infrastruktur, Verkehrsanbindungen mit dem Zug, sauberes Trinkwasser, Wohnungsbau und die Abwasserbehandlung", so Baswedan.
Abgesehen von den ersten Investitionen in Höhe von rund 26,5 Millionen Euro (darin enthalten ist zum Großteil die übliche Lizenzgebühr für das Rennen) will der 50-Jährige den lokalen Formel-E-Promoter Jakpro mit einem Budget in Höhe von 49,5 Millionen Euro ausstatten. Mit den Geldern soll der Aufbau der Rennstrecke, Vorbereitungen für den E-Prix, Machbarkeitsstudien, Versicherungen, Werbung (in Summe rund 22,2 Millionen Euro) sowie die Banksicherheit (umgerechnet rund 28 Millionen Euro) finanziert werden.
Deja-vu aus Montreal
Kontrovers jedoch: Medienberichten zufolge schätzt ein interner Bericht den direkten Gewinn aus den Rennen, also die Gewinne aus Ticketverkäufen, Catering an der Strecke oder aus Sponsoring-Verträgen, auf nur rund 3,2 Millionen Euro. "Das ist aber noch ohne den Blick auf die Makro-Ebene", erklärt Jakpro-Sektretär Jani Sumarno. "Wenn wir einberechnen, welchen Profit die Hotels verbuchen werden, und wie der Tourismus angetrieben wird, rechnen wir mit einem Gewinn von 77,4 Millionen Euro." Der Jakarta E-Prix würde damit im ersten Jahr ein leichtes Minus von 1,4 Millionen Euro verbuchen und im Laufe der Vertragslaufzeit von fünf Jahren - so zumindest die Theorie - Geld in die Stadtkassen spülen.
Langjährigen Formel-E-Fans dürften ähnliche Versprechungen in düsterer Erinnerung sein. So wurde bereits der Montreal E-Prix zum Opfer einer lokalpolitischen Schlammschlacht, bei der der Formel-E-Lauf und seine intransparente Finanzierung zu einem der vordergründigsten Wahlkampfthemen avancierte. Nach einem Regierungswechsel kündigte die neue Bürgermeisterin im Dezember 2017 kurzerhand den Vertrag mit der Elektroserie auf.
Das Ergebnis eines Gerichtsprozesses, in dem die Formel E ursprünglich verlorene Einnahmen von 22,5 Millionen Euro einklagen wollte, steht bis heute aus. In Jakarta ist man sich jedoch sicher, dass das Rennen stattfinden wird. Die Planungen für den E-Prix am Nationaldenkmal Indonesiens laufen auf Hochtouren. Erst kürzlich besuchte im Rahmen eines Promotion-Besuchs Mercedes-Pilot Stoffel Vandoorne die 30-Millionen-Einwohner-Megalopolis. Vorerst ist der Jakarta E-Prix also auf Kurs. Ob er es auch bleibt, müssen wir abwarten. Wir halten dich selbstverständlich auf dem Laufenden.
Foto: Lou Johnson / Spacesuit Media
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