Jaguar-Frust wächst nach verkorkstem Rennen in Kapstadt: "Rückschlag für Meisterschaftsambitionen"
Tobias Wirtz
Jaguar TCS Racing ist beim Kapstadt E-Prix abermals weit unter seinen Möglichkeiten geblieben und konnte nichts Zählbares mit nach Hause nehmen. Insbesondere bei Sam Bird, der nach einem Unfall im Qualifying erst gar nicht zum Rennen starten konnte, sitzt der Frust tief. Doch auch Mitch Evans wurde erneut durch eine Strafe um Punkte gebracht.
Unterschiedlicher hätte das Qualifying für die beiden Jaguar-Piloten nicht laufen können: Mitch Evans zog als Zweiter der Gruppe B in die Duellphase ein, wo er Sebastien Buemi besiegte. Im Halbfinale unterlag er Maximilian Günther, was Startplatz 4 für den Neuseeländer bedeutete.
Sam Bird hingegen verunfallte im Hochgeschwindigkeitsabschnitt der Strecke, kurz nachdem dort auch Edoardo Mortara in die Wand eingeschlagen war. Bird schlug rückwärts in die Mauer ein und traf in der Folge seitlich das Fahrzeug von Mortara, das am Streckenrand stand. Flaggen wurden zu diesem Zeitpunkt an der Unfallstelle nicht geschwenkt. Laut eigener Aussagen sei Bird dabei von Renndirektor Scot Elkins, der mit einem Funkspruch an alle Fahrer einen Trainingsabbruch mit der roten Flagge ankündigte, abgelenkt worden.
Nach dem Qualifying stellten die Jaguar-Mechaniker fest, dass das Kohlefaser-Monocoque an Birds Fahrzeug beim Crash zu stark beschädigt worden war und getauscht werden müsse. In der Kürze der Zeit bis zum Rennstart war dies jedoch nicht möglich, sodass Bird das Rennen verpasste.
Bird beklagt "wirklich gefährliche Situation"
"Wenn es einen Unfall gegeben hat, sollten die Fahrer zumindest gewarnt werden, vor allem in einer Hochgeschwindigkeitskurve", beklagt Sam Bird bei den Kollegen von 'The Race'. "Das hat mich in eine wirklich gefährliche Situation gebracht. Ich habe das Gefühl, dass mein Wochenende aufgrund von Faktoren, die außerhalb meiner Kontrolle liegen und die ich nicht kontrollieren kann, zerstört wurde."
"Das Team hat super hart gearbeitet", beschreibt Bird weiter. "Wir waren gut vorbereitet. Wir haben so viel investiert und sind immer schnell. Wir sind jedes Mal unter den ersten Drei oder Vier, wenn wir auf der Strecke sind. Und wenn uns das genommen wird, ist das wirklich knifflig."
"Die Jungs sind echt niedergeschlagen - ich bin niedergeschlagen", fährt er fort. "Ich will einfach wieder ein gutes Ergebnis, aber es ist schon sehr lange her. Ich habe das Gefühl, dass ich es verdiene. Ich fahre gut, aber ich kann nichts Zählbares vorweisen."
Es ist nach dem "Double-Header" in Seoul im vergangenen Sommer bereits das dritte Rennen, das Bird nicht bestreiten konnte. Zuvor war er in sämtlichen 98 E-Prix der Formel-E-Geschichte angetreten. Da Bird nicht fahren konnte, hat der Unfall außerdem Konsequenzen für das Rennen in Sao Paulo: Die Durchfahrtsstrafe, die er in Hyderabad für das Verursachen der Kollision mit Mitch Evans erhielt, gilt für das nächste Rennen, in dem der Fahrer an den Start geht. Bird wird daher in Brasilien um fünf Positionen nach hinten versetzt.
Evans: "Ein weiterer enttäuschender Rückschlag"
Mitch Evans hatte einen guten Start und konnte den vierten Platz verteidigen. Es gelang ihm in der Anfangsphase, sich ein Energiepolster für das restliche Rennen aufzubauen. Dann jedoch die Hiobsbotschaft für den Neuseeländer: Er erhielt eine Durchfahrtsstrafe, da er beim Rennstart mehr als die maximal erlaubten 300 kW Leistung aus der Batterie abgerufen hatte. Zwar ist die Ursache für einen derartigen Verstoß in der Technik oder der Software zu finden, der Fahrer wird aber dennoch bestraft, obwohl er nichts dafür kann.
Evans fiel dadurch auf den letzten Platz zurück. Da es bis zum Rennende jedoch keine Safety-Car-Phase mehr gab, fuhr er dem Feld mit deutlichem Abstand hinterher. Er profitierte am Ende noch von den Ausfällen von Günther und Sacha Fenestraz, sodass er im Ziel die elfte Position belegte. Punkte erhielt er demnach wieder nicht.
"Der heutige Tag war ein weiterer enttäuschender Rückschlag für meine Meisterschaftsambitionen", beschreibt Mitch Evans. "Wir wissen, dass wir ein unglaublich schnelles Auto haben. Aber ich war nicht in der Lage, die Punkte zu holen, die das Team meiner Meinung nach verdient hätte. Wir werden es in Sao Paulo erneut versuchen."
"Wir analysieren die Daten noch, um zu sehen, wie es zu dem Overpower-Verstoß bei Mitch kam", beschreibt Teamchef James Barclay. "Abhängig davon werden wir entscheiden, wie wir fortfahren. Es ist sehr frustrierend, weil wir erneut sehr stark waren. Mitch hielt den vierten Platz sicher, und wir haben uns Energie für einen späteren Zeitpunkt im Rennen aufgespart. Aber es ist, wie es ist. Wir müssen verstehen, wo das Problem lag, und es beheben."
Teamchef Barclay: "Sam ist am Boden zerstört"
"Sam ist am Boden zerstört", sagt Barclay über seinen zweiten Fahrer. "Er ist gut gefahren, hat richtig gut performt, und das Auto war schnell. Es war ein vermeidbarer Unfall, wenn man ehrlich ist. Die rote Flagge hätte direkt rauskommen müssen. Wir alle, die gesamte Meisterschaft, müssen aus solchen Situationen lernen. Das ist kein Vorwurf, aber wir müssen das verbessern."
"Wir haben ein komplett zerstörtes Fahrzeug, und Sam hat es nicht mehr zum Rennen geschafft", erklärt der Südafrikaner. "Als Team haben wir schon gezeigt, dass wir auch bei schwierigen Bedingungen die Autos fürs Rennen fertig bekommen. Aber bei diesem großen Schaden war das heute einfach unmöglich. Es ist ein wirklich harter Tag für uns. Aber wir haben gezeigt, dass das Auto super schnell ist. Das Glück wird wieder auf unserer Seite sein, wir müssen nur dranbleiben."
Anstatt um die Meisterschaft zu kämpfen, belegt Jaguar TCS Racing mit 42 Punkten nur den sechsten Platz in der Teamwertung. Porsche hat bereits dreimal so viele Zähler gesammelt. Auch die Fahrer liegen in der Gesamtwertung weit hinter ihren Möglichkeiten: Sam Bird ist Achter, Mitch Evans liegt auf Platz 12.
In gut dreieinhalb Wochen haben die Fahrer die Gelegenheit, das zu ändern: Die Formel E fährt am 25. März zum ersten Mal in Brasilien und trägt den Sao Paulo E-Prix aus.
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