Formel E

Das steht im Formel-E-Vertrag mit Santiago - Sportminister gerät in Erklärungsnot

Tobias Bluhm

Tobias Bluhm

In den vergangenen Monaten berichteten wir immer wieder über das politische Chaos, das das Formel-E-Saisonfinale in Montreal hinterlassen hat. Der kontroverse E-Prix stieg im Herbst des vergangenen Jahres zum Wahlkampfthema auf und führte, selbstverständlich neben anderen Gründen, sogar zu einem Machtwechsel in der Lokalpolitik. Nachdem die neue Bürgermeisterin das Rennen schließlich absagte und die Elektroserie aus der Innenstadt verbannte, bahnt sich in Chile nun ein ähnliches Szenario an. Der Sportminister gerät in Erklärungsnot.

Hintergrund des drohenden Unheils sind mehrere geleakte Papiere, die auch e-Formel.de vorliegen. Konkret handelt es sich dabei um das vertragliche Übereinkommen der Elektroserie mit Santiago, der Hauptstadt des südamerikanischen Landes, in der das Formel-E-Rennen stattfinden wird. So findet sich neben Festlegungen zum Austragungsort, den Vermarktungsrechten und der Aufgabenverteilung auch eine Klausel, die sich auf die Finanzen bezieht, im Vertrag.

"Die Regierung unterstützt das Event mit einem finanziellen Zuschuss in Höhe von maximal 2.140.000.000 chilenischen Pesos", heißt es im Kontrakt. Diese Summe entspricht umgerechnet rund 2,93 Millionen Euro. Die erste Hälfte musste bereits am 31. Dezember 2017 bezahlt werden, die restlichen 1,47 Millionen Euro sollen bis zum 31. Januar 2018 überwiesen sein.

Außerdem interessant: Die Formulierung "die Regierung" bezieht sich tatsächlich auf Mitglieder des Kabinetts von Chiles Staatspräsidentin Michelle Bachelet. In das Formel-E-Projekt in Santiago sind, neben der FEO (Formula E Operations) unter der Leitung von Serienchef Alejandro Agag, auch das föderale Energie- und Sportministerium sowie der Intendant der Metropolregion Santiago involviert.

Sportminister gerät in Erklärungsnot

Chilenische Athleten, die in den letzten Jahren kaum durch das Sportministerium gefördert wurden, zeigen sich überrascht von den Zahlen. "Das ist eine Menge Geld", wundert sich Francisca Crovetto, Vorsitzende des chilenischen Leistungssport-Verbandes und ehemalige Olympia-Skeet-Schützin, bei 'Emol.com'. "Es ist erstaunlich, dass die Regierung seit Jahren sparen möchte, uns das Budget kürzt, aber für so ein Event doch noch das Geld findet. Ich finde, dass uns der Sportminister das erklären sollte."

Dieser ist inzwischen selbst an die Öffentlichkeit getreten. "Das Sportministerium bezahlt nur 15 Prozent der Gesamtkosten", erklärt der 54-Jährige. "Weitere 15 Prozent übernimmt das Energieministerium, die üblichen Anteile werden vom privaten Rennveranstalter übernommen. Unser Beitrag stammt zudem zur Hälfte aus den Resten vom 2017er- und zur Hälfte aus dem 2018er-Haushalt. Auch hier haben wir die Effizienz also optimiert. Die Formel E ist für Chile der ideale Weg, mit einem großen Sportevent Elektromobilität, Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien zu fördern."

Bürgermeister beruhigt Anwohner

Fast bemerkenswerter als die Kosten, die das Event verursacht, ist, dass offenbar kein Verantwortlicher der Stadt Santiago (Santiago de Chile ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz) in die ursprüngliche Planung involviert war. Obwohl das Dokument mit einer vollständigen Streckenskizze endet, fehlen jegliche Anzeichen auf etwaige Kompensationen für die Anwohner oder Richtlinien für den Auf- und Abbau der Strecke im O'Higgins Park im Stadtzentrum.

"Seit dem Vertragsschluss im Juni des letzten Jahres mussten wir jede Menge zur Vereinbarung hinzufügen, weil wir schlicht und ergreifend nicht nach unseren Wünschen gefragt wurden", schreibt Santiagos Bürgermeister Felipe Alessandri in einem Brief in der Tageszeitung 'El Mercurio'. "Ich kann den Bürgern aber versichern, dass für das Rennen keine Bäume gefällt, keine Steine verlegt und keine Arbeiten in der Nacht erledigt werden müssen. Wir legen für das Rennen die höchsten Standards zum Schutz des Parks zugrunde."

"Der Aufbau der Strecke wird nicht beginnen, bevor wir nicht alle rechtlichen Dokumente haben, die uns unsere Adaptionen des Vertrags bestätigen. Somit können wir sicherstellen, dass wir unsere Stadt vor den Augen der Welt präsentieren können, ohne selbst noch dabei zu Schaden zu nehmen."

Zuvor äußerten bereits erste Bürgervereinigungen Bedenken am Denkmalschutz und möglichen Einschränkungen für die Anwohner. Auch eine Absage oder eine Verlegung des Rennens in eine andere Gegend der Stadt wurde bereits gefordert - für den Moment zumindest aber ohne Erfolg.

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