Günther, Beckmann, Wehrlein: So steht es um die Erfolgschancen des deutschen Formel-E-Trios
Redaktion
Zum Start in die Formel-E-Saison 2024/25 sind mit Pascal Wehrlein, David Beckmann und Maximilian Günther drei deutsche Rennfahrer am Start. Das Trio beginnt das neue Motorsportjahr mit unterschiedlichen Vorzeichen. Wie sind ihre Aussichten auf Erfolg, wie entscheidend werden teaminterne Zweikämpfe? Eine Analyse.
Als Pascal Wehrlein im Sommer den Zielstrich beim Saisonfinale in London überquerte, streckte er die geballte Faust aus dem Fahrzeug. Fünf Saisons und 80 Rennen hatte er benötigt, um dieses Ziel zu erreichen: Weltmeister in der Formel E! Nach einer ereignisreichen und bisweilen emotionalen Saison widmete er den Titel mit überschwänglicher Freude noch am Teamfunk seiner Tochter Soleya.
Wehrleins Formel-E-Erfolg zählt, so berichtete er es im Nachgang immer wieder, zu den größten seiner Karriere. Und so überrascht es nicht, dass der 30-Jährige es noch einmal mit dem Porsche-Werksteam wissen will. Ein entscheidender Unterschied im Vergleich zu seiner Meistersaison: Dieses Mal hat Wehrlein das sprichwörtliche Fadenkreuz auf dem Rücken. Er wird, um ein etwas abgedroschenes Bild zu bemühen, vom Jäger zum Gejagten.
Porsche will Wehrlein zum WM-Favoriten machen
Die Vorsaison-Testfahrten für Wehrlein verliefen unauffällig. Erneut scheint das Porsche-Werksteam, das in den vergangenen Monaten große Ressourcen in die Entwicklung des neuen Allradantriebs steckte, für die Saison sehr gut aufgestellt zu sein. Pausen gab es seit London kaum, berichtete Teamchef Florian Modlinger kürzlich an unserem Mikrofon. Sein Team richtet alles darauf aus, erneut um die WM-Titel der Fahrer, Teams und Hersteller zu fahren. Und bringt Wehrlein somit erneut in eine Position, in der er zu den Titelfavoriten gezählt werden muss.
In der Konstrukteurswertung hat die Mannschaft aus Weissach bei Stuttgart ab 2024/25 einen neuen Sparringspartner gefunden. Nicht mehr allein das US-amerikanische Team Andretti wird Porsches Antriebsstränge einsetzen. Auch Kiro, der Nachfolger von ERT, setzt jetzt auf Porsche. Und auf Porsches Fahrerkader.
Beckmann muss seine Chance nutzen
Denn dass David Beckmann zum Formel-E-Stammfahrer geworden ist, hat der Deutsche auch seiner Verbindung zu Porsche zu verdanken. Die offizielle Aussage ist, dass Kiro im Zuge des Deals mit Porsche aktiv deren Entwicklungsfahrer Beckmann angefragt hat. Dem 24-Jährigen werden die Umstände seines neuen Jobs herzlich egal sein: Bei e-Formel.de äußerte er 2017 erstmals Interesse an der Meisterschaft. Nun hat er seinen erhofften Stammplatz bekommen.
Bei den Vorsaison-Testfahrten in Jarama zeigte sich Beckmann durchaus wettbewerbsfähig, konnte in einzelnen Runs seinem erfahrenen und blitzschnellen Teamkollegen Dan Ticktum die Stirn bieten. Der Brite dürfte zu Beckmanns wichtigstem Konkurrenten werden. Schlägt er ihn, könnte Beckmann mittelfristig sogar von einem Werkscockpit bei Porsche träumen. Seine Entwicklung wird gewiss mit großem Interesse von Modlinger und Co. verfolgt werden. Beckmann sollte diese Chance nutzen und wird angesichts des Kiro-Tempos bei den Spanien-Tests auf einen Platz in der oberen Tabellenhälfte hoffen.
"Vor einer neuen Saison ist es wichtig, bescheidene Erwartungen zu haben, aber in einer so wilden Serie wie dieser gibt es in jeder einzelnen Runde offene Möglichkeiten", glaubt Beckmann. "Nach einem vielversprechenden Vorsaison-Test bin ich zuversichtlich, dass wir diese Einstellung in regelmäßige Top-10-Platzierungen umsetzen können. Kiro Race Co. ist hungrig, ehrgeizig und bereit, in der Formel E ein Zeichen zu setzen, und das ist genau die Art von Umfeld, in dem ich als Rennfahrer aufblühe."
Internes DS-Duell wird für Günther entscheidend
Einen gespannten Blick in die andere Garagenhälfte wird gewiss auch Maximilian Günther wagen. Der gebürtige Oberstdorfer zählt längst zum Inventar der Formel E - eine Saison ohne ihn ist nach Stationen bei Dragon, BMW, Nissan und Maserati kaum mehr vorstellbar. Für 2024/25 wurde er von DS Penske verpflichtet, als Teamkollege von Jean-Eric Vergne.
Nominell haben die Schwarz-Goldenen somit eines der stärksten Fahrerduos im Fahrerlager. Doch die exzellente Paarung birgt auch Konfliktpotenzial. Mit Günther und Vergne hat sich Teambesitzer Jay Penske gleich zwei "Nummer 1"-Fahrer ins Boot geholt. Nur einer von ihnen wird am Ende die Oberhand gewinnen.
Das Experiment mit zwei "Königen" wagten in der Vergangenheit schon mehrere Rennställe. Nyck de Vries und Stoffel Vandoorne kamen bei Mercedes noch gut miteinander aus, Günther und Jake Dennis bei BMW schon weniger. Bei Jaguar knickte Sam Bird unter Mitch Evans' Druck 2023 spektakulär ein. Nun also treffen mit Günther und Vergne bei DS Penske erneut zwei erfolgshungrige, auf der Rennstrecke eiskalte Racer aufeinander.
Mal wieder wird für Günther das entscheidende Rennen also nicht nur jenes um vereinzelte Podien sein (obgleich diese Aussichten durchaus realistisch scheinen), sondern das gegen seinen Teamkollegen Vergne. Auch für den dritten deutschen Fahrer steht also eine Menge auf dem Spiel. Der erste Leistungstest wartet auf Günther, Beckmann und Wehrlein am kommenden Wochenende beim Saisonauftakt in Sao Paulo. Ganz sicher werden sie hoffen, dort mit geballter Faust einen guten Start ins neue Formel-E-Jahr feiern zu können.
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