Formel E

Günther trotz glücklosem Saisonabschluss: "Meine Zukunft liegt in der Formel E"

Timo Pape

Timo Pape

Deutschlands Nachwuchstalent Maximilian Günther hat seine erste Formel-E-Saison beim "Double-Header" in New York abgeschlossen. Der 22-jährige Rettenberger hinterließ in seinem Rookie-Jahr einen starken Eindruck und darf sich berechtigte Hoffnungen auf einen Verbleib in der Formel E machen - bei welchem Team auch immer.

Beim turbulenten Heimrennen seines US-Rennstalls Dragon Racing blieb es dem Allgäuer allerdings verwehrt, ein weiteres Highlight zu setzen. Beim Samstagsrennen touchierte ihn Audi-Pilot Daniel Abt im Kampf um Platz 9 recht unsanft. Der Kontakt beschädigte die hintere rechte Radaufhängung seines Penske EV-3 und ruinierte Günthers Tag. Bis zu diesem Zeitpunkt zeigte der gebürtige Oberstdorfer erneut eine gute Leistung.

Aus Startplatz 11 machte Günther nach nur zwei gefahrenen Runden Platz 6 und zeigte dabei seine ganze Klasse. Der Deutsche zog beim Start an Formel-E-Champion Jean-Eric Vergne und Antonio Felix da Costa (BMW) vorbei und kassierte danach die beiden Virgin-Piloten Robin Frijns und Sam Bird, der mit Günthers Teamkollege Jose Maria Lopez in Kurve 6 kollidiert war. Rundenlang hielt Günther Bird und Felix da Costa in Schach, ehe der Dragon-Pilot die beiden Toppiloten im Attack-Mode ziehen lassen musste.

Als Alex Lynn (Jaguar) in Runde 21 mit einem technischen Defekt unvermittelt stehen blieb, rückte das Safety-Car aus, was das Feld wieder zusammenbrachte. Nach dem Neustart blieb Günther cool und fightete bis acht Minuten vor Rennende um die Top 10, ehe ihn Abt aus dem Rennen warf.

"Es war ein hartes Wochenende, und ich hätte gern wieder Punkte beim Heimrennen von meinem Team Geox Dragon gesammelt", sagt Günther. "Dennoch bin ich zufrieden mit meiner Leistung im Rennen am Samstag, in dem ich bis zur Kollision erneut in den Punkterängen unterwegs war."

Am Sonntag startete Günther auf dem Kurs in Brooklyn nur von Platz 18 und kämpfte um Positionen im Mittelfeld. Eine Runde vor dem Überqueren die Ziellinie musste der junge Deutsche jedoch wegen technischer Probleme - die Batterie machte schlapp - die Box ansteuern und fiel aus. Teamkollege Lopez hatte schon kurz nach dem Start Feierabend.

Günther schlägt Lopez klar nach Punkten

Dennoch war der Aufwärtstrend bei Günther unverkennbar. Nach seinen grandiosen Vorstellungen in Paris und in Bern – jeweils Platz 5 – gab es zwar keine Punkte für Günther beim Heimrennen des Dragon-Teams, aber alles in allem überzeugte Günther in seiner Rookie-Saison auf ganzer Linie. Eines muss nämlich an dieser Stelle festgehalten werden: Das Paket von Dragon mit dem Penske EV-3 war in dieser Saison nicht konkurrenzfähig. Dennoch schaffte es Günther das Maximum aus dem Dragon-Auto herauszuholen.

Günther, der jüngste Formel-E-Pilot im gesamten Fahrerfeld, verwies dabei seinen erfahrenen Teamkollegen Lopez in die Schranken - seines Zeichens dreifacher Tourenwagen-Weltmeister (WTCC). Zudem erreichte Lopez in den beiden vergangenen Jahren mit Toyota im Langstreckensport jeweils Platz 2 in Le Mans. Also durchaus ein starker Teamkollege.

Günther war derjenige, der für den US-Rennstall die meisten Punkte einfuhr. Von den 23 Punkten für Dragon gingen insgesamt 20 Punkte auf das Konto des Deutschen. Der Allgäuer erzielte zweimal Platz 5 in Paris und Bern, während Lopez in Santiago Platz 9 und in Monaco Platz 10 erreichte. Nicht zu vergessen: Günther fuhr insgesamt drei Rennen weniger als der Argentinier.

Obwohl Lopez im direkten Qualifying-Duell 6:4 gegen Günther die Oberhand behielt, leistete sich der 36-jährige Südamerikaner eine wesentlich höhere Fehlerquote als der junge Deutsche. Im Gegensatz zu Lopez konnte Günther seine guten Startpositionen in zählbare Punkte ummünzen.

Stetig ansteigende Leistungskurve

Was auffiel: Günther wurde im Verlauf seiner Rookie-Saison immer stärker und startete zu Beginn der "voestalpine European Races" ab April in Rom so richtig durch. Bei der Formel-E-Premiere zum Saisonauftakt in Diriyya landete Günther auf Platz 15, danach lief es mit Platz 12 in Marrakesch etwas besser.

Danach machte er beim Santiago E-Prix in Südamerika erstmals richtig auf sich aufmerksam. Im Qualifying verpasste Günther mit Platz 7 denkbar knapp seine erste Super-Pole. Pole-Setter Lucas di Grassi (Audi) wurde erst nach Beendigung des Qualifyings nachträglich disqualifiziert. Von Startplatz 6 konnte Günther das Tempo der Spitzenteams problemlos mitgehen und sorgte für Erstaunen im Fahrerlager. Auf Platz 8 liegend ereilte ihn ein technisches Problem am Dragon-Fahrzeug – ein Wackelkontakt am Batteriestecker verhinderte die ersten Formel-E-Punkte für den jungen Bayer.

Anschließend musste Günther eine bittere Pille schlucken: Dragon-Teamchef Jay Penske versetzte ihn zurück ins zweite Glied als Ersatz- und Entwicklungsfahrer und tauschte den Deutschen ab dem Mexico City E-Prix für insgesamt drei Rennen gegen Felipe Nasr aus, der in der Formel 1 kein Cockpit mehr gefunden hatte.

Die Ausbootung Günthers, so die einhellige Meinung im Fahrerlager, war nicht nachvollziehbar. Doch der Rettenberger ließ sich dadurch nicht verunsichern, arbeitete weiter fleißig im Simulator für Dragon und wartete geduldig auf seine Chance. Die mentale Stärke des jungen Deutschen machte sich in dieser nicht einfachen Situation für ihn bezahlt. Günther respektierte die Entscheidung des US-Rennstalls. Der 22-Jährige hegte keinen Groll gegen den Teamchef, blieb ruhig und sorgte für keine weitere Unruhe im Team.

Mit Zielstrebigkeit und Fleiß schaffte Günther den Weg zurück ins Dragon-Cockpit - und ist dabei immer er selbst geblieben. Mit seiner ruhigen, zurückhaltenden und authentischen Art hinterließ der junge Deutsche auch bei anderen Teamchefs in der Formel E einen Eindruck.

Starkes Comeback nach Ausbootung

Nasrs Formel-E-Einstand ging mächtig in die Hose – kein einziger Punktgewinn gelang dem 26-jährigen Brasilianer. Penske hatte nach drei Nullnummern (Mexico City, Hongkong und Sanya) offenbar die Nase voll von der fehlenden Performance des Ex-Formel-1-Piloten und beförderte ihn wieder aus dem Dragon-Team (ohne dies jedoch zu kommunizieren). Fortan setzte Penske bis Saisonende auf die Jugend - Günther durfte wieder ins Cockpit mit der Startnummer 6 steigen. Für das entgegengebrachte Vertrauen von Penske bedankte er sich mit beeindruckenden Leistungen und vor allem zählbaren Ergebnissen.

Einst hatte Penske die Tür zur Formel E für Günther geöffnet. Für den Rookie-Test 2018 in Marrakesch suchte er nämlich einen schnellen jungen Fahrer für das Dragon-Team. Der 40-jährige Amerikaner wurde auf Günther aufmerksam, als dieser beim Formel-3-Weltfinale in Macao 2016 an der Seite von Felix Rosenqvist an den Start ging. Gemeinsam sollten Penske und Günther mit Paris und Bern noch zwei Sternstunden erleben.

"Ich will in der Formel E bleiben", sagt Günther selbstbewusst. "Es haben mehrere Teams Interesse bekundet." Bei Audi, Virgin und Porsche stehen die Fahrerpaarungen für Saison 6 allerdings bereits fest. Nichtsdestotrotz gibt es noch freie Plätze. Für welches Formel-E-Team Günther im November zum Saisonauftakt in Diriyya (Saudi-Arabien) an den Start gehen wird - und ob überhaupt -, bleibt vorerst offen. Mit einer endgültigen Entscheidung ist bis zum Ende des Sommers zu rechnen. "Meine Zukunft liegt in der Formel E", meint Günther.

Foto: Lou Johnson / Spacesuit Media

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