Formel E

Hängepartie in Mexiko: Formel-E-Kommissare untersuchten Traktionskontrollen-Verdacht bei Porsche

Tobias Wirtz

Tobias Wirtz

Noch mehrere Stunden, nachdem Pascal Wehrlein auf dem Formel-E-Podium im Foro-Sol-Stadium den Siegerpokal des Mexico City E-Prix überreicht bekam, war unklar, ob der Deutsche tatsächlich als Sieger des Rennens die Heimreise antreten würde. Erst um 1:51 Uhr deutscher Zeit gab der Automobil-Weltverband FIA bekannt, dass es keine Strafe gegen den Rennsieger gebe.

Das Rennen war gerade einmal sechs Minuten alt, als eine Meldung der Rennleitung über die Zeitnahme-Monitore und das internationale TV-Signal flimmerte: Ein mutmaßlicher technischer Verstoß bei Jake Dennis, Norman Nato und Pascal Wehrlein - alle mit Porsche-Power unterwegs - werde untersucht. Während die Rennleitung bei Nato bereits drei Minuten später Entwarnung gab, kündigte sie kurz vor Rennende an, die Untersuchung gegen Dennis und Wehrlein nach Rennende fortzusetzen.

Es dauerte nach dem Fallen der Zielflagge noch mehr als dreieinhalb Stunden, bis es endgültig Entwarnung gab: Wehrlein behielt den Rennsieg, Dennis wurde als Neunter gewertet. Aus den offiziellen Dokumenten geht hervor, dass Unregelmäßigkeiten beim Strompedal-Mapping der Grund für die Untersuchung waren.

Wie die Kolleg:innen von The Race berichten, stellte die FIA bereits beim Rennstart ein verdächtiges Verhalten der Porsche-Fahrzeuge fest. Die Rennkommissare hätten sich im Anschluss "die notwendige Zeit genommen, um eine umfassende Untersuchung durchzuführen", wird ein Sprecher der FIA zitiert. FIA-Mitarbeiter Thomas Chevaucher, ehemaliger Ingenieur bei DS und Stellantis sowie Teamchef von DS Techeetah, sei in die Untersuchung eingebunden gewesen und in der Porsche-Box gesehen worden.

Technik-Exkurs: Die bestmögliche Beschleunigung

Im Optimalfall wird beim Beschleunigen genau so viel Drehmoment an die angetriebenen Räder abgegeben, dass diese gar keinen oder nur ganz minimalen Schlupf haben. Zu wenig Drehmoment sorgt dafür, dass die zur Verfügung stehende Haftung der Reifen nicht vollständig ausgenutzt wird. Zu viel Drehmoment hingegen sorgt für durchdrehende Reifen. Die auf den Boden übertragene Kraft sinkt, und die Reifenoberfläche überhitzt schnell. Es gilt also, die "goldene Mitte" zu finden.

Eine Traktionskontrolle, die das Durchdrehen der Räder beim Beschleunigen des Fahrzeugs automatisch reduziert oder gar verhindert, ist laut dem Technischen Regelwerk der Formel E verboten. Die Kontrolle der Drehmomentabgabe an die Räder darf nur durch den Fahrer mithilfe des Strompedals erfolgen. Nachdem es in der Gen2-Ära der Formel E Hinweise darauf gab, dass manche Teams das Durchdrehen der Räder mit einer Softwarelösung des Antriebsstrangs verhinderten, schrieb die FIA ab der Saison 2021 Drehmomentsensoren vor.

Gleichzeitig mussten die Hersteller das Strompedal-Mapping homologieren: Es wurde im Vorfeld der Saison verbindlich festgelegt, wie viel Drehmoment der Antrieb bei welcher Strompedalstellung an die Antriebsräder abgibt. Somit kann ein automatischer Eingriff der Software, bei dem der Fahrer den Fuß auf dem Strompedal lässt, in den Daten der FIA-Logger erkannt werden.

Es besteht dennoch der Verdacht, dass manche Teams ihre Software so weiterentwickelt haben, dass insbesondere bei einem stehenden Start ein Durchdrehen der Räder aktiv verhindert wird, ohne dass der Fahrer mit einer Veränderung der Strompedal-Position selbst eingreift. Dafür sollen die Teams eine Schwäche der von der FIA verwendeten Drehmomentsensoren ausnutzen.

Wie funktioniert ein Drehmomentsensor?

Klassische Drehmomentsensoren funktionieren, indem sie die Dehnung der Oberfläche der Welle messen, die bei der Torsion entsteht. Vereinfacht ausgedrückt verformt sich die Antriebswelle minimal, wenn sie Kraft an die Räder überträgt. Je größer die Kraft, desto größer die Verformung.

Aber anders als in manchem Laboraufbau treten in einem Formel-E-Fahrzeug Schwingungen und Vibrationen auf, die das Messergebnis verfälschen können. Mit größeren Antriebswellen und weiterentwickelten Kontrollsystemen konnten diese Schwingungen verringert werden, sie existieren dennoch weiterhin. Das macht es für die FIA schwierig, festzustellen, ob abweichende Messwerte der Sensoren "natürlich" sind oder tatsächlich auf eine Traktionskontrolle hinweisen.

Bei den Porsche-Antrieben in Mexiko war also offentsichtlich alles in Ordnung. Ob mit der Entscheidung der Rennkommissare das Thema nun abgeschlossen ist, ist aber mehr als fraglich. Es ist davon auszugehen, dass die Konkurrenten von Porsche sehr interessiert daran sein werden, die genauen technischen Hintergründe zu erfahren. Möglicherweise erfolgt seitens der FIA bereits vor dem Diriyah E-Prix eine Klarstellung darüber, welche Messwerte die Sensoren erfasst haben, und warum diese nicht als Regelverstoß gewertet wurden.

Der "Double-Header" in Saudi-Arabien findet am 26. und 27. Januar statt.

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