Formel E

Heimlicher Star von Hongkong: Der ZF-Antrieb von Venturi & HWA

Timo Pape

Timo Pape

Das Venturi-Team feierte beim Hongkong E-Prix vor etwas mehr als einer Woche seinen Premierensieg in der Formel E. Edoardo Mortara holte damit gleichzeitig den ersten Sieg für den neuen Antriebsstrang des deutschen Technologiekonzerns ZF, der in dieser Saison sowohl für Venturi als auch deren Kundenteam HWA verantwortlich ist. Bereits seit 2016 verbindet ZF und Venturi eine Technologiepartnerschaft in der Formel E.

Für die fünfte Saison hat ZF einen elektrischen Antrieb für das Venturi-Team entwickelt, der einen elektrischen Motor, ein neu entwickeltes Getriebe und die Leistungselektronik umfasst. In der dreimonatigen Rennpause zwischen der vierten und fünften Saison hatten die ZF-Ingenieure die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, die in der Serienentwicklung nicht möglich sind. So testeten sie sich an Grenzen heran.

Der Hongkong E-Prix war das bislang erfolgreichste Rennwochenende für die Partner Venturi und ZF. Gleichzeitig gibt das im Rennbetrieb erworbene und erprobte Know-how Impulse, die direkt in die Serienentwicklung einfließen. "Wir entwickeln nicht nur elektrische Antriebe für Pkw, Busse und Nutzfahrzeuge. Von uns speziell entwickelte Technik besteht auch im extremen Rennsporteinsatz, wo es auf jede Wattsekunde aus der Batterie, höchste Effizienz und am Ende auf jede Hundertstelsekunde ankommt", sagt Jörg Grotendorst, Leiter der ZF-Division E-Mobility.

Das bewies in Hongkong der für die Formel E entwickelte E-Antrieb mit einer Maximalleistung von 250 kW für die Boliden des in Monaco ansässigen Venturi-Teams. Darüber hinaus bezieht HWA Racelab, das Kundenteam von Venturi, ebenfalls die ZF-Antriebsaggregate. Der schwäbische Rennstall aus Affalterbach konnte mit Gary Paffett (Platz 8) und der Pole-Position von Stoffel Vandoorne in Hongkong ihre ersten Saisonpunkte einfahren.

Anderthalb Jahre in der Entwicklung

"Es ist faszinierend, Technologien für den Rennsport anzupassen und den Fokus vor allem auf Performance und die Jagd nach Zehntelsekunden zu richten", meint Tobias Hofmann, Projektleiter für den Formel-E-Antrieb. "Innerhalb weniger Monate stand das Konzept für den Antrieb, denn bis zum ersten Tests auf der Rennstrecke waren lediglich anderthalb Jahre Zeit." In dieser Zeitspanne stellten die ZF-Ingenieure einen konkurrenzfähigen Antrieb auf die Beine - von der Konzeption über die Teilebeschaffung bis hin zu den Tests am Prüfstand. Weitere acht Monate später sollte er sein erstes Rennen in Saudi-Arabien bestreiten.

"Die Entwicklungsphase war höchst dynamisch und geprägt von zahlreichen Variablen sowie kurzfristigen Änderungen und Designschleifen", erklärt Hofmann. So ergaben sich wesentliche Anforderungen für den Antrieb erst spät - beispielsweise der Attack-Mode, der dem Piloten kurzzeitig 25 kW mehr Leistung zur Verfügung stellt. Dagegen stand neben der Steigerung der Effizienz und maximaler Gewichtseinsparung eine hohe Haltbarkeit von Beginn an als Parameter fest: Die Antriebskomponenten der Formel-E-Boliden müssen die 13 Rennen einer Saison mit insgesamt mehr als 5.000 Renn- und Qualifying-Kilometern durchhalten. Die Teams dürfen die Antriebskomponenten pro Fahrzeug nur einmal ersetzen, ein weiterer Tausch hat empfindliche Zeitstrafen zur Folge.

Systemansatz bringt höheren Wirkungsgrad & niedriges Gewicht

Für ZF standen maximale Effizienz und Gewichtsersparnis auf dem Programm. So erreicht der E-Antrieb mit gezielt ausgelegter Übersetzung sowie Leistungselektronik ein sehr niedriges Systemgewicht und einen Wirkungsgrad, der deutlich über dem von Serienanwendungen liegt. Das Zusammenführen von Materialwissen, Erfahrung in der Verzahnungstechnik inklusive optimaler Schmierung und Kühlung sowie neuester Trends für Leistungselektroniken ergab letztlich ein starkes Gesamtpaket. "Einzelmaßnahmen ohne diesen Systemansatz wären in ihrer Wirkung verpufft", sagt Hofmann.

So setzte ZF für das Getriebegehäuse eine metallische Leichtbaulegierung ein, im Gehäuse der Leistungselektronik sogar Karbon. Beide Materialien senken im Vergleich zu klassischen Materialien deutlich das Gewicht. Damit das ebenfalls gewichtsparende Konzept einer hocheffizienten Getriebeübersetzung realisiert werden konnte, mussten die Ingenieure bei Kühlung und Schmierung neue Wege gehen. Eine Trockensumpf-Schmierung erhöht den Wirkungsgrad im Übersetzungsgetriebe.

Bei der Leistungselektronik setzte das ZF-Team erstmals Siliziumcarbid als Halbleiter ein. Chipsätze aus Siliziumcarbid lassen sich zehnmal dünner auslegen als ihre aktuellen Pendants aus Silizium, was einen geringeren Innenwiderstand erzeugt. In der Folge steigen Wirkungsgrad und Reichweite der Batterie. Im Rahmen seiner Technologiepartnerschaft stattet ZF das monegassische Venturi-Team auch mit Racing-Dämpfertechnologie aus.

Impulse für die Serienentwicklung

Bei bei den Automobilherstellern in der Formel E spielt auch für ZF der Technologietransfer eine wichtige Rolle: "Erfahrungen, die wir mit der Racing-Anwendung gemacht haben, werden vielfach Auswirkungen auf künftige ZF-Produkte haben", erläutert Grotendorst. Ein Beispiel ist das Siliziumcarbid in der Leistungselektronik, dessen Serieneinsatz ZF in etwa drei bis vier Jahren plant. Die Erfahrungen und Daten, die ZF nun in der Formel E sammelt, fließen direkt in die Weiterentwicklung dieser neuen Technologie ein.

Auch Konzepte, die ZF zunächst speziell für die Racing-Anwendung entwickelt hat, finden nach und nach den Weg in Serienanwendungen, so beispielsweise ein spezielles Wicklungsverfahren für den Stator der E-Maschine. Auf die Testanlagen hat sich die Entwicklung des elektrischen Motorsportantriebs ebenfalls positiv ausgewirkt. Bei einem Antrieb, für den der Hauptfokus auf Effizienz liegt, kommt es auf jedes Detail an.

In Verbindung mit System-Wirkungsgraden, die den idealtypischen 100 Prozent nahekommen, bedeutet dies eine hohe Anforderung an die Messgenauigkeit der Prüfumgebung. Ein solch präzises Setup bringt nun jedoch auch Vorteile bei der Erprobung der ZF-Vorserienprojekte. Man darf gespannt, wie sich die ZF-Antriebe beim nächsten E-Prix in Sanya am kommenden Samstag schlagen werden.

Foto: Venturi

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